Was Rechtsabteilungen von KMUs besonders macht
Von Dr. Bruno Mascello, LL.M., EMBA HSG
Die drei traditionellen Tagungen „Corporate Counsel’s Day“, „Management von Anwaltskanzleien“ und „Compliance Management Day“ fanden im vergangenen Jahr das erste Mal gemeinsam am 31.10.2017 in Zürich und unter dem neuen Dach „Law & Management Day“ statt. Es hatte sich wieder eine international breit zusammengesetzte Runde von hochkarätigen Referentinnen und Referenten zusammengefunden, um aktuelle Herausforderungen im Rechtsmarkt aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, Erfahrungen auszutauschen und im Plenum zu diskutieren. Die Teilnehmer konnten erstmals ihre eigene Tagung aus drei Angeboten frei zusammenstellen, und das innovative Setting bot eine praktische Plattform für neue Impulse und Kontakte über alle drei Teilnehmergruppen (Kanzleianwälte, Unternehmensjuristen und Compliance Officers) hinaus.
Corporate Counsel’s Day
Der Corporate Counsel’s Day legte den Schwerpunkt auf kleine Rechtsabteilungen und solche von kleinen Unternehmen. In der Einführung zeigte der Verfasser dieses Beitrags auf, dass KMUs – definiert als Unternehmen mit maximal 250 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz von 50 Millionen Euro – zu Recht als Rückgrat der Wirtschaft verstanden werden dürfen. So weisen etwa in der Schweiz 90% der Unternehmen weniger als zehn Mitarbeiter auf, und zwei Drittel aller Angestellten arbeiten in KMUs. Das korreliert mit den Zahlen der Anwaltskanzleien in der Schweiz, von denen etwa 90% maximal fünf Anwälte zählen und etwa 60% der Kanzleien Einzelkanzleien sind. Ferner besaßen im Jahr 2006 nur 30% der KMUs in Europa eine Rechtsabteilung. Die Tagung versuchte deshalb herauszufinden, wann sich ein Unternehmen entscheidet, einen eigenen Rechtskonsulenten anzustellen. So finden sich erste Rechtsabteilungen bereits unterhalb einer Umsatzgröße von 25 Millionen Euro und in Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern. Das variiert jedoch sehr stark je nach Land, der Branche und dem Reifegrad des Unternehmens. Oft wird der erste Inhouse Counsel in für das Unternehmen wichtigen Zeiten angestellt, etwa bei einem geplanten IPO oder wenn man in andere Länder expandieren will.
In einem nächsten Schritt sollte herausgefunden werden, worauf ein erster General Counsel in den ersten 100 Tagen achten muss, um erfolgreich zu sein. Zu diesem Zweck haben drei General Counsel ihre persönlichen Erfahrungen und Einsichten geschildert (Tabea Bürgler, Bossard Group; Michael Neff, Zur Rose Group AG; Marcel Körting, VAT Group AG). Die erste Empfehlung bestand darin, in den ersten Wochen vorsichtig zu sein und nicht dem Druck zu verfallen, sofort messbare Leistungen und Arbeitsresultate liefern zu wollen („the company also survived the previous 128 years without you“). Am Anfang sei genug Zeit einzuplanen, um die Unternehmensführung und die Teams kennenzulernen, das Geschäft des Unternehmens, die Prozesse und Kultur zu verstehen, die bisher tätigen externen Anwälte zu treffen und die geltenden regulatorischen Fragen kennenzulernen. Statt sich auf die Erteilung von Rechtsrat zu konzentrieren, sei vielmehr Wert auf das richtige Verhalten zu legen, um etwa als Teamplayer und Enabler wahrgenommen zu werden, zugänglich zu sein und flexibel zu bleiben. Wichtig sei es auch, zuhören zu können, Fragen zu stellen und sich in das neue Umfeld einzufügen. Danach bestehe noch genügend Zeit, um neue Richtlinien und Compliancestandards einzuführen, Musterverträge zu entwerfen und einen Risikoprozess für Rechtsrisiken zu entwickeln. Der Aufbau einer ersten Rechtsabteilung könne durchaus mit dem Aufbau eines Start-ups verglichen werden: Man habe zwar viel Freiheit und Bewegungsspielraum, etwas Neues nach den eigenen Vorstellungen aufzubauen, aber das sei auch mit Verantwortung verbunden. Schließlich wurde ausführlich der Punkt der Unabhängigkeit diskutiert, weil man in einem kleinen Team ständig in geschäftsführender Verantwortung eingebunden ist.
In einem weiteren Schritt untersuchten die Referentinnen und Referenten, was nach einer erfolgreichen ersten Einarbeitung geschieht, wie man also seine Rolle als General Counsel festigen und bei Bedarf auch die Rechtsabteilung weiter ausbauen kann (Kinga Frater, Autoneum Management AG; Urs Schwartz, Victorinox AG; Patrick P. Schädler, Oettinger Davidoff AG). Man war sich einig, dass vieles vom Vertrauen in die einzelne Person abhängt und davon, wie man sich mit seiner eigenen Arbeit ins Unternehmen einfügt und welche Bereitschaft man zeigt, für das Gedeihen des Unternehmens Mitverantwortung zu übernehmen. Die weiteren Redner adressierten weitere wichtige Punkte wie zum Beispiel die Herausforderung, wie man Erwartungen und Risiken richtig handhabt (Michael H. Ghaffar, Molecular Health GmbH) und wie man die Rechtsabteilung laufend an Veränderungen im Unternehmen anpasst (Daniel Petitpierre, SIG Combibloc Group AG). Schließlich stellte Carsten Lüers (Verizon Enterprise Solutions) die Ergebnisse einer Studie der Association of Corporate Counsel (ACC) vor, mit einem Schwerpunkt auf Herausforderungen für KMUs.
