Unternehmenssanierung durch Insolvenzplan in Eigenverwaltung
Von Robert M. Gillmann und Dr. Erik Silcher
Durch die Einführung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) ist die Möglichkeit der Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen in einer Krise durch ein Insolvenzverfahren in den Fokus von Beratern und Geschäftsführern eines krisenbefangenen Unternehmens gerückt. Eine frühzeitige Insolvenzantragstellung unter Nutzung der nachfolgend näher beschriebenen Instrumente des neuen Insolvenzrechts ist nur dann für den Unternehmer von Interesse, wenn er sein Unternehmen behalten und fortführen möchte.
Verbleib im Driver’s Seat
Am 01.03.2012 trat die Insolvenzreform unter dem Kürzel ESUG in Kraft. Das ESUG ermöglicht Unternehmen seither die Durchführung der Insolvenz in Eigenverwaltung und die Bestimmung des die Aufsicht führenden Sachwalters im Rahmen des sogenannten Schutzschirmverfahrens bei Antragstellung vor der Zahlungsunfähigkeit. Das bisherige Management wurde bislang weitestgehend seiner Funktion beraubt. Ein solcher Kontrollwechsel ist wegen seiner Intransparenz aber Gift für alle Verfahrensbeteiligten gewesen, insbesondere für Investoren und Finanzierer, die dann lieber die Flucht ins Ausland erwogen haben.
Nach dem neuen Recht ist es nun auch möglich, im Rahmen eines Insolvenzplans Kapitalmaßnahmen, etwa den Einstieg eines Investors, zu vereinbaren. Nach Analyse verfügbarer Informationen bewegen sich die in der Regel sofort auszahlbaren Quoten für ungesicherte Insolvenzgläubiger in einer Bandbreite von 16% bis knapp über 20%. Diese Quoten sind deutlich höher als die Quotenausschüttungen in Regelinsolvenzverfahren. Zudem wird dieser Gläubigergruppe zunehmend auch die Möglichkeit eingeräumt, an der positiven Entwicklung des Sanierungsprozesses selbst zu partizipieren oder direkt Insolvenzforderungen in Eigenkapital umzuwandeln.
Vorteile des ESUG
Die Vorteile des durch das ESUG die Restrukturierung (und Sanierung) von Unternehmen (auch) im gerichtlichen Verfahren erleichternden Instruments der Eigenverwaltung liegen auf der Hand.
Diese sind darin zu sehen, dass vom Unternehmen unterhaltene Marktbeziehungen weitgehend unbelastet bleiben. Der Kundenstamm und das Vertrauen in die Schaffenskraft des betroffenen Unternehmens bleiben erhalten. Es ist keine kostenintensive Einarbeitungszeit für einen Fremdverwalter vonnöten. Vielmehr können das vorhandene Know-how und die spezifischen Erfahrungen der Geschäftsleitung weiter genutzt werden. Weiterhin kommt es zu einer Kostenersparnis in der Form, dass der Sachwalter nur 60% der Vergütung des Insolvenzverwalters erhält. Zudem geraten die sonst üblichen Zuschläge auf die Regelvergütung in Wegfall, da einige Tätigkeiten nun vom eigenverwaltenden Insolvenzschuldner durchgeführt werden.
Den Stimmen, die meinen, man könne den „Bock nicht zum Gärtner machen“, ist entgegenzuhalten, dass eine Krise keineswegs ein Indiz für eine unqualifizierte Geschäftsführung ist. Sehr häufig spielen unternehmensexterne Gründe die maßgebliche Rolle für den Kriseneintritt.
Perspektiven
Liegt mithin ein belastbares operatives Sanierungskonzept vor und kann dauerhaft die Markt- und Wettbewerbsfähigkeit des Schuldnerunternehmens durch operative Restrukturierungsmaßnahmen wiederhergestellt werden, bietet die Planinsolvenz in Eigenverwaltung eine Chance nicht nur für eine finanztechnische Sanierung, sondern auch für eine – auch notwendige – betriebswirtschaftliche Neuaufstellung des Unternehmens. Mit den Mitteln des Insolvenzausfallgelds, der Rückholung von nach den Insolvenzgesetzen anfechtbaren Steuerzahlungen sowie dem Einfrieren von Altverbindlichkeiten wird die Liquidität erheblich positiv beeinflusst.
Damit wird ein wesentliches Hindernis zur nachhaltigen Sanierung des Unternehmens aus dem Weg geräumt. Durch die erhebliche Entschuldung auf der Grundlage von Verzichten ungesicherter Gläubiger (unter anderem Bundesagentur für Arbeit, ungesicherte Banken und Lieferanten, Pensions-Sicherungs-Verein, Wegfall von Nachranggläubigern) findet eine Steigerung der Eigenkapitalquote von bis zu 80% statt. Genau darin dürfte auch ein wesentlicher Gesichtspunkt für das Gelingen einer nachhaltigen Sanierung liegen.
