Forum 270: Grundsätze für Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung

Gastbeitrag von Alexander Reus, Florian Harig und Thomas Oberle

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Der „Forum 270 – Qualität und Verantwortung in der Eigenverwaltung e.V.“ (Forum 270) hat im Dezember 2018 den Standard „Grundsätze für Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung“ veröffentlicht. Das Forum 270 ist eine Vereinigung von Insolvenzpraktikern, die zum nachhaltigen Erfolg der Eigenverwaltung beitragen will und hierbei besonderen Wert auf einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Instrument der Eigenverwaltung legt. Die Grundsätze für Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung wurden unter Einbeziehung der Ergebnisse einer Expertendiskussion verabschiedet und sollen zur Einhaltung einheitlicher Standards in Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung anleiten. Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über die Grundsätze gegeben werden. Die vollständigen Grundsätze können unter www.forum270.de abgerufen werden.

Eigenverwaltung seit dem ESUG
Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) wurde die vorläufige Eigenverwaltung während des Insolvenzantragsverfahrens eingeführt. Seither hat die Zahl der Eigenverwaltungen spürbar zugenommen. Unternehmen können sich mit einer Eigenverwaltung wesentlich selbstbestimmter als im fremdverwalteten Insolvenzverfahren sanieren. Es ist verbreitete Praxis, dass hierzu neben dem bisherigen Geschäftsführer ein Insolvenzexperte als „Eigenverwalter“ im Unternehmen eingesetzt wird, um die Einhaltung der insolvenzrechtlichen Bestimmungen zu gewährleisten.

Voraussetzungen für eine sinnvolle Eigenverwaltung
Die Grundsätze von Forum 270 stellen klar, dass nicht jedes Insolvenzverfahren für die Durchführung in Eigenverwaltung geeignet ist. Zwar sieht das Gesetz vor, dass die Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. InsO anzuordnen ist, wenn keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Jedoch gibt es Konstellationen, in denen eine Eigenverwaltung nicht geeignet ist, den Zweck des Insolvenzverfahrens zu erreichen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn strafrechtliche Ermittlungen gegen die Geschäftsleitung laufen oder zu erwarten sind oder wenn wesentliche Beteiligte, wie Gesellschafter, Finanzierer, Arbeitnehmer oder operative Vertragspartner erhebliche Vorbehalte gegen die Geschäftsleitung haben.
Sinnvoll kann die Eigenverwaltung gerade in Fortführungsfällen sein, in denen das Know-how der Geschäftsleitung, die persönlichen Kontakte und das Vertrauensverhältnis zu Vertragspartnern die Fortführung und Sanierung erleichtern und befördern. Die Eigenverwaltung gibt häufig ein positives Signal für Fortführung und Kontinuität, insbesondere wenn die Kommunikation durch den Sachwalter unterstützt wird.
Der Geschäftsführung muss jedoch bewusst sein, dass die Regelungen der Insolvenzordnung (InsO), insbesondere die in § 1 InsO verankerte Pflicht zur gleichmäßigen und bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger sowie die Verwertungssystematik der InsO, Priorität genießen. Die Geschäftsführung muss daher anerkennen, dass sie im Verfahren eine ergebnisoffene Verwertung des schuldnerischen Vermögens zur Maximierung der Gläubigerbefriedigung auch bei womöglich abweichendem persönlichem Eigeninteresse zu akzeptieren hat.
Zudem muss das Unternehmen auch auf organisatorischer und administrativer Ebene den Anforderungen einer Eigenverwaltung gewachsen sein. Hierzu sind ein intaktes Rechnungswesen und eine aktuelle Buchhaltung Voraussetzung.

