Das verbindende Element: Individualität, situative Entscheidungskompetenz und Eigenverantwortlichkeit
Von Markus Hartung
Einleitung
Bücher über den Rechtsmarkt oder über das Management von Anwaltskanzleien sind besondere Werke. Ob sie wirklich immer gelesen werden, weiß man nicht so genau. Wenn man sich anschaut, wie und auf welche Weise viele Kanzleien immer noch geführt werden, könnte man meinen, dass es mit Lektüre, Rezeption und Umsetzung kluger Ratgeberbücher nicht allzu weit her sein kann, aber das weiß man natürlich auch nicht.
Hier haben wir eine Ausnahme, nämlich die dritte, neu bearbeitete Auflage des Buchs von Benno Heussen „Anwaltsunternehmen führen: Erfahrungen, Ideen, Anregungen“ (C.H. Beck Verlag, 355 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, kartoniert, ISBN 978-3-406-68589-7). Die erste Auflage erschien 2009, die zweite 2011. Wenn ein Buch in dritter Auflage erscheint, dann hat es seinen Markt gefunden. Während die zweite Auflage das war, was Juristen „durchgesehene Auflage“ nennen, hat sich die dritte tatsächlich verändert, denn Heussen hat zwei Koautoren an Bord genommen: mit Stefan Rizor einen erfahrenen früheren Managing Partner (und heutigen Senior Partner) von Osborne Clarke und mit Jan Petke einen Unternehmensberater aus Berlin, der sich auf Führungsthemen spezialisiert hat.
Die Bücher von Heussen sind ungemein lebensnah. Ob er über Time-Management für Anwälte schreibt, über Verhandeln oder über die „Interessanten Zeiten“ – man liest das Buch und meint, einem Erzähler zuzuhören. Heussen kann einfach keinen trockenen Ratgeber schreiben, sondern präsentiert mit seinem Buch eine Mischung aus persönlichen Erlebnissen, Geschichten, interessanten Querdenkereien, eben „Erfahrungen, Ideen, Anregungen“, so der Untertitel des Buchs. Wenn Sie aber meinen, es handele sich nur um eine Sammlung von Schnurren und War-Storys: Weit gefehlt, denn Heussen ist auch ein sehr systematischer Denker, der mit Hilfe von Mindmaps das, was er beschreibt, in eine systematische Darstellung überführt. So ist das Werk auch besonders praktisch, denn man kann sich bei vielen der Hinweise und Checklisten bedienen, wenn man Führung und Management der eigenen Kanzlei verbessern oder sogar professionalisieren will. Apropos praktisch: Bis zur zweiten Auflage konnte man die Mindmaps herunterladen, das ist aber derzeit nicht (mehr) vorgesehen. Vielleicht lässt der Verlag mit sich reden, wenn es genügend Nachfragen gibt.
Anwaltsunternehmen, nicht nur Anwaltsfabriken
Die Bandbreite der Darstellung wird schon aus dem Titel deutlich: Heussen spricht von Anwaltsunternehmen, meint aber keinesfalls nur die Anwaltsfabriken. Für ihn gehört ein hohes Maß an Professionalität zur erfolgreichen Führung einer Kanzlei. Aber, und das ist so besonders: Heussen vergleicht Anwälte mit Landsknechten, nicht mit organisierten Milizen oder gar Armeen. Landsknechte zeichnen sich immer durch ein hohes Maß an Individualität, situativer Entscheidungskompetenz und Eigenverantwortlichkeit aus. Wenn man sich darauf kurz einlässt, versteht man schnell, dass der Vergleich genau richtig ist, denn die Kunst der Führung besteht ja gerade darin, die vielen individuellen Berater auf Linie zu bekommen. Das gilt auch in den vorgeblich „englisch“ gemanagten Kanzleien.
Das Buch behandelt so gut wie alle Themen, die im Management der Kanzlei eine Rolle spielen. Man findet zu jedem Bereich Ausführungen, die, wenn auch nicht stets erschöpfend, so doch immer zum weiteren Nachdenken oder zur Diskussion mit seinen Partnern anregen. Die Neuauflage behandelt Themen, die damals noch nicht so aktuell waren, etwa ein kurzes Kapitel über Mandantenumfragen, wiederum sehr praktisch – Heussen hält sich nie mit zu ausufernden theoretischen Überlegungen auf, sondern beschreibt sehr plastisch Situationen, in denen man sich sofort wiedererkennt, und präsentiert Ideen und Ratschläge, wie man damit umgehen kann. Kann, nicht muss, denn so sehr Heussen an die Notwendigkeit professioneller Führung glaubt, so sehr ist er selber Landsknecht genug und weiß, was mit seinesgleichen geht und was nicht.
Neue Themenfelder
Die beiden Koautoren verantworten eigene Bereiche – Rizor hat ein neues Kapitel über internationale Sozietäten geschrieben, Petke wartet mit praktischen Fallbeispielen auf. Das muss noch zusammenwachsen. Man merkt sowohl inhaltlich als auch stilistisch, dass es neue Autoren mit neuen Bereichen sind. Über internationale Kanzleien in Deutschland und deren besondere Führungsherausforderungen ist schon viel geschrieben worden, und daneben muss diese Veröffentlichung noch ihren Platz finden.
Natürlich weiß Rizor aus langjähriger eigener Managementerfahrung, wovon er schreibt. Die Praxisbeispiele bleiben jedoch eher an der Oberfläche – vielleicht notgedrungen, denn welche Kanzlei würde schon erlauben, dass da ihr Fall in die Öffentlichkeit gezogen wird.
Fazit
Den drei Autoren wird bei der Vorbereitung der 4. Auflage sicher nicht langweilig werden. Insgesamt ist das Buch eine gewinnbringende Lektüre, ungemein praktisch und gut zu lesen.