Im Blickpunkt: Erinnerungen an die Flying Lady und Jim Beam
Von Dr. Werner Keßler

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Der Fall: Das Designunternehmen B mit dem Firmenslogan „Kreatives Produktdesign seit 1978“ wirbt auf seiner Homepage unter der Eyecatcherzeile „Referenzen – Seit 35 Jahren zufriedene Kunden, so wie …“ mit der Marke und den Produktabbildungen seines ehemaligen Kunden T, eines bekannten Herstellers von Fahrradzubehör. Der Internetauftritt ist nicht ohne Raffinesse inszeniert: Klickt man den Referenzverweis an, erscheint ein Tableau mit mehr oder weniger bekannten Firmenlogos, darunter auch das Logo des Exkunden T. Weitere Klicks unter den Stichwörtern Projekte und Konsumgüter führen zu einem weiteren Tableau, auf dem Produkte der Marke „T“ in fotografischen Schnitten eingeblendet sind, wobei, wenn man mit der Maus über die Abbildungen streicht, alle Details dieser Produkte erscheinen: der volle Name des Referenzkunden T, der Typ und die Bezeichnung des Produkts, der Produktionszeitraum und die Auszeichnungen, die das Produktdesign vor vielen Jahren, durchweg vor mehr als zehn Jahren, irgendwo erhalten hat. Noch ein Klick („Mehr Info“) und ein weiteres Bild erscheint, auf dem das betreffende T-Produkt aufleuchtet, jetzt versehen mit einer zahlreiche Details zeigenden fotografischen Vollabbildung und mit Darstellungen im Stil technischer Zeichnungen: Das Unternehmen B rühmt sich lange zurückliegender designerischer Heldentaten, und dies immer mit der blickfangmäßigen Herausstellung des Namens und der Marke T mit dem charakteristischen Logo. Die Pointe an der Geschichte ist, dass der Kunde T der gesamten Inszenierung niemals zugestimmt hat. Auch ein „zufriedener Kunde“ war er nicht, denn er hat vor zehn Jahren die Geschäftsbeziehung mit der Firma B schriftlich gekündigt und es dabei auch nicht versäumt, seine „Unzufriedenheit“ zu artikulieren. Und im Nachhinein hat der Kunde T sogar festgestellt, dass ihm der Designer B vor vielen Jahren in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem kreierten Design eingeräumt und dass er sich überdies dazu verpflichtet hat, über die Geschäftsgeheimnisse des Kunden Verschwiegenheit zu wahren.

Die Rolls-Royce-Entscheidung

Der Fall wirft zahlreiche Fragen auf, vor allem markenrechtliche. Kämmt man aber die Kommentarliteratur und die Rechtsprechung durch, dann findet man unter dem Stichwort „Referenzwerbung“ nur erstaunlich wenige vertiefende Ausführungen, kaum Rechtsprechung und schon gar keine höchstrichterlichen Entscheidungen, die auf einen Sachverhalt wie hier passen. Das mag daran liegen, dass sich in der Praxis die Übung herausgebildet hat, dass die Verwendung fremder Marken oder Produkte zum Zweck der Eigenwerbung von den Markeninhabern ausdrücklich genehmigt oder stillschweigend gebilligt wird. Vor allem Großunternehmen mit bekannten Namen und Marken treffen mit ihren Geschäftspartnern erfahrungsgemäß klare Regelungen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise eine Referenzwerbung gestattet wird.

Wenn es an einer solchen Vereinbarung, Genehmigung oder Billigung aber fehlt, stellt sich die Frage, wo die marken- oder wettbewerbsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Eigenwerbung liegen, deren Naturell darin besteht, dass man seine eigenen Leistungen mit fremden Federn schmückt. Der gute Ruf des Namens eines anderen oder seiner Leistungen und Produkte dienen als „Vorspann“ zur werblichen Präsentation der eigenen Leistungen oder Produkte. Das Sich-Sonnen im Glanze eines anderen ist eine Form der Eigenwerbung, die allgemein als „Rufausbeutung zur Empfehlung der eigenen Leistung“ figuriert.

