Das bringt die Einheitliche Europäische Eigenerklärung!
Von Dr. Alexander Hübner und Stefan Braun
„Einfachere Regeln für Bieter“ – das haben schon die EU-Vergaberichtlinien aus dem Jahr 2004 versprochen, die derzeit noch in Kraft sind, ohne aber zu spürbaren Erleichterungen für Bieter im Wettbewerb um öffentliche Aufträge geführt zu haben. Die äußerst formalisierten Vergabeverfahren stellen gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) häufig ein kaum zu bewältigendes Marktzugangshemmnis dar, weil innerhalb kürzester, nicht verlängerbarer Fristen zahlreiche Dokumente genauestens auszufüllen und ganz bestimmte Bescheinigungen von Dritten – Gerichten, Behörden und gegebenenfalls Nachunternehmern oder Mitgliedern von Bietergemeinschaften – zu beschaffen und vorzulegen sind, wenn der Bieter nicht Gefahr laufen will, vom Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden.
Einfachere Regeln für Bieter versprechen auch die neuen EU-Vergaberichtlinien, mit denen die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, bis spätestens 2016 das nationale Vergaberegime entsprechend anzupassen. Die bis dahin noch maßgebliche EU-Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG wird durch die neue Vergaberichtlinie 2014/24/EU (VRL) abgelöst, die Sektorenrichtlinie 2014/25/EU tritt an die Stelle der (noch) geltenden Richtlinie 2004/17/EG. Gänzlich neu geschaffen wurde eine EU-Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen.
Dem Abschluss des umfangreichen EU-Richtlinienpakets (ca. 470 Seiten im EU-Amtsblatt) ging ein nur etwas mehr als zweijähriges Gesetzgebungsverfahren voraus, das mit einer bemerkenswert schnellen Einigung zwischen Rat, Europäischem Parlament und der Europäischen Kommission im sogenannten Trilogverfahren beendet wurde.
Einheitliche Europäische Eigenerklärung: Instrument für erleichterten Marktzugang
Ein wesentliches Instrument für den vereinfachten Marktzugang, insbesondere für KMU, aber auch zur Steigerung der Verfahrenseffizienz aus Sicht der öffentlichen Auftraggeber, stellt die neue „Einheitliche Europäische Eigenerklärung“ (EEE) gemäß Art. 59 VRL und im Sektorenbereich dar. Keinen Eingang hat die EEE in die Konzessionsrichtlinie gefunden.
Die EEE wird das Vergabeverfahren für Bieter und Vergabestellen spürbar vereinfachen, da sie anstelle von Bescheinigungen von Behörden, Gerichten und sonstiger Dritter den vorläufigen Nachweis für
- die Bietereignung,
- das Fehlen von Ausschlussgründen,
- die Erfüllung vorgegebener Kriterien, um in einem mehrstufigen Vergabeverfahren in die engere Bieterauswahl zu gelangen, und
- entsprechende Nachweise in der Person von Mitgliedern einer Bietergemeinschaft und etwaiger Nachunternehmer
erbringt. Damit entfällt gerade in der ersten Phase eines Vergabeverfahrens der öffentlichen Hand erheblicher Verwaltungsaufwand, der bisher viele potentielle Bieter vor einer Teilnahme zurückschrecken lässt.
Denn in diesem knappen Zeitkorridor sind bislang typischerweise nicht nur Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Finanzämter und Sozialversicherungsträger, Bestätigungen der Insolvenzgerichte und über Haftpflichtversicherungen, Referenzen früherer Auftraggeber über vergleichbare Leistungen u.v.a.m. beizubringen, und zwar sowohl für den Bieter als auch für jeden Nachunternehmer und jedes Mitglied einer etwaigen Bietergemeinschaft. Vielmehr muss – jedenfalls im offenen Verfahren und damit in der am häufigsten gewählten Verfahrensart – im selben engen Zeitkorridor gleichzeitig auch der eigentliche Aufwand geleistet werden, nämlich die Erstellung und Kalkulation eines attraktiven und wertungsfähigen Angebots. Allein dieser Aufwand ist in Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich erheblich größer als bei der Beteiligung an Beschaffungsprozessen privatwirtschaftlicher Auftraggeber. Die in aller Regel begrenzten akquisitorischen Ressourcen werden daher von vielen Marktteilnehmern bislang nicht primär in Verfahren öffentlicher Auftraggeber eingesetzt, weil verbreitete Zweifel bestehen, ob Aufwand und möglicher Ertrag beim Bieterwettbewerb um öffentliche Aufträge in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen.