Ein weiteres Panel widmete sich schließlich der Frage, wie General Counsel von KMUs in Zeiten von Effizienzsteigerung und kleinen Budgets externe Rechtsleistungen einkaufen. Dies führte erwartungsgemäß zu einer hohen Teilnahmequote von externen Anwälten.
Management von Anwaltskanzleien
Im Programmteil „Kanzleimanagement“ wurde der Schwerpunkt auf die mit der Digitalisierung zusammenhängenden Herausforderungen für externe Anwälte gelegt. Nach einer Einführung durch Prof. Dr. Leo Staub (Universität St. Gallen) zur strategischen Positionierung einer Kanzlei im digitalen Umfeld zeigte Johannes Klostermann (Chief Innovation Officer, Wolters Kluwer) am Beispiel SmartLaw, was in Sachen elektronischer Erstellung individualisierter Verträge heute möglich ist und wie ein Benutzer sorgfältig und gut instruiert im Ergebnis genau den Vertrag erhält, den er braucht.
Danach diskutierten Leo Staub, Urs Frey (Direktor KMU-Institut Universität St. Gallen) und Günther Dobrauz (Head Legal, PwC Schweiz) über die Auswirkungen moderner Technologien auf Kanzleien. Ziel der drei Referenten war es, den Teilnehmern Handlungsmöglichkeiten im digitalen Umfeld aufzuzeigen, wenn es um die strategische Ausrichtung der Kanzlei geht. Die Antworten darauf sollen schließlich in eine Rekonfiguration des Geschäftsmodells münden, die strategisch und wirtschaftlich nachhaltig ist, und zwar sowohl für die Partner der Kanzlei als auch für deren Kunden.
Prof. Dr. Walter Fellmann (Universität Luzern), Christine Hehli Hidber (Partnerin Binder Rechtsanwälte, Baden/Schweiz) und Ralph Binder (Partner Binder Rechtsanwälte, Passau, und Vorsitzender Arbeitsgemeinschaft Kanzleimanagement im DAV) setzten sich im Folgenden mit den berufsrechtlichen Beschränkungen der Tätigkeit nichtanwaltlicher juristischer Dienstleister auseinander. Ergebnis: Während das Anwaltsmonopol in Deutschland auch die juristische Beratung umfasst, ist das Monopol in der Schweiz auf die Vertretung von Parteien vor Gericht beschränkt. Der Raum für Anbieter von Rechtsdienstleistungen, die keine Anwälte sind, ist in der Schweiz deshalb wesentlicher größer als in Deutschland.
Compliance Management Day
Gabe Shawn Varges (Lehrbeauftragter Universität St. Gallen) zeigte neueste Trends und aktuelle Entwicklungen zum Thema internationaler Compliance auf. Mit einem besonderen Schwerpunkt auf Big Data diskutierten die Referenten (Mark Harbaugh, Berater; Paul Lanois, Credit Suisse; Hans-Peter Guellich, Dydon AG), ob dies eine Gefahr oder eine neue Chance darstelle. Das anschließende Panel, das sich aus Risikomanagern und Compliance Officers (Reto Kunz, EFG International; Udo Henkelmann, Deutsche Börse Group; Kurt Meyer, Swissgrid AG; Jim Hales, UBS) zusammensetzte, diskutierte die Frage, ob und wie Compliance und Risikomanagement zusammenpassen und wie die beiden Funktionen zusammenarbeiten sollten. Ein weiteres Panel mit Investoren und Analysten (Ilias Läber, Cevian Capital AG; Vincent Kaufmann, Ethos Foundation; Cristina Ungureanu, Eurizon Capital SGR) ging der Frage nach, ob Compliance für Investoren überhaupt von Bedeutung ist.
Richard Susskind als Schlussbouquet
Unbestrittener Höhepunkt war das Schlussreferat von Richard Susskind (Professor Oxford und Autor zur Entwicklung des Rechtsmarktes). Der Referent zeigte mit überzeugender Klarheit auf, dass wir erst am Anfang einer technologischen Entwicklung stehen, die große Teile anwaltlicher Arbeit im Sinne von mehr Effizienz und Qualität unterstützt, gewisse Teile aber auch substituiert, jedenfalls aber ein weites Feld für Innovation im Kanzleimarkt eröffnet. Dieser Impuls endete in einer regen Diskussion, die zeigte, dass die Thematik alle Teilnehmer zum Denken anregte. Zwei Fragen blieben offen: Is it the End of Lawyers? What will be Tomorrow’s Lawyers? Diese Fragen ließen sich beim anschließenden Farewell Drink trefflich bei einem Glas Wein mit allen Rednern und Teilnehmern weiter diskutieren.