Der erfahrene Markenrechtler erinnert sich bei dem Stichwort „Vorspann“ an die BGH-Entscheidung „Rolls Royce“, die freilich noch aus einer Zeit stammt, als das Markengesetz noch Warenzeichengesetz hieß und weitaus weniger ausdifferenziert war als das jetzige. Das Rolls-Royce-Motiv war besonders ansprechend. Die damalige Beklagte hatte eine Werbeanzeige veröffentlicht, in der im Rahmen einer gestellten Szene auch die Vorderansicht eines Rolls-Royce-Automobils mit der berühmten Kühlerfigur „Flying Lady“ und das warenzeichenrechtlich geschützte RR-Emblem abgebildet waren. Auf den Kotflügeln des Automobils saßen zwei in texanischem Stil gekleidete Männer beim Kartenspiel. Im Vordergrund stand eine Flasche des Whiskeys „Jim Beam“ mit zwei gefüllten Gläsern. Der BGH hat in dieser Form der Werbung eine unzulässige Ausnutzung fremden Rufs als „Vorspann eigener Werbung“ gesehen und die Beklagte auf Unterlassung nach § 1 UWG verurteilt. Warenzeichenrechtliche Ansprüche nach §§ 15, 24 WZG hat er verneint, da nach seinem damaligen Verständnis die warenzeichenrechtlich geschützten Elemente der RR-Kühlerpartie nicht im Sinne des § 15 WZG warenzeichenmäßig benutzt wurden (BGH GRUR 1983, 247, 248).

Die „Rolls Royce“-Entscheidung aus dem Jahr 1982 ist der Paradefall einer Rufausbeutung zur Empfehlung der eigenen Leistungen unter dem Gesichtspunkt des Vorspanns einer bekannten Marke oder markenrechtlichen Ausstattung. Sie ist in ihrem sachlichen Kern inzwischen in § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG verortet, und die Rechtsprechung ist nicht länger darauf angewiesen, für ihre Beurteilung auf wettbewerbsrechtliche Gesichtspunkte auszuweichen. Die Rufausnutzung einer bekannten Marke zu Zwecken der Eigenwerbung ist ein vorrangig markenrechtliches Thema.

Die Entscheidung VW-Emblem

Wo aber verlaufen heute die Grenzlinien einer Referenzwerbung, wie sie im Ausgangsfall geschildert ist? Die Recherchen führen zur BGH-Entscheidung vom 14.04.2011 (GRUR 2011, 1136 – „Große Inspektion für alle“). In ihr werden Leitlinien für die Bewertung der Benutzung einer bekannten Marke erkennbar. Der dortige Fall betraf die Verwendung des bekannten blau-weißen VW-Emblems. Der BGH hat die Bestimmungen der §§ 14 Abs. 2 Nr. 3, 23 Nr. 3 MarkenG zur Prüfung herangezogen. Die Beklagte, die mehrere Hundert markenunabhängige Autoreparaturwerkstätten betrieb, verwendete in ihren Werbeprospekten das markenrechtlich geschützte VW-Emblem, um mit dem Slogan „Große Inspektion für alle“ ihre spezifischen Reparaturdienstleistungen für VW-Fahrzeuge anzupreisen. Sowohl das OLG Hamburg als auch nachfolgend der BGH sahen darin eine Beeinträchtigung der Kommunikations- und Werbefunktion der Wort-/Bildmarke „VW“ in der Form des blau-weißen VW-Emblems. Der BGH prüfte, ob sich die Autoreparaturwerkstätte auf die Schutzschranke des § 23 Nr. 3 MarkenG berufen könne, befand aber nach genauer Interessenabwägung, dass dies nicht der Fall sei, und hat eine unlautere Rufausnutzung im Ergebnis festgestellt. Dabei hat der BGH nach Bejahung der markenrechtlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG die Zulässigkeit der VW-Werbung durch die Autowerkstätte am Maßstab des § 23 Nr. 3 MarkenG bewertet und dabei geprüft, ob (1) die Benutzung des markenrechtlichen geschützten Emblems notwendig ist und, wenn ja, ob (2) die Benutzung dieser Marke im konkreten Fall unlauter ist, weil sie „den berechtigten Interessen des Markeninhabers in unlauterer Weise zuwiderhandelt“.

Notwendigkeit der Eigenwerbung?

Eine solche „Notwendigkeit“ hat der BGH konzediert, weil die Autoreparaturwerkstätte darauf angewiesen sei, für ihre Reparaturleistungen auf VW-Fahrzeuge Bezug nehmen zu können. Die zweite Voraussetzung, nämlich die Lauterkeit des Werbeverhaltens der Beklagten, hat er aber verneint. Es sei ausreichend, wenn die Autoreparaturwerkstätte die Bezeichnungen „VW“ oder „Volkswagen“ in normaler Schreibweise verwenden könne, die blickfangmäßige Herausstellung des markanten blau-weißen VW-Emblems sei nicht geboten und daher eine gegen die guten Sitten verstoßende Rufausnutzung. Der BGH sieht darin eine Beeinträchtigung der Werbefunktion dieser Marke. Wenn sich ein Dritter durch Benutzung eines mit der Marke bekannten identischen Zeichens in den Bereich der Sogwirkung der Marke begebe, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren, liege regelmäßig eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke vor (GRUR 2011, 1137 [15]).

