Im Blickpunkt: Die Diskussion um die Verbindlichkeit und das Zusammenspiel von CSR und Compliance

Von Meike Johnsen, LL.M.(Stockholm), M.A. (King’s College London) und Helena Ramadori, LL.M. (London)

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Einleitung

In der letzten Zeit wird vielfach behauptet, Corporate Social Responsibility (CSR) sei mittlerweile ein notwendiger Teil von Compliance. Dies verwundert, denn im Gegensatz zu Compliance, das die Einhaltung verbindlichen Rechts sichern soll, handelt es sich bei Verhaltensgeboten der CSR um freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen, die über gesetzliche Regelungen hinausgehen und deren Missachtung grundsätzlich gerade keine Rechtsfolgen hat. Selbstverständlich kann aus CSR-Prinzipien, entsprechende demokratische Prozesse vorausgesetzt, einmal geltendes Recht werden. Solange aber keine rechtlichen Konsequenzen drohen, wenn bestimmte ethische Verhaltensgebote nicht eingehalten werden, sollte man meinen, es sei die freie Entscheidung von Unternehmen, ob sie über ihre gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehen wollen oder nicht.

Häufig wird auf die Untrennbarkeit von Compliance und CSR verwiesen, weil mit dem Verstoß gegen ethische Grundsätze erhebliche Reputationsverluste einhergehen können, die auf Verbraucher wie Investoren abschreckend wirken können. Darin liegt aber noch kein im rechtlichen Sinne zwingender Grund, CSR als notwendiges Element von Compliance zu begreifen. Vermutlich setzen Vertreter der Anwaltschaft die Bedeutung von CSR auch deshalb der von Compliance gleich, weil sie ein neues, spannendes Beratungsfeld darstellt. Tatsächlich gibt es bereits Kollegen, die auf Beratung von Unternehmen im Bereich CSR spezialisiert sind – und das, obwohl vieles dafür spricht, dass anwaltliche Beratungsfehler im Zusammenhang mit CSR gar nicht durch die Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt sind, wie Rechtsanwalt Markus Hartung jüngst im Rahmen des DAV-Forums „Corporate Social Responsibility und Compliance“ aufgrund eigens durchgeführter Anfragen bei Versicherungsunternehmen warnte. Die befragten Versicherungen sähen sich hier nicht in der Pflicht, da es sich bei CSR um „außerrechtliche Belange“ handele. Allerdings haben gesellschaftliche Verpflichtungen aus der CSR-Sphäre in einigen Bereichen ihren Niederschlag in rechtlichen Verpflichtungen gefunden. Dies betrifft vor allem die CSR-Richtlinie, Vergaberecht, Wettbewerbsrecht und AGB-Recht.

Die CSR-Richtlinie

Die sogenannte CSR-Richtlinie (2014/95/EU) stellt solche rechtlichen Verpflichtungen auf. Ihre Umsetzung in nationales Recht muss bis zum 06.12.2016 erfolgen. Bestimmte große Unternehmen werden in ihrer Finanzberichterstattung Angaben machen müssen zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, zur Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung sowie zur Diversität bei der Besetzung von Aufsichts-, Leitungs- und Kontrollgremien.
Es gilt der Mechanismus „comply or explain“: Sofern das Unternehmen in Bezug auf diese Belange kein Konzept verfolgt, muss es dies begründen. Der Abschlussprüfer wird künftig auch überprüfen, ob die entsprechenden Angaben gemacht wurden. Weitere Rechtsfolgen schreibt die CSR-Richtlinie nicht vor. Zwar kann man daher mit Fug und Recht von einem Schritt hin zur Verrechtlichung von CSR sprechen, bisher unklar ist jedoch, ob Verstöße gegen die Berichtspflichten nach der Umsetzung ins deutsche Recht neben reinen Reputationsverlusten auch Sanktionen nach sich ziehen werden [vgl. Roth-Mingram, Corporate Social Responsibility (CSR) durch eine Ausweitung der nichtfinanziellen Informationen von Unternehmen, NZG 2015,1341].

CSR und Vergaberecht

Die novellierten Vergaberichtlinien sehen die Möglichkeit vor, unter anderem umweltbezogene, soziale oder innovationsbezogene Aspekte in das Vergabeverfahren und insbesondere in die Zuschlagskriterien einzubeziehen. Die Vergaberichtlinien sind bis zum 18.04.2016 in deutsches Recht umzusetzen. Angesichts der großen Nachfragemacht öffentlicher Auftraggeber wird das Vergaberecht als effektives Instrument der Einflussnahme auf ethisches unternehmerisches Verhalten angesehen. § 97 Abs. 4 GWB sieht bereits jetzt die Möglichkeit vor, für die Auftragsausführung zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer zu stellen, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen. Über das Einfallstor des Vergaberechts kann die Einhaltung von CSR-Belangen eine existentielle Bedeutung erlangen.

