Im Blickpunkt: § 135 Abs. 2 InsO – Gesellschafter im Spannungsfeld zwischen Finanzierungshilfe und Anfechtungsrisiko
Von Jürgen Steinhofer
Anfechtung nach 135 Abs. 2 InsO
In Ausgabe 15/2014 des Deutschen AnwaltSpiegels hatten wir uns bereits mit der Problematik der Besicherung nachrangiger Darlehen auseinandergesetzt und festgestellt, dass vor allem der in der Praxis häufig zu findende Fall der Gewährung von Sicherheiten durch die Gesellschaft an einen darlehensgebenden Gesellschafter und die Zahlung hierauf im Einzelfall besonderer Prüfung bedarf. Die in diesem Zusammenhang relevanten Rechtsprobleme spielen sich vor allem im Bereich des § 135 Abs. 1 InsO ab. Darüber hinaus ergeben sich aber auch im Zusammenhang mit § 135 Abs.2 InsO interessante Rechtsfragen. Dieser enthält folgende Regelung:
„Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens innerhalb der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Fristen Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete (…).“
Die Rechtsfolge hierzu benennt dann § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO:
„Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten.“
Über diese Anfechtungsregelung trägt § 135 Abs. 2 InsO der Maßgabe des § 44a InsO Rechnung, wonach ein Gläubiger, dessen Forderung durch einen Gesellschafter gesichert ist, zunächst aus dieser Sicherheit Befriedigung suchen soll und nur mit dem etwaigen verbleibenden Restbetrag seiner Forderung auf die Insolvenzmasse zugreifen kann. Gegenstand der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO ist also nicht der Erhalt einer Zahlung durch die Gesellschaft, sondern die Befreiung des Gesellschafters von der für einen Dritten übernommenen Sicherheit durch Zahlung der Gesellschaft an den Dritten.
Urteil des BGH vom 20.02.2014 zu § 135 Abs. 2 InsO
Der BGH setzte sich in seinem Urteil vom 20.02.2014 (Az. IX ZR 164/13) mit den Regelungen des § 135 Abs. 2 InsO auseinander. Dem Urteil lag der Fall zugrunde, dass die Ehefrau des Alleingesellschafters einer GmbH dem darlehensgebenden Kreditinstitut eine Sicherungsgrundschuld zur Absicherung des Rückzahlungsanspruchs gewährte. Des Weiteren wurde das Darlehen durch eine Bürgschaft des Alleingesellschafters abgesichert. Nach dem Tod des Alleingesellschafters rückte die Ehefrau im Wege der Erbfolge in die Gesellschafterstellung ein. In der Folgezeit wurde das besicherte Darlehen innerhalb der Fristen des § 135 Abs. 2 InsO zurückgeführt. Auf dieser Grundlage machte der spätere Insolvenzverwalter der Gesellschaft einen Anfechtungsanspruch gegen die Erbin und neue Alleingesellschafterin geltend.
Probleme beim Übergang der Gesellschafterstellung
Die für Unternehmer wohl wichtigste Aussage dieses Urteils ist, dass § 135 Abs. 2 InsO auch dann Anwendung findet, wenn der Sicherheitengeber erst nach Gewährung der Sicherheit Gesellschafter der Gesellschaft wird. Es solle hierbei nicht mehr auf die Finanzierungsentscheidung und mithin auf die Finanzierungsfolgenverantwortung des „alten“ Eigenkapitalersatzrechts ankommen, sondern lediglich auf die faktische Stellung als Gesellschafter im anfechtungsrelevanten Zeitraum.
