Neues Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr – AGB und individualvertragliche Vereinbarungen anpassen
Von Dr. Alin Seegel

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Am 29.07.2014 ist das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr in Kraft getreten. Ziel der neuen Regelungen ist es, die Zahlungsmoral privater Unternehmen und öffentlicher Auftraggeber zu verbessern, um die Liquidität und Wettbewerbsfähigkeit – insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen – zu stärken. Um dieses Ziel zu erreichen, schränkt der Gesetzgeber die Vertragsfreiheit der Parteien, Zahlungsfristen zu vereinbaren, ein, erhöht den Verzugszinssatz und führt einen pauschalierter Schadenersatzanspruch ein (vgl. §§ 271a, 288, 308 Nr. 1a) und Nr. 1b) BGB n.F.). Die wichtigsten Änderungen werden nachfolgend zusammengefasst.

Zeitlicher Anwendungsbereich der neuen Vorschriften

Die neuen Vorschriften gelten für Schuldverhältnisse, die nach dem 28.07.2014 entstanden sind. Für bereits bestehende Dauerschuldverhältnisse gelten die neuen Vorschriften auch, soweit die Gegenleistung erst nach dem 30.06.2016 erbracht wird.

Einführung gesetzlicher Höchstgrenzen für Zahlungs-, Abnahme- und Prüffristen

Das Gesetz beschränkt nunmehr in § 271a BGB n.F. die Vertragsfreiheit im Hinblick auf die Vereinbarung von Zahlungsfristen. Darüber hinaus legt es zeitliche Höchstgrenzen für Abnahme- und Prüffristen fest.

Individualvertragliche Vereinbarungen

In § 271a I 1 BGB n.F. ist nun neu geregelt, dass die Vereinbarung einer längeren Zahlungsfrist als 60 Tage nach Empfang der Gegenleistung bzw. dem späteren Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung nur noch dann wirksam ist, wenn die Parteien die längere Zahlungsfrist ausdrücklich vereinbart haben und diese für den Gläubiger nicht grob unbillig ist. Dem Umsetzungsgesetz ist nicht zu entnehmen, was genau unter einer „ausdrücklichen Vereinbarung“ zu verstehen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH hat ein solches Ausdrücklichkeitserfordernis jedenfalls Warnfunktion, und dem geschützten Vertragspartner muss „völlige Klarheit über die Rechtslage verschafft werden“. Erforderlich, aber auch ausreichend dürfte daher sein, wenn beide Vertragspartner bewusst übereinstimmend erklären, dass eine längere Zahlungsfrist gilt. Konkludente Vereinbarungen über Zahlungsfristen, die Fristen von mehr als 60 Tagen nach Empfang der Gegenleistung zum Gegenstand haben, sind unwirksam.

Ist eine Entgeltforderung erst nach Überprüfung oder Abnahme der Gegenleistung zu erfüllen, wie beispielsweise im Fall der werkvertraglichen Abnahme gemäß § 640 BGB, so ist eine Vereinbarung, nach der die Zeit für die Überprüfung oder Abnahme der Gegenleistung mehr als 30 Tage nach Empfang der Gegenleistung oder einer Rechnung bzw. gleichwertigen Zahlungsaufstellung beträgt, gemäß § 271a III BGB n.F. nur noch dann wirksam, wenn sie ausdrücklich getroffen worden und im Hinblick auf die Belange des Gläubigers nicht grob unbillig ist.

Allgemeine Geschäftsbedingungen

Für die Vereinbarung von Zahlungsfristen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gelten strengere Maßstäbe: Gemäß § 308 Nr. 1a) BGB n.F. ist nun eine Vereinbarung in den AGB, durch die sich der Verwender eine „unangemessen lange Zeit“ für die Erfüllung einer Entgeltforderung vorbehält, unwirksam. Sofern es sich bei dem Verwender nicht um einen Verbraucher handelt, ist im Zweifel gemäß § 308 Nr. 1a)  Hs. 2 BGB n.F. davon auszugehen, dass schon eine Frist von mehr als 30 Tagen nach Empfang der Gegenleistung oder einer später zugegangenen Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung unangemessen lang ist.