CSR und Wettbewerbsrecht

Aufgrund der Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie 2005/29/EG) im Jahr 2008 enthält das UWG jetzt Regeln zu öffentlichen Äußerungen von Unternehmen zu Verhaltenskodizes. Danach dürfen Unternehmen insbesondere keine unwahren oder sonstigen zur Täuschung geeigneten Angaben über den Beitritt zu einem oder die Einhaltung eines verbindlichen Verhaltenskodexes machen. Bisher gibt es allerdings noch kein einheitliches Verständnis des Begriffs „verbindlicher Verhaltenskodex“. Unklar ist deshalb, ob auch CSR-Initiativen wie der UN Global Compact darunter fallen (vgl. Birk, „Corporate Responsibility, unternehmerische Selbstverpflichtungen und unlauterer Wettbewerb“; GRUR 2011, S. 196).

Unabhängig davon spielt CSR aber auch in das deutsche Wettbewerbsrecht hinein, wenn Unternehmen mit ihrem Engagement in diesem Bereich werben. Nach UWG ist es nicht erlaubt, irreführende Äußerungen über CSR-Aktivitäten zu machen, sofern diese einen Produkt- oder Unternehmensbezug aufweisen.

CSR und AGB

Eine Schnittstelle zwischen CSR und Recht ist auch, dass inzwischen viele Unternehmen ihre Zulieferer über AGB vertraglich durch sogenannte Complianceklauseln an ihre eigenen Codes of Conduct binden. Bei Verstoß droht die Beendigung der Vertragsbeziehungen. Grundsätzlich sind auch Schadenersatzansprüche wegen Verstößen gegen die Codes of Conduct möglich, auch wenn deren Durchsetzbarkeit problematisch sein kann, da sich Schäden, die auf Reputationsverlusten beruhen, schlecht quantifizieren lassen. Durch die Einbeziehung von Codes of Conduct in AGB kann es jedoch auch noch zu anderen Problematiken in der Lieferkette kommen. Lehnt der Lieferant eines Unternehmens Produkte eines Unterlieferanten ab, weil sie nicht entsprechend des Code of Conduct des Unternehmens produziert wurden, und dies führt zu Lieferverzögerungen, stellt sich die Frage, ob das Unternehmen den Verzugsschaden beim Lieferanten geltend machen kann. Oder falls ein Unternehmen seine Lieferanten verpflichtet, bei Verstößen der Unterlieferanten gegen den Code of Conduct die Lieferbeziehung nicht abzubrechen, sondern den Unterlieferanten auszubilden und bei der Einhaltung des Code of Conduct zu unterstützen, werden hierfür Kosten entstehen, deren Verteilung streitig sein kann.

Fazit

Wie gezeigt, sind CSR und Recht noch immer zwei verschiedene Dinge. Die Einhaltung von CSR ist weiterhin freiwillig und bleibt eine unternehmerische und moralische Entscheidung, aber keine rechtliche. Daran ändert auch die CSR-Richtlinie nichts, denn diese legt keine verbindlichen CSR-Standards fest, sondern lediglich Berichtspflichten über CSR-Maßnahmen. Die Unternehmen müssen keine CSR-Maßnahmen treffen, sondern lediglich berichten, ob sie dies getan haben. CSR ist also kein Grund, in Panik zu verfallen. Stattdessen raten wir den Unternehmen, sich in Ruhe zu überlegen, welche ethischen und sozialen Belange sie freiwillig umsetzen möchten. Denn es ist klar, dass die Übernahme von sozialer Verantwortung nicht nur den benachteiligten Personen oder der Umwelt dient, sondern auch der Reputation des Unternehmens.

Es gibt jedoch Berührungspunkte, denen viele große Unternehmen sich nicht mehr entziehen können. Um diesen Berührungspunkten Rechnung zu tragen oder auch die Einhaltung sonstiger vom Unternehmen freiwillig übernommenen CSR-Verhaltensregeln zu gewährleisten, erscheint es nicht sinnvoll, eine separate CSR-Überwachung im Unternehmen zu errichten. Diese sollte vielmehr in eine bestehende Complianceorganisation integriert werden.

Nicht vergessen werden sollte außerdem eine Wechselwirkung anderer Art: Unternehmen, die mit ihrer Corporate Social Responsibility punkten wollen, sollten sich an Recht und Gesetz halten, denn sonst verspielen sie ihre Glaubwürdigkeit im CSR-Bereich. Umgekehrt trägt eine an ethischen Prinzipien orientierte Unternehmenskultur dazu bei, dass Mitarbeiter sich auch an Recht und Gesetz halten, und verhilft somit unternehmensinternen Complianceprogrammen zu Effektivität.

meike.johnsen@msa.se

helena.ramadori@msa.se

Hinweis der Redaktion: Zum Thema CSR als Aufgabe der Unternehmensleitung siehe auch Walden/Depping, Deutscher AnwaltSpiegel 24/2015, sowie Depping/Walden: CSR im Rahmen der Lieferkette, Deutscher AnwaltSpiegel 25/2015 (tw).

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