Wie sich Unternehmen vor Produktpiraterie und Industriespionage schützen sollten
Von Dr. Claudia Milbradt, Dr. Ines Keitel und Dr. David Pasewaldt
Patente, Marken und andere Rechte des geistigen Eigentums sowie Betriebsgeheimnisse (Know-how) stellen für Unternehmen bedeutende wirtschaftliche Werte dar und sind oft unverzichtbare Voraussetzung für den erfolgreichen Geschäftsbetrieb. Die zunehmende Verbreitung von Produktpiraterie und Industriespionage stellt Unternehmen täglich vor die Herausforderung, Know-how vor unbefugtem Zugriff und Ausbeutung durch Dritte zu sichern. Unternehmen sollten sich durch praktische Maßnahmen in Kombination mit einem koordinierten Einsatz von Mitteln des Intellectual-Property(IP)-, Arbeits- und Strafrechts gleichermaßen präventiv wie im Verletzungsfall schützen.
Know-how-Schutz in der Praxis
Der gesetzlich bzw. in der Rechtsprechung vorgesehene Schutz von Know-how setzt in IP-, arbeits- und strafrechtlicher Sicht an folgender Definition an: „Ein Betriebsgeheimnis liegt vor, wenn Tatsachen im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und nicht offenkundig sind, nach dem Willen des Arbeitgebers im Rahmen eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheimgehalten werden sollen“ (BAG, Urteil vom 16.03.1982 – 3 AZR 83/79; „Thrombosol“). Die Problematik dieser auslegungsbedürftigen Definition zeigt sich bereits in der genannten Entscheidung: Das Berufungsgericht hatte das Vorliegen eines Betriebsgeheimnisses hinsichtlich der Rezeptur von Thrombosol verneint, weil diese „offenkundig“ sei. Das BAG kam aufgrund desselben Gutachtens zum gegenteiligen Ergebnis.
Das Risiko liegt beim Unternehmen. Ein Schutz von Know-how, der einer Stärkung der Wettbewerbsposition dient und hilft, den Verlust von Know-how oder die Verletzung fremder Schutzrechte zu vermeiden, und es dem Unternehmen erlaubt, von Verbesserungen bereits bestehenden Know-hows zu profitieren, muss daher über IP-, Arbeits- und Strafrecht hinweg aktiv gestaltet werden.
Analyse des Schutzportfolios voranstellen
Auf präventiver Ebene setzt effektiver Schutz eine gründliche Vorbereitung zur Ermittlung des bestehenden Schutzrechtsportfolios voraus. Dies erfordert die umfangreiche Durchführung einer Due Diligence des relevanten Schutzrechtsportfolios in rechtlicher und technischer Hinsicht. Für Arbeitnehmererfindungen empfiehlt sich die Errichtung eines Meldesystems in relevanten Ländern oder auf zentralisierter Basis. Zudem fördert die Einführung eines Vertragsverwaltungssystems und einer Anleitung zur Handhabung von Know-how den Schutz in der praktischen Anwendung. Weitergehender Schutz kann zusätzlich durch organisatorische Maßnahmen erzielt werden. Unter anderem sollte der Austausch von schutzrechtsrelevanten Informationen und Know-how mit Vertragspartnern auf eine „Need-to-know“-Basis reduziert werden. Interne Zugangssicherungen und -beschränkungen zum Know-how und IT-Schutzmaßnahmen sollten im Unternehmen etabliert werden. Schließlich ist die Gründung interner Kapazitäten zur Bekämpfung von Produktpiraterie und/oder Know-how-Verletzungen ratsam.
Rechtsdurchsetzungsstrategie entwickeln
Inhaber von Know-how sollten eine Rechtsdurchsetzungsstrategie entwickeln, um sich wirksam gegen Rechtsverletzungen zur Wehr zu setzen, insbesondere auch in für Produktpiraterie bekannten Ländern. Außergerichtliche Schutzrechtsmaßnahmen beinhalten Berechtigungsanfragen oder Abmahnungen einschließlich strafbewehrter Unterlassungserklärung. Die Abmahnung von Verletzern birgt jedoch das Risiko einer negativen Feststellungsklage oder einer Gegenabmahnung. Im Rahmen eines Rechtsstreits vor Gericht steht dem Rechtsinhaber insbesondere der einstweilige Rechtsschutz als schnelles und effizientes Mittel zur Abwehr von Rechtsverletzungen zur Verfügung. Allerdings können mit einer einstweiligen Verfügung lediglich Unterlassungs-, Besichtigungs- oder Auskunftsansprüche geltend gemacht werden. Reicht dem Inhaber die Durchsetzung der begrenzten Anspruchsmöglichkeiten nicht, so kann er sich des Rechtsschutzes im Hauptsacheverfahren bedienen, der ihm zusätzlich die Geltendmachung von Schadenersatz-, Vernichtungs-/Beseitigungs- und Feststellungsansprüchen ermöglicht.
Präventive arbeitsrechtliche und arbeitnehmerdatenschutzrechtliche Maßnahmen ergreifen
Auch bei der arbeitsrechtlichen Gestaltung des Schutzes von Know-how sollten sich Unternehmen nicht auf die Geheimhaltungspflichten verlassen, die Arbeitnehmer bereits aufgrund der Treuepflicht treffen. Vielmehr muss im Rahmen des hier vorgeschlagenen Vertragsverwaltungssystems auch fortlaufend geprüft werden, wo der Schutz zugunsten des Unternehmens in Ansehung der neuesten AGB-Rechtsprechung einerseits arbeitsvertraglich erweitert werden kann (Verschwiegenheitsklauseln, nachvertragliche Wettbewerbsverbote) und wo andererseits Klauseln geändert werden müssen, um eine Unwirksamkeit zu vermeiden.
