Arbeitsrechtliche Auswirkungen von Mobbing und politischen Äußerungen im Zeitalter von Social Media

Von Manuel Schütt, LL.M. Eur.

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Die sozialen Medien verändern unsere Kommunikation mindestens im gleichen Maße, wie es bereits die Umstellung von Brief auf E-Mail tat. Die Reaktionszeit ist noch kürzer, der Empfängerkreis noch größer und die Hemmschwelle noch niedriger. Diese Schnelllebigkeit und die vielen neuen Möglichkeiten wirken sich auch auf die Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus. Besonders beim Thema „Mobbing“ und bei politischen Äußerungen von Mitarbeitern wird dieser Wandel in den vergangenen Jahren anhand zahlreicher Gerichtsentscheidungen auch immer sichtbarer (etwa LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.06.2016 – 4 Sa 5/16; ArbG Herne, Urteil vom 22.03.2016 – 5 Ca 2806/15; ArbG Mannheim, Urteil vom 19.02.2016 – 6 Ca 190/15).

Cybermobbing

Auch früher wurden Mitarbeiter im Büro „gemobbt“. Dabei gibt es weder eine allgemeingültige Definition von Mobbing, noch stellt es eine Anspruchsgrundlage dar. Mobbing entspricht jedoch im Wesentlichen dem Begriff der Belästigung nach § 3 Abs. 3 AGG. Dabei wird Mobbing in der Regel dann angenommen, wenn Anfeindungen gegen Kollegen, Führungskräfte oder den Arbeitgeber zielgerichtet und systematisch erfolgen und dadurch ein negatives Umfeld im Unternehmen geschaffen wird. Mit einem solchen Umfeld haben nicht nur die jeweiligen Mobbingopfer vor Ort zu kämpfen, sondern durch die deutlich steigenden Krankheitstage oder unproduktiv arbeitende Mitarbeiter entsteht oftmals auch ein wirtschaftlicher Schaden für das Unternehmen. Insofern dürfte allen Beteiligten daran gelegen sein, Mobbing frühzeitig zu identifizieren und zu unterbinden.

Aktuelle Studien zeigen, dass Mitarbeiter sich immer häufiger psychischen Angriffen von Arbeitskollegen oder Führungskräften ausgesetzt sehen. Auch Angriffe der Mitarbeiter gegen ihren Arbeitgeber erfolgen immer öfter. Dies geschieht mittlerweile weniger vor Ort im Büro als vielmehr zumeist im Internet und vor allem in den sozialen Medien („Cybermobbing“). Hierdurch sind die Gefahren für die Opfer ungleich höher und die Hemmschwelle der Täter ungleich niedriger. Sich nach einem „schweren Arbeitstag“ abends auf dem Sofa noch über Kollegen, Führungskräfte oder den Arbeitgeber im Internet auszulassen, ist jedermann möglich und zudem auch oftmals für jedermann sichtbar. Erfolgt dies zielgerichtet, beleidigend oder geschäftsschädigend, sollte das betroffene Unternehmen handeln.

Schadensersatz gegenüber dem Arbeitgeber

Die Arbeitgeber trifft bei solchen Handlungen eine Fürsorgepflicht gegenüber den Kollegen und Führungskräften. Diese ergibt sich – je nachdem, ob das Cybermobbing aufgrund eines diskriminierenden Merkmals nach § 1 AGG erfolgt – entweder aus § 12 AGG oder aus den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten gemäß §§ 611, 241 Abs. 2 BGB. Die Fürsorgepflicht umfasst zunächst einmal eine allgemeine Hinweispflicht. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber gegenüber seinen Mitarbeitern klarstellt, was er unter Cybermobbing versteht und dass er diese Handlungen nicht toleriert. Zum Beispiel kann dies im Rahmen von Social-Media-Guidelines, Schulungen, Hinweisen im Arbeitsvertrag oder sogar in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.

Sollten konkrete Fälle von Cybermobbbing erfolgen, muss der Arbeitgeber die „Opfer“ schützen. Dies kann sowohl durch eine Abmahnung des jeweiligen „Täters“ oder auch durch Umsetzung oder Versetzung von „Täter“ und/oder „Opfer“ in eine andere Abteilung erfolgen. Darüber hinaus kann als Ultima Ratio auch eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden.

