Wie der Wertbeitrag von Compliance aufgezeigt werden kann
Ein Gastbeitrag von Dr. Sebastian Rick und Timo Purkott
Complianceprogramme verursachen Kosten, aber bringen sie auch etwas? Der Erfolg der Maßnahmen lässt sich nur schwer messen. Er stellt sich – wenn überhaupt – mit einer zeitlichen Verzögerung ein, und der Beitrag einzelner Maßnahmen ist oft nicht ersichtlich. Der nachfolgende Artikel zeigt, wie man den Erfolg der Maßnahmen mit Hilfe des Complianceindexmodells messbar, quantifizierbar und damit vergleichbar machen kann.
Zentrale Frage der Effektivität
Unternehmen geben viel Geld aus, um in Sachen Compliance (Einhaltung gesetzlicher und eigener Regeln) nichts falsch zu machen. So haben Unternehmen – insbesondere Banken und Versicherungen – in den vergangenen Jahren umfangreiche Complianceprogramme eingeführt, die darauf abzielen, Fehlverhalten zu verhindern und Compliancerisiken zu reduzieren. Beispielsweise gibt es Ethik-/Verhaltenskodizes, welche die Erwartungen einer Organisation in Bezug auf ethische und rechtliche Standards darstellen,
Kommunikationssysteme (etwa Telefonhotlines, Websites oder Apps), mit deren Hilfe Mitarbeiter Complianceverstöße melden oder sich beraten lassen können, einen Compliance-Officer, dessen Aufgabe unter anderem in der Koordination von Maßnahmen, der Weiterbildung der Mitarbeiter und der Untersuchung von Verdachtsfällen besteht, Complianceschulungen, die Mitarbeitern helfen sollen, ethische und rechtliche Probleme zu erkennen und auf diese zu reagieren, Disziplinarverfahren zur Ahndung unethischen oder rechtswidrigen Verhaltens.
Die Wirkungen dieser Maßnahmen können sehr vielfältig sein, und irgendwie kann jede dieser Maßnahmen positive Effekte auf das Verhalten der Mitarbeiter haben. Solange die genaue Wirkungsweise der Maßnahmen jedoch nicht nachweisbar ist, können diese Effekte nicht gemessen und belegt werden. Ziel muss es daher sein aufzuzeigen, wie die Maßnahmen zum Erfolg beitragen.
Maß für gelebte Compliance
Unterstützt wird dieses Ziel durch das Complianceindexmodell (Abb. 1). Es ist das Ergebnis zweier empirischer Studien, die an der Frankfurt University of Applied Sciences mit freundlicher Unterstützung des Frankfurter Instituts für Risikomanagement und Regulierung (FIRM) durchgeführt wurden.
Das Complianceindexmodell ist ein Ursache-Wirkungs-Modell mit Mitarbeitercompliancetreibern links (wahrgenommener Programmansatz, wahrgenommene Programmintegration und ethische Führung), Mitarbeitercompliance (Complianceindex) in der Mitte und Mitarbeitercomplianceauswirkungen rechts (Meldebereitschaft und Compliancerisiko). Der Einfluss (Pfeile) dieser Größen aufeinander wird mit Hilfe standardisierter Mitarbeiterbefragungen gemessen.
Dazu werden jeder Größe verschiedene Fragen zugeordnet, mit deren Hilfe im ersten Schritt ein konkreter Messwert für jede Größe als gewichtete Linearkombination der Fragen berechnet wird. Diese Messwerte werden im zweiten Schritt zur Schätzung der Wirkungsbeziehungen im Modell verwendet, so dass die Erklärungs- und Prognosekraft des Modells im Hinblick auf das Compliancerisiko maximiert wird. Auf diese Weise lässt sich etwa der Effekt einer verbesserten Mitarbeitercompliance auf das Compliancerisiko aufzeigen.
Der Complianceindex stellt eine wichtige Kennzahl für die Mitarbeitercompliance dar, um die Effektivität des Complianceprogramms übergreifend zu messen und zu steuern. Die auf Basis der Mitarbeiterbefragung errechnete Kennzahl fasst verschiedene Aspekte der Mitarbeitercompliance, wie etwa Bewusstsein für Compliance, in einem Index zusammen.
Darüber hinaus ist der Index auch in Einzelkomponenten zerlegbar. Er stellt somit ein aussagekräftiges Analyseinstrument dar und ist ein hilfreiches Controllinginstrument für das Compliancemanagement eines Unternehmens. Der Complianceindex wird genutzt, um Stärken und Schwächen im Compliancemanagement zu identifizieren und daraus, falls notwendig, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung abzuleiten (etwa Überarbeitung des Trainingskonzepts).
Wahrnehmung und Einfluss bestimmen Priorisierung
Um die Mitarbeitercompliance und damit den Complianceindex gezielt zu verbessern, können modellgestützt konkrete, datengetriebene Handlungsportfolios aufgebaut werden, auf die man sich konzentrieren sollte, um bestehende Ressourcen (etwa Budget, Zeit, Personal) effektiv einzusetzen (Abb. 2). Bei der Analyse des Handlungsportfolios sind Indikatoren (d.h. Fragen) im rechten unteren Quadranten allgemein von größtem Interesse, um Verbesserungen zu erzielen, gefolgt vom oberen rechten, unteren linken und schließlich vom oberen linken Quadranten. Durch Wiederholung der Mitarbeiterbefragung zu einem späteren Zeitpunkt können die Wirksamkeit abgeleiteter Maßnahmen überwacht und somit die Erfolge des Complianceprogramms sichtbar gemacht werden.
Was können Unternehmen konkret durch das Modell gewinnen?
Durch das Complianceindexmodell
- gewinnen Sie Einblicke in die Wahrnehmungen und das Verhalten Ihrer Mitarbeiter,
- unterstreichen Sie die Bedeutung von Compliance in Ihrem Unternehmen,
- generieren Sie wichtige und wertvolle Informationen zur Verbesserung von Compliancemaßnahmen,
- überwachen Sie die Wirksamkeit von Compliancemaßnahmen,
- schaffen Sie ein Bewusstsein für Compliance in Ihrem Unternehmen,
- erhalten Sie Ergebnisse, die sich durch ein hohes Maß an Objektivität und Vergleichbarkeit auszeichnen („Erfolge“),
- verwenden Sie ein empirisch fundiertes, praxiserprobtes quantitatives Modell,
- halten Sie Kosten und Zeitaufwand für Ihr Unternehmen gering, ohne dabei individuelle Bedürfnisse und Erfordernisse aus dem Blick zu verlieren.
Auf den Punkt gebracht
Für Unternehmen ist es wichtig, die Mitarbeitercompliance in regelmäßigen Abständen zu messen, um auf diese Weise die Effektivität des Complianceprogramms kontinuierlich zu verbessern. Da die mit Hilfe des Complianceindexmodells erzielten Ergebnisse zwischen verschiedenen Mitarbeitergruppen oder Bereichen im Unternehmen vergleichbar sind, können gezielt Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet und die Ergebnisse als Controllinginstrument auf vielfältige Weise für den Unternehmenserfolg genutzt werden.