… glänzend im „Goldbären-Streit“: „Haribo vs. Lindt & Sprüngli“ – (Nur) die zweite Runde ist entschieden
Von Dr. Carsten Albrecht
Das OLG Köln hat in dem Rechtsstreit zwischen Haribo und Lindt & Sprüngli die zweite Runde entschieden und die Klage von Haribo abgewiesen, (Urteil vom 11.04.2014 – Az. 6 U 230/12).
Hintergrund
Dieser Rechtsstreit erhält nicht nur viel Aufmerksamkeit in den Medien, sondern wird auch unter Markenrechtlern diskutiert, weil es erstmals um die Frage geht, inwieweit eine Wortmarke durch die dreidimensionale Form eines Produkts verletzt werden kann. Haribo vertreibt seit den 60er Jahren Fruchtgummis in einer goldfarbenen Verpackung unter der Marke „Goldbären“, die sowohl in der Pluralversion „Goldbären“ als auch in der Singularversion „Goldbär“ eingetragen ist. Weiter hat Haribo in der jüngeren Zeit auch eine Wortmarke „Gold-Teddy“ angemeldet und besitzt eine abstrakte Farbmarke „Gold“ für Süßwaren.
Lindt & Sprüngli ist bekannt für seine in goldener Folie eingewickelten „Goldhasen“ aus Schokolade. Daneben bietet Lindt noch andere Tierfiguren an, die ebenfalls in eine goldene Folie eingewickelt werden und die wie der „Goldhase“ ein rotes Band um den Hals tragen. Im Jahr 2011 entschied Lindt, dass ein weiteres Schokoladenprodukt in Form eines Bären angeboten werden sollte, der ebenfalls in eine goldene Folie eingewickelt ist und ein rotes Band um den Hals trägt (siehe Abbildung).
Dieser Schokoladenbär trägt also auf seinem Bauch sowohl den Firmennamen „Lindt“ als auch das weitere Wort „Teddy“. Ansonsten sieht dieser goldene Bär fast genauso aus wie der Goldhase von Lindt.
Rechtsverletzung?
Haribo sieht in diesem neuen Produkt von Lindt eine Verletzung seiner bekannten Marke „Goldbären“. Das Landgericht war Haribo in erster Instanz gefolgt und hatte Lindt antragsgemäß verurteilt, weil eine gedankliche Verbindung zwischen der bekannten Marke „Goldbären“ und dem Schokoladenprodukt von Lindt mit dem goldenen Bären hergestellt würde, denn für die Verbraucher sei die Bezeichnung „Goldbär“ die naheliegende, ungezwungene, erschöpfende und gleichsam einprägsame Bezeichnung für dieses Produkt, weshalb eine Verwechslungsgefahr mit der Wortmarke „Goldbären“ bestehe.
Ansicht des OLG Köln
Dem ist das OLG Köln nun entgegengetreten und hat nicht nur den Anspruch aus der bekannten Marke „Goldbären“, sondern auch aus allen anderen Marken verneint und die Klage insgesamt abgewiesen. Dabei stimmt das OLG zunächst mit dem Landgericht überein, dass es sich um ähnliche Waren handelt. Fruchtgummis und Schokoladenwaren hätten den gleichen Verwendungszweck, wendeten sich an die gleichen Verkehrskreise, würden in denselben Verkaufsstätten nebeneinander angeboten und konkurrierten auch sonst miteinander. Das Argument von Lindt, dass die Produkte von Haribo eher dem Niedrigpreissegment zuzurechnen seien, während die Schokoladenprodukte von Lindt zum Premiumsegment gehörten, wies das OLG als nicht maßgeblich zurück. Das OLG stimmte auch mit dem Landgericht überein, dass es sich bei der Klagemarke „Goldbären“ um eine äußerst bekannte Marke handele. Der in einem Gutachten ermittelte Bekanntheitsgrad von 90% zeige eine überragend bekannte Marke „Goldbären“. Schließlich stimmte das OLG dem Landgericht zu, dass Lindt die Form des Teddybären mit der goldenen Folie markenmäßig, also als Hinweis auf das Unternehmen Lindt, verwende. Dabei stützte sich das Gericht vor allem darauf, dass sich der neue Schokoladenbär von Lindt logisch in deren Produktlinie einfüge und wie der Goldhase nach dem Willen von Lindt auf das Unternehmen hinweisen solle. Lindt selbst hatte in den früheren Prozessen zum „Goldhasen“ immer argumentiert, dass die Form und die spezielle Farbgebung in der goldenen Folie mit dem roten Band um den Hals als Herkunftshinweis gedeutet würden. Dies nimmt das Gericht nun auch im Hinblick auf den goldenen Bären an.