Erfolgen keine entsprechenden Maßnahmen oder wurde der allgemeinen Hinweispflicht nicht nachgekommen, kommen Schadensersatzansprüche des Mobbingopfers gegenüber dem Arbeitgeber in Betracht. Diese Ansprüche können sich aus der Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht gemäß den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, aus der Verletzung gesetzlicher Pflichten gemäß § 15 Abs. 1, 2 AGG oder aufgrund eines Organisationsverschuldens nach § 823 Abs. 1 BGB ergeben. Um es nicht so weit kommen zu lassen, sollten die Arbeitgeber deshalb sowohl ihrer allgemeinen Hinweispflicht nachkommen als auch im konkreten Fall eines Cybermobbings entsprechend handeln.

Politische Äußerungen der Arbeitnehmer

In den vergangenen Jahren hat nicht nur Cybermobbing gegenüber Kollegen zugenommen, sondern auch die Anzahl und der Inhalt der politischen Äußerungen haben durch die sozialen Medien eine neue Qualität erhalten. Gerade in der gegenwärtigen Flüchtlingsdiskussion hat sich das in den vergangenen Jahren immer weiter verschärft. Dabei sehen viele Arbeitgeber rassistische Äußerungen von Arbeitnehmern als rufschädigend für das Unternehmen an. Auch hier kann ein Unternehmen frühzeitig reagieren.

Grundsätzlich sollte auch diese Thematik in Social-Media-Guidelines geregelt werden, so dass bei den Mitarbeitern ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, was das Unternehmen nicht tolerieren wird. Bei konkreten Verstößen dagegen dürfte sodann oftmals eine Abmahnung die richtige Reaktion sein, insbesondere bei erstmaligen Verstößen. Wenn aber besonders drastische, rassistische Aussagen von einem Mitarbeiter getroffen werden, kann auch eine ordentliche oder sogar eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommen, da Loyalitätspflichten gegenüber dem Arbeitgeber verletzt wurden.

Dabei gilt auch bei politischen Aussagen im Netz zunächst einmal der Grundsatz, dass private Äußerungen keine Pflichtverletzungen im Rahmen des Arbeitsvertrags darstellen und damit keine Abmahnung und keine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Etwas anderes ist jedoch der Fall, wenn ein Bezug zum Arbeitsverhältnis vorhanden ist und die Äußerung betriebliche Interessen beeinträchtigt. In den sozialen Medien kann sich ein solcher Bezug beispielsweise durch die Nennung des Arbeitgebers im privaten Profil des Arbeitnehmers ergeben. Gerade bei XING oder LinkedIn ist dies offensichtlich, aber auch bei Facebook wird im Profil oftmals auf den Arbeitgeber verwiesen. Darüber hinaus kann ein Mitarbeiter im Profil in Dienstkleidung zu sehen sein oder Bilder von seinem Arbeitgeber posten, so dass hierdurch ein Bezug zum Arbeitgeber hergestellt werden kann.

Besonderheiten bei der Kündigung

Wenn auf der ersten Stufe ein „Grund an sich“ für eine verhaltensbedingte Kündigung gegeben ist, muss auf der zweiten Stufe eine Interessenabwägung im Einzelfall vorgenommen werden. Dabei spielen die Besonderheiten des Internets eine wichtige Rolle. Die Mitarbeiter haben vielfältige Möglichkeiten, ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen. Dies ist beispielsweise durch Bilder und Videos, durch Liken und Teilen von Inhalten oder durch die Verwendung von Emoticons möglich. Sämtliche Ausdrucksformen können dabei grundsätzlich kündigungsrelevante Handlungen darstellen. Zum Beispiel wurde die Verwendung eines Emoticons (Schweinekopf) genauso behandelt, als ob der Mitarbeiter in seiner Kommunikation das Wort Schwein als herabwürdigenden Begriff verwendet hätte. Zu Lasten des Arbeitnehmers ist dann beispielsweise zu werten, wenn der Inhalt für jedermann zugänglich war und dass eine Verkörperung stattgefunden hat. Zugunsten des Arbeitnehmers muss berücksichtigt werden, wenn der Mitarbeiter den Post wieder gelöscht oder sich davon distanziert hat und dass bei Diskussionsbeiträgen im Internet auch eine gewisse Schnelllebigkeit besteht.

Fazit

Insgesamt ist in diesen Bereichen noch vieles im Fluss, da zwar die Zahl an Instanzrechtsprechung deutlich zugenommen hat, bisher aber eine höchstrichterliche Klärung oftmals ausgeblieben ist. Es obliegt deshalb aktuell den einzelnen Unternehmen, ihre rote Linie festzulegen und dann entsprechend zu handeln.

manuel.schuett@bblaw.com

19 replies on “Eine rote Linie ziehen”

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