Auch eine Bestimmung, durch die sich der Verwender vorbehält, eine Entgeltforderung des Vertragspartners erst nach „unangemessen langer Zeit“ für die Überprüfung oder Abnahme der Gegenleistung zu erfüllen, ist gemäß § 308 Nr. 1b) BGB n.F. unwirksam. Ist der Verwender kein Verbraucher, so ist im Zweifel anzunehmen, dass ein Zeitraum von mehr als 15 Tagen nach Empfang der Gegenleistung oder einer Rechnung bzw. gleichwertigen Zahlungsaufstellung unangemessen lang ist.

Gemäß § 310 I BGB n.F. gelten diese Klauselverbote im unternehmerischen Geschäftsverkehr.

Sonderregelungen für öffentliche Auftraggeber

Öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 bis 3 GWB dürfen sich individualvertraglich grundsätzlich nur noch Zahlungsfristen von maximal 30 Tagen nach Empfang der Gegenleistung oder dem späteren Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung einräumen lassen. Längere Zahlungsfristen sind nur wirksam, wenn die Vereinbarung ausdrücklich getroffen worden und aufgrund der besonderen Natur oder der Merkmale des Schuldverhältnisses sachlich gerechtfertigt ist (wenn etwa der öffentliche Auftraggeber auf eine „dauerhafte Vertragsbeziehung Wert legt“ oder sich der „Aufwand zur Rechnungsprüfung durch die Komplexität des Vertragsgegenstandes erhöht“ (siehe Gesetzesbegründung: BT-Drs. 18/1309, S. 17). Die maximal zulässige Zahlungsfrist, die sich ein öffentlicher Auftraggeber individualvertraglich einräumen lassen kann, beläuft sich gemäß § 271a II Nr. 2 BGB n.F. auf 60 Tage – diese Höchstgrenze ist nicht abdingbar (siehe Gesetzesbegründung: BT-Drs. 18/1309, S. 16).

Vereinbarungen über den Verzugseintritt

Um zu verhindern, dass die neuen zeitlichen Vorgaben des § 271a BGB n.F. durch eine Vereinbarung über den Verzugseintritt umgangen werden, bestimmt § 286 V BGB n.F., dass die Regelungen des § 271a I bis V BGB n.F. für eine von § 286 I bis III BGB abweichende Vereinbarung über den Verzugseintritt entsprechend gelten.

Erhöhung des gesetzlichen Verzugszinses

Der Gesetzgeber hat den Verzugszinssatz für Entgeltforderungen von ursprünglich 8 auf 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz erhöht, soweit an dem Rechtsgeschäft kein Verbraucher beteiligt ist (vgl. § 288 II BGB n.F.). Darüber hinaus sind nach den Regelungen des § 288 VI BGB n.F. – die nicht gegenüber Verbrauchern gelten – eine im Voraus getroffene Vereinbarung, wonach der Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen vollständig ausgeschlossen ist, und eine Beschränkung des gesetzlichen Anspruchs auf Verzugszinsen unwirksam – Letztere jedoch nur in dem Fall, dass sie für den Gläubiger grob unbillig ist.

Pauschalierter Schadenersatzanspruch

Neben dem, bereits nach alter Rechtslage bestehenden, Anspruch des Gläubigers auf Ersatz des Verzugsschadens, der auch die sogenannten Beitreibungskosten umfasst, hat nun der Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Der Anspruch auf die Pauschale entsteht unabhängig davon, ob dem Gläubiger überhaupt ein Schaden entstanden ist, und unabhängig davon, in welcher Höhe tatsächlich ein Schaden eingetreten ist.

Fazit

Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr sind weitreichende und für Unternehmen maßgebliche Gesetzesänderungen in Kraft getreten. Eine Überprüfung und gegebenenfalls Überarbeitung der bisherigen AGB ist dringend zu empfehlen. Ein besonderer Fokus sollte dabei auf die Einkaufsbedingungen und individualvertraglichen Vereinbarungen gelegt werden.

aseegel@reedsmith.com

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