Vorsatzanfechtung in laufenden Geschäftsbeziehungen:
zum richtigen Umgang mit in der Krise befindlichen Schuldnern

Von Dr. Roman Köper

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In Ausgabe 3/2015 des Deutschen AnwaltSpiegels wurde dargestellt, wie eine unbedachte Fortsetzung einer laufenden Geschäftsbeziehung in der Krise des Geschäftspartners zu Rückstellungsnotwendigkeiten und in einer etwaigen späteren Insolvenz des Geschäftspartners sodann zu erheblichen Anfechtungsrisiken im Zusammenhang mit der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO führen kann. Vor allem die weitere Entgegennahme freiwilliger Zahlungen des in die Krise geratenen Schuldners ohne Maßnahme zur Abwendung der entstandenen Anfechtungsrisiken kann im Fall einer späteren Insolvenz zu ganz erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen führen. Die bereits skizzierten Maßnahmen sollen im Folgenden hinsichtlich Auswahl und Art der Durchführung genauer beleuchtet werden.

Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung

Rechtlich bewirkt der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung den Wegfall der (für die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit maßgeblichen) Fälligkeit der aufgelaufenen Verbindlichkeiten des Schuldners mit Ausnahme der jeweiligen monatlichen Rate. Da von einem späteren Insolvenzverwalter die behauptete Kenntnis einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit in aller Regel aus den eigenen Forderungen des Gläubigers abgeleitet wird, entfällt zugleich die etwaig zuvor gegebene Kenntnis des Gläubigers von dieser. Der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung macht jedoch nur dort Sinn, wo der Schuldner nach der Einschätzung des Gläubigers auch in der Lage ist, bei Vereinbarung von nach Art und Dauer handelsüblichen Ratenzahlungen seine offenen Verbindlichkeiten auch tatsächlich zu tilgen. Die abzuschließende Ratenzahlungsvereinbarung muss sich also auch als ernsthaft durchführbar darstellen und darf kein bloßes „Feigenblatt“ sein.

Da bei einem Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung aufgrund der Vielzahl der denkbaren sonstigen Indizien und aufgrund der bei der Gestaltung verbleibenden Restunsicherheit eine mögliche Kenntnis des Gläubigers von einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht ausgeschlossen werden kann, empfiehlt es sich, bei der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung die Abschlüsse neuer Geschäfte nur unter Beachtung des sogenannten Bargeschäftsprivilegs i.S.v. § 142 InsO zu tätigen. Zwar findet diese Vorschrift auf eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO keine Anwendung. Dies gilt aber nur dann, wenn der Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO vollständig vorliegt, also insbesondere ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners besteht und der Gläubiger hiervon Kenntnis hat. Werden die neuen Geschäftsabschlüsse jedoch als Bargeschäft ausgestaltet, bei welchem zwischen Leistung (beispielsweise Lieferung von Waren) und tatsächlicher Gegenleistung (Kaufpreiszahlung) nicht mehr als 30 Tage liegen (etwa durch Vereinbarung von Vorkasse oder kurzen Zahlungszielen), fehlt es in aller Regel an einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, weil dieser nach der Wertung des § 142 InsO die Zahlung an den Gläubiger nicht deshalb erbringt, weil er die übrigen Gläubiger benachteiligen will, sondern weil er seine kaufvertraglichen Verpflichtungen erfüllen will und er die Ware für die Fortführung seines Geschäftsbetriebs erwirbt, um mit den hieraus entstehenden Erträgen seine (übrigen) Gläubiger zu befriedigen.