In der Logik der EEE liegt es, dass nur, aber jedenfalls der Bieter, dem zum Abschluss des Vergabeverfahrens der Zuschlag erteilt werden soll, die relevanten Nachweise, deren Existenz er mit der EEE als Eigenerklärung behauptet hat, im Original vorlegen muss. Klar ist auch nach dem kommenden Vergaberecht, dass öffentliche Auftraggeber keine Verträge mit Bietern schließen sollen, die dazu nicht in der Lage sind.
Nur wenn dies zur angemessenen Verfahrensdurchführung erforderlich ist, soll der öffentliche Auftraggeber ausnahmsweise schon während des Vergabeverfahrens berechtigt sein, diejenigen Unterlagen, die durch die EEE ersetzt werden, oder zumindest wesentliche Unterlagen anzufordern. Dies dürfte vor allem in zweistufigen Vergabeverfahren wie etwa dem Verhandlungsverfahren in Frage kommen, in denen der Auftraggeber berechtigt ist, die Anzahl der zur Einreichung eines Angebots aufgeforderten Bewerber in der zweiten Verfahrensphase zu begrenzen. Denn dann kann es für die Vergabestelle unzumutbar sein, Bewerber zur Angebotsabgabe einzuladen, die sich in der Angebotsphase möglicherweise als unfähig erweisen, die zusätzlichen Unterlagen einzureichen, weil dann geeigneten Bewerbern die Möglichkeit zur Angebotsabgabe genommen worden ist.
Präqualifikationssysteme werden durch die EEE nicht entbehrlich, sondern ergänzen diese. Die Pflicht eines (zum Zuschlag oder zur Angebotsabgabe vorgesehenen) Bieters zur Vorlage der Nachweise, deren Existenz er mit der EEE behauptet hat, und der damit einhergehende administrative Aufwand entfallen in dem Umfang, als der öffentliche Auftraggeber die Bescheinigungen oder Informationen über eine gebührenfreie nationale Datenbank, wie beispielsweise ein nationales Vergaberegister oder ein Präqualifikationssystem, erhalten kann.
Die Erleichterung durch die Verwendung der EEE setzt sich für den Bieter fort, wenn er an einem weiteren Vergabeverfahren teilnehmen möchte und die in der EEE bereits enthaltenen Informationen noch aktuell und für den neuen Auftrag passend sind. Der Bieter kann dann die bereits verwendete EEE wiederverwenden.
Die EEE ist mit den neuen EU-Vergaberichtlinien verbindlich eingeführt, muss aber von den Mitgliedstaaten erst im Oktober 2018 und damit innerhalb einer großzügigeren Umsetzungsfrist in das nationale Vergaberecht eingeführt werden als das EU-Richtlinienpaket im Übrigen (April 2016). Der Grund dafür ist, dass die EEE ausschließlich in elektronischer Form existieren wird und die neuen Instrumente des elektronischen Vergabeverfahrens erst bis 2018 in mitgliedstaatliches Recht umgesetzt sein müssen.
Fazit
Die EEE ist durchaus geeignet, die beschriebenen aktuellen Hemmnisse, insbesondere für KMU, beim Zugang zum Markt öffentlicher Aufträge zu reduzieren und somit den Bieterwettbewerb zu erleichtern und zu vergrößern. Öffentlichen Auftraggebern wird die EEE typischerweise die Möglichkeit geben, sich zu einem frühen Zeitpunkt mit dem Inhalt von Angeboten zu beschäftigen, anstatt aufwendig Eignungs- und Ausschlussgründe prüfen zu müssen. Im Ergebnis führt die EEE dazu, dass die inhaltliche Angebotsprüfung vor die Eignungsprüfung gezogen werden kann. Für Angebote, die wirtschaftlich uninteressant oder aus anderen inhaltlichen Gründen nicht zuschlagsfähig sind, entfällt die formelle Eignungs- und Ausschlussprüfung letztlich ganz.
Gleichwohl stellen die neuen EU-Vergaberichtlinien die nationalen Gesetzgeber vor gewisse Herausforderungen, beispielsweise hinsichtlich der Frage, unter welchen konkreten Voraussetzungen Eignungsnachweise während des Verfahrens angefordert werden können und welche Fristen hierfür gelten sollen.
Abzugrenzen ist die EEE von der bewährten Präqualifikationsbescheinigung, die nach einem am 18.11.2014 durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie veröffentlichten Entwurf eines Eckpunktepapiers zur Umsetzung der neuen EU-Richtlinien weiterhin den Nachweis für die generelle Eignung im Hinblick auf bestimmte Aufträge erbringen soll, während die EEE im Ausgangspunkt auf den Nachweis der Bietereignung für einen konkreten Auftrag zugeschnitten ist.
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