Die Luft wird dünn für Drittplattformverbote im Internet – Das Bundeskartellamt bezieht Stellung
Von Meike Johnsen, LL.M., M.A., und Robert Bäuerle, LL.M.
Das Bundeskartellamt hat am 02.07.2014 bekanntgegeben, dass es eines seiner beiden Pilotverfahren zu Drittplattformverboten im Handel eingestellt hat, nachdem der betroffene Sportartikelhersteller Adidas seine Vertriebsbedingungen geändert hat und nun den Vertrieb über Drittplattformen zulässt. Das Bundeskartellamt geht davon aus, dass Hersteller den Handel über Internetplattformen wie Amazon oder eBay nicht untersagen dürfen. Die deutschen Gerichte haben sich bislang uneinheitlich zu der Vereinbarkeit von Drittplattformverboten mit dem Kartellrecht geäußert; ein klärendes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) steht noch aus. Daher ist für Lieferanten bei der Beschränkung des Onlinevertriebs auf Drittplattformen Vorsicht geboten. Für Händler hingegen tun sich Klagemöglichkeiten gegenüber ihren Lieferanten auf, wenn sie durch einen restriktiven Vertriebsvertrag in ihren Onlinevertriebsmöglichkeiten eingeschränkt werden.
Hintergrund
Adidas betreibt ein selektives Vertriebssystem, die Produkte dürfen also nur über autorisierte Händler verkauft werden, die bestimmte qualitative Selektionskriterien erfüllen müssen. Im Jahr 2012 führte das Unternehmen neue Vertriebsbedingungen ein, die unter anderem ein weitreichendes Verkaufsverbot über Onlinemarktplätze wie eBay und Amazon Marketplace, aber auch andere Plattformen wie Rakuten.de, Yatego.de, Hitmeister.de und meinPaket.de enthielten. Anlässlich mehrerer Beschwerden von Sportfachhändlern leitete das Bundeskartellamt im Jahr 2012 ein Verfahren gegen Adidas ein. Ein Parallelverfahren wurde gegenüber dem Sportartikelhersteller Asics eingeleitet.
Rechtlicher Rahmen
Einem Händler steht es in der Regel frei, den Weitervertrieb seiner Waren selbst zu organisieren. Werden ihm vom Lieferanten bestimmte Verpflichtungen auferlegt, liegt darin häufig eine kartellrechtswidrige Wettbewerbsbeschränkung gemäß Art. 101 Abs. 1 AEUV oder § 1 GWB. Etwas anderes gilt nur für genehmigte Einzelfälle oder wenn die Absprache von einer Gruppenfreistellung profitiert. Die Gruppenfreistellungsverordnungen gelten gemäß § 2 Abs. 2 GWB auch bei rein nationalen Sachverhalten bezugentsprechend. Nach der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen („Vertikal-GVO“) sind Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Händlern unter bestimmten Voraussetzungen freigestellt, wenn sie keine verbotenen Kernbeschränkungen beinhalten. Als verbotene Kernbeschränkungen werden in der Vertikal-GVO insbesondere Beschränkungen des Kundenkreises oder des Gebiets, in das ein Händler verkaufen darf, gesehen. Spezielle Regeln zu Beschränkungen des Onlinevertriebs finden sich in der Vertikal-GVO jedoch nicht.
Allerdings gehen die Vertikalleitlinien der Europäischen Kommission auf das Verbot des Verkaufs über Drittplattformen ein. Danach soll ein Hersteller für den Weiterverkauf seiner Waren im Internet ähnliche Qualitätsanforderungen stellen können, wie er dies auch bei festen Verkaufsstellen (Läden) tun kann, so dass es sich nicht um eine verbotene Kernbeschränkung handeln soll. Die Beurteilung in den Leitlinien geht zurück auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu festen Verkaufsstellen, derzufolge das Kartellverbot auf qualitative selektive Vertriebssysteme keine Anwendung findet, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Der EuGH hat jedoch, bezogen auf den Onlinevertrieb, in einer späteren Rechtssache („Pierre Fabre“, Rs. C-439/09) Wettbewerbsbeschränkungen zum Schutz des etwaig bestehenden Prestigecharakters einer Marke kritisch beurteilt. Insofern ist unklar, ob die aus dem Jahr 2010 stammenden Vertikalleitlinien tatsächlich noch die aktuelle Sicht der Europäischen Kommission wiedergeben.