Titulierung der Ansprüche und Durchführung der Zwangsvollstreckung

Sollte sich der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung als nicht durchführbar darstellen oder der Gläubiger dies aus sonstigen Gründen ablehnen, kommt als Alternative die Durchführung der Zwangsvollstreckung (nach entsprechender Titulierung der Ansprüche) in Betracht. Dies bedeutet aber zugleich, dass die Geschäftsverbindung sich nicht wird fortsetzen lassen; zum einen weil der Schuldner dies in der Regel nicht möchte, und zum anderen, weil hier unter Umständen der Verdacht aufkommen könnte, dass der Schuldner gerade deshalb Geschäfte mit diesem Gläubiger abschließt (und hierauf zahlt), weil er ihn „besänftigen“ möchte. Wird die Vollstreckung durchgeführt, unterliegen die hieraus erlangten Zahlungen der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 InsO („inkongruente Deckung“), sofern der Schuldner binnen drei Monaten, nachdem der Gläubiger die Geldleistung erhalten hat, einen Insolvenzantrag stellt. Da es bei § 131 Abs. 1 InsO nicht darauf ankommt, ob der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte, unterliegen solche Geldeingänge regelmäßig der Anfechtung. Stellt der Schuldner nicht binnen drei Monaten einen Insolvenzantrag, ist das Risiko einer Anfechtung aber immer noch nicht beseitigt. Denn sofern der Schuldner die Geldleistung an den Gläubiger noch „freiwillig“ (wenn auch aufgrund des Vollstreckungsdrucks) erbringt, kann weiterhin § 133 Abs. 1 InsO eingreifen. Denn dieser scheidet nur dann aus, wenn der Schuldner keinerlei Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Geldleistung mehr hatte, bspw. weil der Gerichtsvollzieher den beim Schuldner vorhandenen Geldbetrag sonst direkt gepfändet hätte. Da jedoch die Gerichtsvollzieher bei fehlendem Widerspruch des Gläubigers befugt sind, mit dem Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen, sollte der Gläubiger einen solchen Widerspruch bereits im Vollstreckungsauftrag erklären oder – soweit möglich – statt eines Gerichtsvollzieherauftrags eine Kontopfändung vornehmen, weil von einem gepfändeten Konto durch die kontoführende Bank an den Gläubiger ausgekehrte Gelder nie eine freiwillige Leistung des Schuldners darstellen können. Gleiches gilt übrigens auch für sonstige Forderungspfändungen. Sachpfändungen und Zwangssicherungshypotheken lassen dem Schuldner hingegen wegen der längeren Verwertungsdauer noch den Spielraum, die Verwertung durch „freiwillige“ und damit anfechtbare Zahlung an den Gläubiger abzuwenden.

Die Durchführung der Zwangsvollstreckung hat also zwei wesentliche Nachteile:

  • Sie provoziert „freiwillige“ Zahlungen des Schuldners, die aufgrund sonstiger Umstände häufig nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sind, und
  • sie führt bei Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen, die nicht durch den Schuldner durch „freiwillige“ Zahlungen abgewendet werden können (insbesondere bei Konto- und sonstigen Forderungspfändungen) häufig zur direkten Insolvenz des Schuldners und damit zu einer sicheren Anfechtbarkeit der erhaltenen Geldleistungen, sofern der Insolvenzantrag binnen drei Monaten nach Erhalt der Geldleistung gestellt wird.

Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners durch den Gläubiger und Mitarbeit zur Überwindung der Krise

Eine weitere – aber eher seltene – denkbare Maßnahme ist die aktive Einschaltung des Gläubigers in die Sanierung des Schuldners unter gleichzeitiger Gewährung einer Stundung für die offenen Forderungen des Gläubigers. Hierbei verschafft sich der Gläubiger einen vollständigen Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und lässt sich seine Forderungen erst dann bezahlen, wenn er anhand der Unterlagen festgestellt hat, dass der Schuldner nicht (mehr) zahlungsunfähig oder drohend zahlungsunfähig ist. Damit schließt er jedes spätere Anfechtungsrisiko aus. Allerdings ist dieses Vorgehen nur dann möglich, wenn der Schuldner einwilligt und wenn der Gläubiger zudem über hinreichende eigene insolvenzrechtliche Kenntnisse verfügt oder bereit und in der Lage ist, einen insolvenzrechtlichen Berater hinzuzuziehen. Somit kommt diese Maßnahme eigentlich nur für Key-Accounts in Betracht.

roman.koeper[at]anchor.eu

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