In der Praxis kommen solche Fallkonstellationen gerade in Familienunternehmen häufig vor, in denen nicht an der Gesellschaft beteiligte Personen Sicherheiten gewähren, um ein Fortbestehen des Familienbetriebs zu ermöglichen. Die Sicherheitengewährung erfolgt oftmals zu einem Zeitpunkt, an dem die Risikolage des § 135 Abs. 2 InsO aufgrund der fehlenden Gesellschafterstellung noch nicht betrachtet wird. Kommt es aber in der Folge – beispielsweise durch vorweggenommene oder tatsächlich eingetretene Erbfolge, Nachfolgeregelungen oder Umstrukturierungen – zu einem Übergang der Geschäftsanteile, wird regelmäßig die plötzlich eingetretene „Gefahr“ des § 135 Abs. 2 InsO schlichtweg nicht gesehen. Ab diesem Zeitpunkt setzt sich der sicherheitengewährende Gesellschafter dem Risiko einer Anfechtung aus und hat im Fall einer Insolvenz der Gesellschaft sämtliche Rückzahlungen auf das gesicherte Darlehen an die Masse zu erstatten, obschon keinerlei Zahlungen an ihn geflossen sind. Die ganze Dimension dieses Haftungsrisikos wird erst dann offensichtlich, wenn man sich vor Augen führt, dass bei Kontokorrentlinien jede Zahlung eines Dritten auf ein debitorisch geführtes Konto eine Rückzahlung des Darlehens darstellt und damit das Risiko des Sicherheitengebers summenmäßig vergrößert.
Mag dieses Urteil für den mit dem Anfechtungsrecht Vertrauten vielleicht nicht völlig überraschend sein, so treibt die Kombination dieses Urteils und des im vorangegangenen Beitrag (Ausgabe 15/2014) dargestellten Urteils des BGH vom 18.07.2013 (Az. IX ZR 219/11) dem insolvenzrechtlichen Berater doch die Sorgenfalten auf die Stirn. In seinem Urteil vom 18.07.2013 stellte der BGH fest, dass Darlehenszahlungen, die auf einer Verwertung der gewährten Sicherheit beruhen, auch außerhalb des Einjahreszeitraums des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar sind, da für diese Befriedigungen die zehnjährige Anfechtungsfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO Anwendung findet.
Was aber passiert nun, wenn der durch Verwertung der Sicherheit befriedigte Darlehensgeber nach dieser Befriedigung Gesellschafter wird und in der Folge die Insolvenz der Gesellschaft eintritt? Eine konsequente Anwendung der beiden Urteile lässt den Schluss zu, dass dann, wenn seit der Befriedigung der Forderung noch keine zehn Jahre vergangen sind, die Anfechtung auch dieser Befriedigung möglich ist, da der besicherte Darlehensgeber nachträglich zum Gesellschafter wurde. Eine solche extensive Anwendung des § 135 InsO würde das Risiko einer Anfechtung für einen Gesellschafter unkalkulierbar werden lassen. Es bleibt daher zu hoffen, dass der BGH in einem solchen Fall im Wege einer Abwägung den Schutz des Rechtsverkehrs und des Rechtsfriedens über den Schutz der Gläubigerallgemeinheit stellt und zumindest solche Befriedigungen, die schon vor Eintritt in die Gesellschafterstellung erfolgt sind, nicht dem unerbittlichen Regime des § 135 InsO unterwirft; zumal in diesen Fällen der besicherte Darlehensgeber auch formell keine Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Gesellschaft hätte und daher nicht schlechter zu stellen ist als jeder andere Darlehensgeber.
Fazit
Man mag der Auffassung des BGH zur nachträglichen Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 135 Abs. 2 InsO kritisch gegenüberstehen, sie ist aber vor allem in Anbetracht des § 44a InsO zumindest konsequent und dürfte vermutlich auch in Zukunft Bestand haben. Gerade deshalb ist es wichtig, im Rahmen der Gewährung von Sicherheiten für eine Gesellschaft sowie im Rahmen eines späteren Eintritts eines Darlehensgebers in die Gesellschaft bereits frühzeitig die dargestellten Risiken mit in die Überlegungen einzubeziehen. Die Praxis zeigt immer wieder, dass Kreditinstitute aufgrund des nachvollziehbaren Sicherungsinteresses regelmäßig solche Maßnahmen fordern, um der Gesellschaft überhaupt Darlehen beziehungsweise Kontokorrentlinien zur Verfügung zu stellen. Es ist daher ratsam, sich auch unter finanzierungsrechtlichen Gesichtspunkten von entsprechend spezialisierten Beratern begleiten zu lassen, um böse Überraschungen zu vermeiden.
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