Einleitung des Verfahrens
Der Standard von Forum 270 erläutert, dass die professionelle Einleitung des Verfahrens die Vorteile einer Eigenverwaltung wesentlich unterstützt. Dies erfordert in der Regel eine vorinsolvenzliche Beratung, verbunden mit der rechtzeitigen Vorbereitung der Eigenverwaltung unter anderem durch frühzeitige Abstimmung mit den Beteiligten und der weiteren Kommunikation. Dies ermöglicht einen „fliegenden Start“ in das Verfahren und den Sanierungsprozess. Wird dieser Start rechtzeitig vorbereitet, kommt in aller Regel ein spürbarer Vorteil der Eigenverwaltung gegenüber der Fremdverwaltung zum Tragen, bei der der Verfahrensbeginn für den Insolvenzverwalter oftmals einem Sprung ins kalte Wasser gleicht.
Auch die frühzeitige Kontaktaufnahme mit dem Insolvenzgericht ist für den erfolgversprechenden Start ins Verfahren von erheblicher Bedeutung. Das Insolvenz-gericht soll bereits vor Stellung des Insolvenzantrags angesprochen werden. Themen wie die Begründung von Masseverbindlichkeiten und der Umgang mit Steuer- und Sozialversicherungsverbindlichkeiten sollen abgestimmt werden. Hinzu kommen die Einbeziehung der wesentlichen Beteiligten sowie die Erstellung einer gegebenenfalls für ein Schutzschirmverfahren nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO vorzulegenden Bescheinigung. Wesentlich für die Verfahrensvorbereitung ist aus Sicht von Forum 270 auch eine Liquiditäts- und Ergebnisplanung, in der Regel für die ersten sechs Monate des Verfahrens. Diese sollte auch Angaben zu den voraussichtlichen Kosten des Verfahrens beinhalten.
Die Kosten des Eigenverwaltungsverfahrens, insbesondere die Kosten des Eigenverwalters, müssen nach den Grundsätzen von Forum 270 transparent dargestellt werden. Sie können in Anlehnung an die Regeln der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV) oder in Form eines Pauschalhonorars vereinbart werden. Das Forum 270 legt Wert darauf, dass die „echten Kosten des Verfahrens in Eigenverwaltung“ mit den Kosten einer Fremdverwaltung verglichen werden. Hierbei sollen die Kosten (einschließlich der Vergütung des Sachwalters) die Kosten eines fremdverwalteten Insolvenzverfahrens nicht übersteigen, wobei auch die strategischen Vorteile einer Eigenverwaltung zu berücksichtigen sind. Kosten, die auch in der Fremdverwaltung in gleicher Weise wie im Verfahren in Eigenverwaltung anfallen, sind beim Kostenvergleich zu neutralisieren.
Die Grundsätze von Forum 270 gehen davon aus, dass die Zusammenarbeit des Eigenverwalters mit dem Sachwalter idealerweise in einer Ergänzung der für die Eigenverwaltung zu beschließenden Geschäftsordnung erfolgt; zu regeln sind Themen wie die Kassenführung und die nach § 275 Abs. 1 InsO zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäfte.
Der Standard sieht vor, dass ein vorläufiger Gläubiger­ausschuss frühzeitig über den geplanten Verfahrensablauf und die Geschäftsordnung zwischen Eigenverwaltung und Sachwalter informiert wird. Im Zuge einer ersten Gläubigerausschusssitzung sollten die Themen der Verfahrensstrategie, der Liquiditätsplanung, der Einschaltung externer Berater sowie der Aufnahme (unechter) Massekredite besprochen werden.
Wird die Sanierung des Unternehmens mittels eines Insolvenzplans angestrebt, ist in der Regel ein sogenannter Dual-Track-Prozess durchzuführen. Parallel zur Entwicklung eines Insolvenzplans soll dementsprechend ein objektiver und ergebnisoffener M&A-Prozess durchgeführt werden.
Die Grundsätze sehen vor, dass der Eigenverwalter regelmäßig auch die vollständige Verwertung des nach einer Betriebseinstellung oder übertragenden Sanierung verbleibenden Restvermögens sowie den gesamten Verfahrensabschluss übernimmt, wenn kein Verfahrensabschluss mittels Insolvenzplan erfolgt.

Die Person des Eigenverwalters
Die Person des Eigenverwalters muss eine insolvenzkundige Person sein, die in aller Regel als Organ in die Geschäftsleitung des schuldnerischen Unternehmens berufen wird. Nur in Ausnahmefällen kann eine Generalbevollmächtigung akzeptabel sein. Der Eigenverwalter muss Erfahrung in der Unternehmensinsolvenzverwaltung haben und mit ausreichender Handlungsbefugnis ausgestattet sein, um Verträge abschließen und Kündigungen aussprechen zu können. Abhängig von den jeweiligen Verfahrensbesonderheiten kann es für die Erfüllung der insolvenzrechtlichen Vorgaben erforderlich sein, dass der Eigenverwalter über ein ausreichend großes und ausgebildetes eigenes Team verfügt.

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