Die Restrukturierung und Sanierung wird meist durch den Antrag auf Eigenverwaltung in die Wege geleitet. Um ein Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung jedoch erfolgreich und zügig durchzuführen, ist Vertrauen bei den Beteiligten, dem Eigenverwalter, dem Sachwalter, den Gläubigern und dem Insolvenzgericht erforderlich. Dieses Vertrauen kann allerdings nur aufrechterhalten werden, wenn der Eigenverwalter seinen Verpflichtungen, die weit über die normale Geschäftsführertätigkeit hinausgehen, nachkommt.
Im Rahmen des Insolvenzplans kommt es sodann entscheidend darauf an, dass die Gläubiger durch diesen bessergestellt werden, als wenn eine Regelabwicklung stattfände und somit sämtliche in der Firma befindlichen Vermögenswerte verwertet werden würden. Dies muss anhand einer exakten Vergleichsberechnung in den Regelungen des Insolvenzplans dargestellt werden. Ein großer Abzugsposten im Rahmen der Vergleichsberechnung sind dabei die im Fall einer Zerschlagung des Unternehmens noch an die Mitarbeiterschaft zu leistenden Auslauflöhne.
„Vertrauen ist alles“
Oft haben Geschäftsführer in die Krise geratener Unternehmen dahingehende Bedenken, dass sowohl Lieferanten als auch die Hausbanken den Weg über eine Sanierung durch einen Insolvenzplan nicht bereit sein werden mitzugehen.
Um einen reibungslaufen Ablauf des Sanierungsverfahrens zu gewährleisten, ist es daher von entscheidender Bedeutung, noch im Vorfeld der Insolvenzantragstellung auf die Hauptgläubiger zuzugehen, um mit diesen das bereits fertig ausgefeilte Sanierungskonzept zu erörtern.
Die Lieferantenseite, die das Risiko einiger unbezahlter Rechnungen trägt, kann dadurch zur Fortführung der Geschäftsbeziehung bewegt werden, dass ab Insolvenzantragstellung mit Beginn der vorläufigen Eigenverwaltung bei Waren- und Materialeinkäufen Vorkasse geleistet wird. Dies ist aufgrund des durch die Zahlung des Insolvenzausfallgelds entstehenden Liquiditätspuffers auch ohne weiteres möglich. Die Bezahlung der Ware ist somit gesichert. Auch mag häufig eine sich über Jahrzehnte erstreckende vertrauensvolle Geschäftsbeziehung zwischen dem Schuldnerunternehmen und dem Lieferanten gegeben sein, so dass man auf Seiten des Lieferanten gewillt ist, eine Fortführungslösung mit zu unterstützen.
Für die Unterstützung der kreditgebenden Banken bei einem von Schuldnerseite initiierten Planverfahren sind folgende Argumente ins Feld zu führen:
Zunächst ist festzuhalten, dass die Umsetzung einer Insolvenzplanlösung zumeist zu einer deutlichen Verbesserung der Bilanzrelationen und damit der Minimierung der Risikopositionen der Bank führt. Die Aktivseite bleibt regelmäßig vollständig erhalten. Auf der Passivseite schlagen hingegen wesentliche Kürzungen zu Buche. Auf die ungesicherten Gläubiger und ausgewiesenen Rückstellungen entfällt nur die Insolvenz- oder Planquote.
Klarer Vorteil für die Bankenseite ist der Umstand, dass mit diesen Maßnahmen ein Unternehmen finanziert wird, dessen Eigenkapitalquote durch die Bereinigung der Passivseite deutlich positiv gestaltet ist. Darüber hinaus ist Geschäftspartner ein Unternehmen, das wieder Geld verdient, weil die Sanierungsmaßnahmen, etwa in Form der Trennung von Altlasten wie unprofitablen Miet- oder Leasingverträgen, in der Insolvenz zu Kosten umgesetzt wurden, die weit unter denen einer Unternehmensfortführungslösung (Going-concern) liegen.
Entscheidend kommt es letztlich darauf an, dass die (Stamm-)Kunden und die bisherigen Auftraggeber von dem entwickelten Plankonzept überzeugt werden können und den Weg des in die Krise geratenen Unternehmens hin zu einem Neustart mit begleiten. Maßgeblich diesen gegenüber ist es, die „Vision“ vom wirtschaftlichen Wiederaufstieg darzustellen und plausibel zu machen.
Insolvenzplan ist in der Praxis angekommen
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Insolvenzplan bereits eine ganze Weile im Rang eines Sanierungsinstruments steht, das mit den althergebrachten Fortführungslösungen gleichberechtigt ist: übertragende Sanierung und Assetdeal. Denjenigen, die in der derzeitigen Diskussion über die ESUG-Reform kritische Töne zur Eigenverwaltung äußern und sie als zu schuldnerfreundliches Verfahren abtun möchten, ist zu entgegnen, dass die Sanierungspraxis der vergangenen Jahre genügend positive Beispiele bereithält, in denen maßgeblich dem in erster Linie mit der Insolvenzordnung verfolgten Verfahrensziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung Genüge getan wurde und in denen darüber hinaus alle Beteiligten vom Fortbestand des sanierten Unternehmens letztlich wirtschaftlich profitiert haben.