Die Rechtsprechung der deutschen Gerichte zu diesem Thema geht auseinander. Das OLG Karlsruhe ging davon aus, dass durch eine qualitative Beschränkung des Onlinevertriebs der Kartelltatbestand gar nicht erfüllt sei (Urteil vom 25.11.2009 – Az. 6 U 47/08 Kart.). Das OLG München hingegen ging davon aus, dass ein Verbot des Onlinevertriebs über Drittplattformen zwar den Kartelltatbestand erfülle, aber nach der Vertikal-GVO freigestellt sei und insbesondere keine Kernbeschränkung darstelle [Urteil vom 02.07.2009 – Az. U (K) 4842/08]. Andere Gerichte zeigten sich weniger herstellerfreundlich. Zuletzt hat das OLG Schleswig entschieden, dass ein Kamerahersteller seinen Vertragshändlern den Verkauf über Internetplattformen nicht verbieten dürfe [Urteil vom 05.06.2014 – Az. 16 U (Kart) 154/13]. Laut dem OLG Schleswig sind die Voraussetzungen für einen selektiven Vertrieb nicht erfüllt. Ein Verbot des Verkaufs über Drittplattformen bezwecke eine Wettbewerbsbeschränkung und stelle eine Kernbeschränkung im Sinne der Vertikal-GVO dar.
Wie fügt sich das Verfahren gegen Adidas in diese Entwicklung ein?
Das Bundeskartellamt hat Adidas im Rahmen des Verfahrens mitgeteilt, dass im Hinblick auf das Verbot des Verkaufs über Onlinemarktplätze und Beschränkungen der Suchmaschinenwerbung für autorisierte Händler gravierende wettbewerbsrechtliche Bedenken bestünden. Das Unternehmen hat keine Entscheidung gegen sich und einen anschließenden Rechtsstreit riskiert, sondern neue E-Commerce-Bedingungen vorgelegt, die den Händlern nun keinerlei Beschränkungen hinsichtlich des Verkaufs auf Drittplattformen auferlegen und es den Händlern zudem freistellen, Markenbegriffe bei der Suchmaschinenwerbung als Suchworte zu gebrauchen. Das Bundeskartellamt hat sich aber auch schon zuvor unabhängig von einem konkreten Verfahren dahingehend geäußert, dass ein solches Verbot des Verkaufs auf Drittplattformen eine Kernbeschränkung darstelle und nicht von einer Einzelfreistellung profitieren würde. Zum einen sieht das Bundeskartellamt wenig Spielraum für das Argument, ein Verbot sei für den Schutz des Markenimages notwendig. Das Bundeskartellamt ist zum anderen der Auffassung, dass technische Möglichkeiten – wie telefonische Beratung oder eine Beratung über das Internet – bestünden, die die Gefahr von „Trittbrettfahrten“ auf Kosten der Händler mit festen Verkaufsstellen verringern. Zudem geht das Bundeskartellamt davon aus, dass auch die weiteren Voraussetzungen für eine Rechtfertigung der Wettbewerbsbeschränkung – eine angemessene Verbraucherbeteiligung und die Unerlässlichkeit der Beschränkung – nur schwer zu begründen seien.
Auch in anderen Ländern gehen die Kartellbehörden gegen Verbote des Onlinevertriebs vor. In Frankreich zum Beispiel haben die Wettbewerbshüter vor kurzer Zeit mehrere Hersteller von optischen Linsen durchsucht, die ähnliche Vertriebsbedingungen unterhielten. Auch die Schweizer Kartellbehörde hat ebenfalls im Juli 2014 ein Verfahren gegen den Kaffeemaschinenhersteller Jura eingestellt, nachdem dieser sich verpflichtet hatte, die Onlineverkaufsbedingungen für seine Händler zu ändern.
Fazit
Die beiden gegen große Sportartikelhersteller geführten Pilotverfahren des Bundeskartellamts stellen die Weichen für Lieferanten und Händler. Das Bundeskartellamt hat sich deutlich gegen Beschränkungen des Vertriebs auf Drittplattformen im Internet positioniert und schafft damit für Unternehmen notwendige Richtlinien. Ein Verbot der Nutzung von Drittplattformen erscheint danach nur schwer mit dem Kartellverbot in Einklang zu bringen. Eine abschließende Klärung der Rechtsfrage bleibt aber der obergerichtlichen Rechtsprechung vorbehalten. Nachdem sich das Bundeskartellamt so klar positioniert hat, bleibt den Unternehmen zur gerichtlichen Überprüfung dieser Sicht allerdings hauptsächlich der riskante Weg, eine Entscheidung des Bundeskartellamts gegen sich ergehen zu lassen, um diese dann in einem langwierigen Instanzenweg von den Gerichten überprüfen zu lassen. Unternehmen sollten ihre Regeln zum Onlinevertrieb vor diesem Hintergrund prüfen. Das Risiko für Klagen von Händlern dürfte sich mit diesem Verfahren nun nochmals erhöht haben.
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