Im Blickpunkt: Cashpooling und die Insolvenzanfechtung nach § 135 InsO
Von Dr. Alexandra Schluck-Amend
Cashpooling ist und bleibt ein beliebtes und hochaktuelles Instrument in der Finanzierung von Konzernen. Die wesentlichen Vorteile sind dabei die Bündelung und bedarfsgerechte Verteilung von Liquidität, verbunden mit der Einsparung von Zins- und Verwaltungsgebühren, einer Vielzahl nun nicht mehr benötigter Kontokorrentverhältnisse, sowie die Möglichkeit, Konzerngesellschaften auf schnellem Wege zu finanzieren, also mit frischen Geldmitteln zu versorgen.
Die Funktionsweise von Cashpooling ist in der Grundstruktur simpel. Dabei wird vorhandene Liquidität auf Bankkonten der am Cashpool teilnehmenden Tochtergesellschaften meistens täglich entweder bis auf null oder bis zu einem festgelegten Sockelbetrag abgeschöpft und bei der den Cashpool führenden Gesellschaft, in der Regel der Konzernobergesellschaft, auf einem zentralen Konto gesammelt. Der bei den Tochtergesellschaften entstehende Liquiditätsbedarf wird dann wiederum durch absteigende Zahlungen aus dem Cashpool gedeckt.
Bei der Strukturierung von Cashpoolingsystemen gilt es zahlreiche rechtliche Aspekte zu beachten. Eine optimale rechtliche Gestaltung mindert sowohl Haftungsrisiken der Gesellschaften als auch der handelnden Organe. In der Praxis treten vermehrt Fragen im Zusammenhang mit der Insolvenzanfechtung auf.
Risiko der Insolvenzanfechtung bei Verkauf und Erwerb von Konzerngesellschaften
Ein wesentlicher Aspekt bei der Minimierung von Risiken ist die mögliche Insolvenzanfechtung nach § 135 InsO. Die Regelung betrifft die anfechtungsrechtliche Schlechterstellung von Gesellschafterdarlehen und deren Tilgung gegenüber Darlehen, die von Dritten gewährt worden sind, und ist grundsätzlich auf Cashpooling anwendbar. Sie kann insbesondere dann relevant werden, wenn eine am Cashpool teilnehmende Konzerngesellschaft aus dem Konzern herausgelöst und verkauft werden soll. Solange die Gesellschaft Teil des Konzerns ist und am Cashpool teilnimmt, lässt sich oftmals deren Insolvenzrisiko beherrschen, da sie mit den benötigten Finanzmitteln versorgt werden kann. Wird sie aber verkauft, liegt deren weiteres Schicksal in den Händen des Erwerbers oder der Erwerber. Die bisherigen Gesellschafter haben dann weder Einsichts- noch Steuerungsmöglichkeiten. Dennoch bleibt ein Risiko aus Insolvenzanfechtung nach § 135 InsO für die Altgesellschafter bestehen. Werden nämlich die verkaufte Gesellschaft innerhalb eines Jahres ab der letzten aufsteigenden Zahlung im Rahmen des Cashpoolingverfahrens insolvent und ein Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet, kann der Insolvenzverwalter im Wege der Anfechtung Forderungen gegenüber den Altgesellschaftern geltend machen. Diesem Risiko können die Altgesellschafter nur entgegentreten, indem sie mit dem Erwerber entsprechende Freistellungsvereinbarungen für den oben geschilderten Fall treffen. Diese Freistellungsvereinbarungen stellen für den Erwerber regelmäßig eine Belastung dar. Sie erschweren die Transaktion und können sich negativ auf den erzielbaren Verkaufspreis auswirken. Je nach Höhe kann zudem eine Besicherung der Freistellungsansprüche erforderlich werden. Dies löst zusätzliche Kosten aus. Auch sind diese Freistellungsansprüche rechtlich nur etwas wert, wenn der Käufer solvent ist.
Rechtsunsicherheit bei der Bestimmung der Höhe des Anfechtungsrisikos
Problematisch ist dabei die Bezifferung der Höhe des Anfechtungsrisikos und damit auch der Höhe der Freistellungsvereinbarungen. Nach derzeitiger Gesetzeslage und im Lichte der aktuellen Rechtsprechung des BGH ist nicht eindeutig, welche Zahlungen genau der Anfechtung unterliegen. Deshalb lässt sich das Risiko nicht mit hinreichender Sicherheit quantifizieren.
Die Regelung des § 135 InsO wurde mit Blick auf das klassische Gesellschafterdarlehen geschaffen. Wenn ein Gesellschafter der Gesellschaft ein Darlehen zur Verfügung gestellt hat, ist der Rückzahlungsanspruch, anders als bei Darlehen von Dritten, subordiniert und wird in der Insolvenz der Gesellschaft nachrangig hinter allen anderen Forderungen bedient. Bereits geleistete Zahlungen für Zins und Tilgung können innerhalb der Anfechtungsfrist rückabgewickelt werden. Die Höhe des Anfechtungsanspruchs bemisst sich im Fall des klassischen Gesellschafterdarlehens nach der Summe aller im Anfechtungszeitraum an den Gesellschafter erfolgten Zahlungen.