Das OLG Köln meint jedoch, dass bei dem Zeichenvergleich keine Übereinstimmung der kennzeichnenden Elemente anzunehmen und deshalb die Klage von Haribo unbegründet sei. Dabei stimmt das Gericht mit der Vorinstanz überein, dass es durchaus zwischen verschiedenen Kategorien von Marken Verwechslungen geben könne. Dies ist allgemein anerkannt für eine mögliche Verwechslungsgefahr zwischen Wortzeichen und reinen Bildzeichen, wenn das Wort die naheliegende, ungezwungene und erschöpfende Bezeichnung des Bildes ist. Diesen Gedanken überträgt das OLG Köln auch auf die Kollision zwischen einem Wortzeichen und der dreidimensionalen Gestaltung mit dem goldenen Bären. Das OLG meint jedoch, dass das Landgericht hier nicht alle maßgeblichen Faktoren im Gesamteindruck richtig gewürdigt habe. Es hebt hervor, dass zunächst zu ermitteln sei, welche Gestaltungsmerkmale bei einem komplexen Zeichen vom Verkehr als Herkunftshinweis aufgefasst würden. Es betont auch, dass die Form und die Farbe eines Produkts regelmäßig Teile der funktionellen und ästhetischen Gestaltung der Ware seien und nicht so leicht als Herkunftshinweis verstanden würden. Das OLG weist ausdrücklich darauf hin, dass für die Gesamtbetrachtung der Wortbestandteil „Lindt“ und der Name „Teddy“ ebenso zu berücksichtigen seien wie die sonstigen Gestaltungsmerkmale aus der Produktreihe von Lindt. Es meint dann, dass Form und Farbe von eher untergeordneter Bedeutung für die Herkunftsfunktion seien und dass sie gleichsam überlagert würden von den Wortbestandteilen und dem roten Plisseeband um den Hals. Da diese Elemente für den Gesamteindruck des Produkts von Lindt von stärkerer Bedeutung seien als die Form und die goldene Farbe der Folie, meint das OLG im Unterschied zum Landgericht, dass die naheliegende, ungezwungene, erschöpfende und gleichsam einprägsame Bezeichnung des angegriffenen Produkts eben nicht „Goldbär“ oder „Goldbären“ sei, weil diese Bezeichnung den Firmennamen „Lindt“ und den Namen „Teddy“ nicht ausreichend mitberücksichtige.
Wichtig: die Einschätzung des Marktes
Das OLG fühlt sich in seiner Auffassung auch durch ein Gutachten bestätigt, das Lindt eingereicht hatte und wonach nur rund 8,5% der Befragten die Schokoladenfigur mit „Goldbär“ oder „Goldbärchen“ benennen würden. Lediglich 0,8% bzw. 0,6% der Befragten stellten eine gedankliche Verbindung zwischen dem Produkt von Lindt und dem Goldbären von Haribo her, während rund 84% der Befragten bei dem goldenen Schokoladenbären Lindt als Hersteller nannten. Dieses Gutachten unterstützt aus Sicht des OLG dessen Auffassung, dass das Produkt von Lindt nicht sofort und ungezwungen mit der bekannten Marke „Goldbären“ in Verbindung gebracht werde und deshalb nicht die erforderlichen Assoziationen hergestellt würden.
Mit ganz ähnlichen Argumenten weist dann das OLG auch die Ansprüche aus anderen Marken und aus Ausstattungen zurück. Auch der Anspruch aus der Farbmarke wird mit derselben Argumentation verneint. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass das OLG Köln einen Anspruch aus der jüngeren Marke „Gold-Teddy“ von Haribo verneint und dabei für wahrscheinlich hält, dass diese Marke von Haribo bösgläubig angemeldet worden sei, nachdem Lindt die Markteinführung seines neuen Schokoladenprodukts in Bärenform angekündigt hatte.
Fazit und Ausblick
Wenn man diesen Rechtsstreit mit einem Boxkampf vergleicht, hat Haribo die erste Runde vor dem Landgericht gewonnen und Lindt die zweite Runde vor dem OLG, das die Revision zugelassen hat. Es ist bei den Verlautbarungen beider Parteien seit Beginn des Prozesses anzunehmen, dass dieses Verfahren durch alle Instanzen geführt wird und mit Sicherheit zum BGH geht und eventuell auch zum Europäischen Gerichtshof. Dies scheint auch deshalb angemessen, um höchstrichterliche Rechtsgrundsätze zur Verwechslungsgefahr bei dreidimensionalen Formen und bei Farbmarken zu erhalten. Im Ergebnis kann man sicherlich beide Ergebnisse gut begründen. Das Landgericht hat mehr auf die Form und Farbe abgestellt. Das OLG hat auch noch die weiteren Kennzeichnungsmerkmale und insbesondere die Wortbestandteile bei dem Produkt von Lindt in seine Erwägungen einbezogen. Eine gewisse Ironie dieses Verfahrens besteht darin, dass Lindt jetzt vor dem OLG Köln gegen Haribo genau mit den Argumenten gewinnt, mit denen man zuvor beim OLG Frankfurt am Main in der eigenen Klage gegen einen Mitbewerber bei dem Goldhasen gescheitert war. Das OLG Köln hat sich nämlich diverse Ausführungen des OLG Frankfurt am Main aus dem dortigen Verletzungsprozess zu eigen gemacht, um die Anlehnung an die berühmte Marke „Goldbären“ von Haribo zu verneinen.
Der vorliegende Fall zeigt aber ein weiteres Mal, dass zwar mittlerweile viele Fragen zur Eintragung nichttraditioneller Marken, wie etwa dreidimensionaler Marken, Farbmarken und dergleichen, geklärt sind. Nahezu 20 Jahre nach Einführung des Markengesetzes gibt es aber immer noch viele Unwägbarkeiten bei der Durchsetzung derartiger Marken wie auch bei der Verteidigung von Farben und Formen gegen markenrechtliche Ansprüche aus anderen Markenkategorien. Auch deshalb wäre es zu begrüßen, wenn der Bundesgerichtshof und der EuGH Gelegenheit erhielten, sich zu diesen Fragen zu äußern.