Bericht aus Karlsruhe – Tun und Freude

Von Dr. Wendt Nassall

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„Tun an sich ist eine armselige Sache. Nur was mit tausend Freuden getan wird, hebt den Schatz und kauft den Ring“, hat „Der leidenschaftliche Gärtner“ geschrieben. Und was tut der Gärtner nach tätiger Freude? Er setzt sich auf seine Terrasse. Diese sollte dicht sein.
Im Fall des BGH-Urteils vom 07.02.2019 (VII ZR 274/17) war sie es nicht. Einige Zeit nach Abnahme zeigten die angrenzenden Wände des Hauses Feuchtigkeit. Der Bauherr – unser Gärtner, aber diese Leidenschaft ist nicht gesichert – begehrte deshalb vom Abdichter Mangelbeseitigung. Das Landgericht gab der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ohne Öffnung der Terrasse statt. Das Berufungsgericht hielt demgegenüber eine Bauteilöffnung für erforderlich, weil nur so die Ursache der Undichtigkeit festgestellt werden könne; selbst wenn aufgrund der vom Kläger veranlassten Flutungsmaßnahmen mit gefärbtem Wasser davon auszugehen sei, dass die Abdichtung undicht sei, stehe damit ein Mangel nicht fest. Zur Bauteilöffnung war der Bauherr aber nicht bereit. Das Berufungsgericht hat ihn deshalb als beweisfällig angesehen und die Klage abgewiesen.
Das hat der BGH kassiert: Die Anwendung der Beweislastregeln zur Streitentscheidung stellt eine Ultima Ratio dar, die erst dann zum Tragen kommt, wenn und soweit das Gericht alle zulässigen Beweismöglichkeiten ohne Erfolg ausgeschöpft hat und weitere Feststellungen nicht mehr möglich erscheinen. Das Gericht darf eine beweisbelastete Partei nicht allein wegen einer fehlenden Möglichkeit des Sachverständigenbeweises als beweisfällig ansehen, sondern muss versuchen, die beweiserhebliche Frage in anderer Weise aufgrund des bereits vorhandenen oder gegebenenfalls anzuregenden Parteivortrags und der verfügbaren Beweismittel zu klären. Das Berufungsgericht hätte den Sachverständigen deshalb anweisen müssen, die aus seiner Sicht klärungsbedürftige Frage, ob eine Undichtigkeit vorliege und welche Ursache diese habe, zu beantworten, ohne auf Erkenntnisse der Freilegung der Abdichtung zurückgreifen zu können. Außerdem ist bei beauftragter Abdichtung einer Terrasse deren Wasserundurchlässigkeit Bestandteil der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung. Ist sie nicht wasserundurchlässig, kommt es auf die Feststellung der Ursache dieses Funktionsdefizits nicht an: Nach ständiger Rechtsprechung des BGH schuldet ein Unternehmer Nacherfüllung verschuldens­unabhängig auch dann, wenn ihm ein Ausführungsfehler, der dazu geführt hat, dass die vereinbarte Beschaffenheit nicht erreicht wurde, nicht nachzuweisen ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 10.11.2005 – VII ZR 147/04, Rz. 11).

Auch im Zivilprozess gilt deshalb: Bloß keine Armseligkeit! Sachverhaltsaufklärung mit tausend Freuden!

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