Cashpooling als hybride Konstruktion zwischen Gesellschafterdarlehen und Kontokorrent
Bei Cashpooling mit täglicher Verrechnung gibt es jedoch eine Vielzahl von aufsteigenden und absteigenden Zahlungen, ähnlich wie bei einem Kontokorrent. Summiert man alle aufsteigenden Zahlungen, also solche von der Tochtergesellschaft an die Poolführerin, kann eine Situation entstehen, bei der die aufsteigenden Zahlungen die absteigenden Zahlungen um ein Vielfaches übersteigen. Würde sich der Anfechtungsanspruch gemäß § 135 InsO nun danach bemessen, müsste unter Umständen mehr zurückgewährt werden, als der Gesellschaft jemals zur Verfügung gestellt worden ist. Dadurch entstünden für Erwerber und Veräußerer von Konzerngesellschaften unverhältnismäßig hohe Risiken, die eine Transaktion hemmen oder gar vollständig verhindern können.
Bei der rechtlichen Einordnung von Kontokorrentverhältnissen, etwa zwischen Unternehmen und Banken, herrscht aus insolvenzrechtlicher Sicht dagegen ein deutlich höheres Maß an Klarheit und Rechtssicherheit. In ständiger Rechtsprechung hat hierzu der BGH festgestellt, dass eine Anfechtung nicht auf einzelne Zahlungen gerichtet sein kann, sondern allenfalls auf den Saldo, sofern die Einzahlungen die Auszahlungen im Anfechtungszeitraum übersteigen. Ferner findet im Kontokorrentverhältnis das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO Anwendung. Dieses schließt eine Insolvenzanfechtung, mit Ausnahme der Vorsatzanfechtung, aus, sofern Leistung und Gegenleistung sich gleichwertig gegenüberstehen und ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht. Auf die Tilgung von Darlehen im klassischen Sinne ist das Bargeschäftsprivileg nicht anwendbar, da nach ständiger Rechtsprechung die Gegenleistung für die Gewährung des Darlehens nicht in dessen Tilgung, sondern in der Entrichtung von Zinsen zu sehen ist.
In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH die ausführenden Banken im Rahmen des Cashpoolings völlig von der Anfechtung ausgenommen und angemerkt, dass eine solche nur im Verhältnis der beteiligten Gesellschaften untereinander erfolgen könne.
Aktuelle Rechtsprechung und deren Übertragbarkeit auf Cashpooling
Von besonderem Interesse für die hier aufgeworfene Frage sind die Entscheidungen des BGH vom 07.03.2013, Az. IX ZR 7/12, vom 04.07.2013, Az. IX ZR 229/12, und vom 16.01.2014, Az. IX ZR 116/13. Darin hat der BGH festgelegt, dass unter bestimmten Umständen auf mehrere aufeinanderfolgende Gesellschafterdarlehen die Rechtsprechung zum Kontokorrent entsprechend angewendet werden kann. Dies hatte in den entschiedenen Einzelfällen zur Folge, dass nicht mehr die Summe aller Zahlungen der Gesellschaft an die Gesellschafter von der Insolvenzanfechtung nach § 135 InsO erfasst war, sondern lediglich der Saldo, sofern die aufsteigenden Zahlungen die absteigenden Zahlungen überstiegen.
Sollte sich diese Rechtsprechung auf Cashpooling übertragen lassen, könnten die obengenannten Risiken genau beziffert werden und wären insgesamt deutlich geringer. Dies würde das vom Gesetzgeber als „wirtschaftlich sinnvoll“ bezeichnete Cashpooling und insbesondere den Verkauf und den Erwerb von an einem Cashpool teilnehmenden Konzerngesellschaften erleichtern.
Fazit
Dass der BGH im Entscheidungsfall die Rechtsprechung zum Kontokorrent ohne weiteres auf Cashpooling übertragen würde, muss allerdings bezweifelt werden. Cashpooling ist weder dem klassischen Gesellschafterdarlehen noch dem echten Kontokorrentverhältnis gleichzusetzen. Es ist eine hybride Konstruktion, die Funktionen aus beiden Bereichen übernimmt. Einerseits kann eine Tochtergesellschaft über einen Cashpool finanziert werden, so dass eine klassische Darlehensvergabe überflüssig wird, andererseits ersetzt die interne Verwaltung von Liquidität eine Vielzahl von Kontokorrentverhältnissen der Tochtergesellschaften mit Banken. Insgesamt ist das Cashpooling dem Kontokorrent in seiner Struktur und seinem Zweck näher als dem klassischen Gesellschafterdarlehen, so dass eine Übertragung der Grundsätze der Rechtsprechung zum Kontokorrent zumindest in groben Zügen naheliegt. Dies wäre aus Sicht der Betreiber von Cashpooling wünschenswert, da es ihnen ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit bei der Entscheidung über die Veräußerung von Konzerngesellschaften verschaffen würde. Solange jedoch seitens des Gesetzgebers oder der Rechtsprechung keine Klarstellung erfolgt, bestehen die oben geschilderten Risiken. Daher kann es entscheidend sein, bereits bei der Einrichtung von Cashpoolingstrukturen darauf zu achten, dass deren Ausgestaltung sich an den Kriterien der Rechtsprechung orientiert, um im Zweifelsfall von der Anwendung der zum Kontokorrent entwickelten Grundsätze und deren vorzugswürdigeren Risikoallokation zu profitieren.
alexandra.schluck-amend[at]cms-hs.com
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