Wegen der strengen Grenzen, die die AGB-Rechtsprechung Arbeitgebern beispielsweise im Hinblick auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote setzt, reichen arbeitsvertragliche Klauseln jedoch nicht hin, um einen effektiven Schutz von Know-how sicherzustellen. Geheimhaltungsinteressen werden häufig aus Unwissenheit oder Unachtsamkeit verletzt. So herrscht bei Arbeitnehmern oft das Fehlverständnis vor, der Facebook-Eintrag sei „Privatsache“. Notwendig sind deshalb sowohl Schulungen der Arbeitnehmer als auch klare IT- und Social-Media-Richtlinien. Arbeitgeber sollten klarstellen, dass bei der Nutzung von Social Media in der Freizeit der Schutz von Betriebsgeheimnissen fortgilt. IT-Richtlinie oder Betriebsvereinbarung müssen einfach verständliche Anweisungen enthalten, die Risiken, etwa bei der Versendung von E-Mail-Anhängen, minimieren.
Auch im Hinblick auf die unternehmensinterne Kommunikation muss vorgesorgt werden. Dies gilt insbesondere dort, wo Kommunikationsformen wie Chats erlaubt sind, die eigenen Etikette-Regeln folgen, die dem Arbeitgeber nicht im Einzelnen bekannt sein mögen und bei denen zudem aufgrund der Ähnlichkeit mit dem gesprochenen Wort das Risiko von Äußerungen ohne hinreichende Überlegung zu Geheimhaltungsinteressen, die auch innerhalb des Unternehmens bestehen, erhöht ist.
Schließlich muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass „bring your own device“ längst Realität ist. Hier sollte der Arbeitgeber sich insbesondere Zugriffsrechte einräumen lassen, um im Ernstfall Betriebsgeheimnisse rasch sichern zu können.
Strafrechtlichen Schutz aktiv herstellen
Aus strafrechtlicher Sicht ist in erster Linie zu berücksichtigen, dass der Schutz des geistigen Eigentums fragmentarisch und zivilrechtsakzessorisch ist. Die Tatbestände des § 143 MarkenG („Strafbare Kennzeichenverletzung“) etwa schützen – in Anlehnung an das zivilrechtliche Ausschließlichkeitsrecht des § 14 MarkenG – den Inhaber zwar prinzipiell weitgehend vor jeder widerrechtlichen Benutzung seiner Marke im geschäftlichen Verkehr. Doch setzt eine strafbare Markenverletzung einen wirksamen zivilrechtlichen Schutz der Marke voraus. Entsprechendes gilt für die Straftatbestände betreffend etwa Patentverletzungen (§ 142 PatG) sowie Verletzungen von Designs (§ 51 DesignG) und Gebrauchsmustern (§ 25 GebrMG). Unternehmen sollten daher auch aus strafrechtlicher Sicht so früh wie möglich die Anmeldung und Eintragung entsprechender Schutzrechte durchführen, um den Schutz ihrer Erfindungen sicherzustellen. Ferner ist zu beachten, dass auch der strafrechtliche Schutz von Rechten des geistigen Eigentums wegen des dem Immaterialgüterrecht immanenten sogenannten Territorialitätsprinzips grundsätzlich an den Außengrenzen Deutschlands endet und eine strafrechtliche Verfolgung von Schutzrechtsverletzungen im Ausland deshalb prinzipiell nur nach den am jeweiligen Tatort geltenden nationalen Strafnormen möglich ist.
Bei der Kooperation mit Ermittlungsbehörden und bei Strafanzeigen ist zu beachten, dass sowohl die Tatbestände zum Schutz von Rechten des geistigen Eigentums als auch die Tatbestände zu Schutz von Know-how (§§ 17 ff. UWG) relative Antragsdelikte sind, deren Verfolgung grundsätzlich einen insbesondere fristgemäß – es gilt die Dreimonatsfrist des § 77b StGB – gestellten Strafantrag erfordert. Darüber hinaus sollten Unternehmen die strafprozessualen Möglichkeiten zum Schutz von Betriebsgeheimnissen kennen und nutzen. Konkret sollte etwa schon im Ermittlungsverfahren gegenüber Staatsanwaltschaften auf eine Beschränkung bei der Gewährung von Akteneinsicht hingewirkt werden, um zu verhindern, dass vertrauliche Unterlagen an Dritte herausgegeben werden. Im Hauptverfahren sollten Unternehmen zudem beispielsweise von der Möglichkeit Gebrauch machen, ihr schutzwürdiges Interesse an einer Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit rechtzeitig in einem entsprechenden Antrag an das Gericht darzulegen (§§ 172 Nr. 3, 174 Abs. 1 Satz 1 GVG).
claudia.milbradt[at]cliffordchance.com
ines.keitel[at]cliffordchance.com
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Hinweis der Redaktion:
Zu den Themen dieses Beitrags haben wir Anfang November mit dem Autorenteam (und weiteren Referenten von Ernst & Young) einen sehr erfolgreichen AnwaltSpiegel-Roundtable durchgeführt. Wir werden die praktischen Entwicklungen in diesem Bereich auch zukünftig redaktionell eng begleiten.