Für die Fälle der referenzierenden Eigenwerbung durch die Benutzung einer bekannten fremden Marke als Vorspann lässt sich daraus die Erkenntnis ableiten, dass ein Unternehmen, gleich welcher Art, grundsätzlich kein Recht besitzt, die bekannte Marke eines Dritten als werblichen Aufhänger einzusetzen. Eine solche Eigenwerbung ist nur erlaubt, wenn sie „notwendig“ ist. Jedoch sind an eine solche Notwendigkeit relativ strenge Anforderungen zu stellen. Der BGH hat dazu ausgeführt, die Benutzung einer Marke sei notwendig, wenn die Information über den Zweck der Dienstleistung „anders nicht sinnvoll übermittelt“ werden könne. Die Markennutzung müsse „praktisch das einzige Mittel darstellen, um der Öffentlichkeit eine verständliche und vollständige Information über die Bestimmung der Dienstleistung zu liefern“ (GRUR 2011, 1137 [20]).

Diese Hürde ist nicht leicht zu nehmen. Auch ein Designunternehmen wie im Ausgangsfall die Fima B kann schwerlich für sich reklamieren, sie sei zur Werbung für ihre designerischen Leistungen gerade auf die Verwendung der Marke und der Produkte des Kunden T angewiesen, zumal dieser nur einer von vielen Kunden ist. Das gilt auch, wenn man berücksichtigt, dass die Designfirma B Auszeichnungen für die Gestaltung von T-Produkten erhalten hat, umso mehr, wenn diese Awards zehn Jahre und länger zurückliegen. Auch auf solche Auszeichnungen lässt sich in neutraler Form hinweisen. Ein berechtigtes Interesse an einer Darstellung des Designs und der zuerkannten Auszeichnungen ist eine Sache, ein Anspruch hierauf im Sinne einer Notwendigkeit zur Verwendung des Firmen- und Markennamens des Kunden eine andere. Der BGH hat in der VW-Entscheidung keine Zweifel daran gelassen, dass er den auf die Werbefunktion einer Marke ausgedehnten Schutzbereich sehr weit zieht und nicht dazu bereit ist, eine Beeinträchtigung der Werbefunktion durch „Anzapfen“ hinzunehmen.

Lauterkeit der Eigenwerbung?

Und wie verhält es sich mit dem Kriterium der Lauterkeit? Ersichtlich kann es nicht den guten wettbewerblichen Sitten entsprechen, dass die bekannte Marke eines Exkunden zu Referenzzwecken in irreführender Weise benutzt wird, etwa in der Form, dass dieser Kunde als „zufriedener Kunde“ bezeichnet wird, obwohl er die Geschäftsbeziehung mit dem Werbenden nachweislich aufgrund erklärter „Unzufriedenheit“ beendet hat. Weiter, dass der Designer zeichnerische und fotografische Abbildungen der im Auftrag seines Kunden entworfenen Produkte verwendet, obwohl er dem Kunden ausschließliche Nutzungsrechte an dem Design eingeräumt hat, und dass er in Produktbeschreibungen nicht ohne weiteres erkennbare technische Details offenbart, obwohl er sich gegenüber dem Kunden zur Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen verpflichtet hat. Der BGH hat in einer weiteren Auto-Entscheidung (GRUR 2005, 163, 165 – „Aluminiumräder für Porsche-Fahrzeuge“) festgestellt, es komme für eine privilegierte Benutzung einer Marke darauf an, ob derjenige, der sich auf ein solches Privileg beruft, „alles getan hat, um den berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht zuwiderzuhandeln“. Dies ist eine dem vorrangigen Markenschutz dienende, vergleichsweise strenge Anforderung.

Was folgt daraus?

An diesem zu Recht strengen Maßstab ist nicht nur die Autowerkstätte mit dem VW-Emblem gescheitert. Auch das Designunternehmen B im Ausgangsfall wird allergrößte Schwierigkeiten haben, die intensive Benutzung der Marke T lauterkeitsrechtlich zu rechtfertigen. Zu Recht: Trittbrettfahren mit dem Namen und der Marke des Kunden, der einem Dienstleister das Design seiner Produkte anvertraut hat, ist kein redliches Stilmittel der Eigenwerbung. Wer sich mit den fremden Federn seines Kunden schmücken will, sollte anstandshalber dessen Erlaubnis einholen.

wk[at]haver-mailaender.de

23 replies on “Fremde Federn – Eigenwerbung mit fremden Marken”

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