EuGH verneint pauschalen Verweis auf Bankgeheimnis als Verweigerungsgrund markenrechtlicher Auskunftsansprüche
Von Christoph Jacobs, LL.M., und Dr. Christian Lange-Hausstein

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Der Fall

Markenrechtsverletzungen im Internet sind allgegenwärtig. In dem Fall, der dem Urteil des EuGH vom 16.07.2015 (C-580/13) zugrunde liegt, stellte die Lizenznehmerin einer Gemeinschaftsmarke fest, dass Plagiate ihrer Produkte unter Verletzung ihrer Rechte vertrieben wurden. Da Hinweise auf die Identität des Verkäufers nicht zu erhalten waren, verlangte sie von der kontoführenden Sparkasse Auskunft über den Namen und die Anschrift des Inhabers des Kontos, über das der Verkauf der rechtsverletzenden Ware abgewickelt wurde. Die Sparkasse verweigerte die Auskunft unter Berufung auf das Bankgeheimnis.

Die Eingangsinstanz, das Landgericht (LG) Magdeburg, verurteilte die Sparkasse zur Erteilung der Auskunft. Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg wies die Klage dagegen ab, ließ die Revision aber zu. Der BGH legte die Sache dem EuGH vor.

Das Problem: markenrechtlicher Auskunftsanspruch vs. Bankgeheimnis

Die Entscheidung über die von der Klägerin eingelegte Revision hängt, so der BGH in seinem Beschluss vom 17.10.2013 (Az. I ZR 51/13), von der Auslegung der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ab (Richtlinie 2004/48/EG, nachfolgend „Richtlinie“). Die Richtlinie bezweckt die Schaffung eines einheitlichen Schutzes des geistigen Eigentums im Binnenmarkt. Nach ihrem Art. 8 haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Auskunftsansprüche von Rechteinhabern unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen Dritte, die nicht selbst Verletzer sind, geltend gemacht werden können. Die Richtlinie regelt außerdem, unter welchen Umständen die Auskunftsansprüche ausgeschlossen sein sollen. Nach Art. 8 Abs. 3 lit. e der Richtlinie sollen etwa Bestimmungen, die „den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen oder die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln“, durch den Auskunftsanspruch unbeschadet bleiben.

Zur Umsetzung der Richtlinie wurde § 19 Abs. 2 Nr. 3 in das MarkenG eingefügt. Nach dieser Regelung hat ein Markeninhaber im Fall einer offensichtlichen Rechtsverletzung einen Auskunftsanspruch gegen jeden Dritten, der im gewerblichen Ausmaß Dienstleistungen erbracht hat, die für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzt wurden. Das gilt nur dann nicht, wenn der Dritte gemäß § 383 bis 385 ZPO in einem Prozess gegen den Verletzer zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist. § 19 Abs. 2 MarkenG übernimmt insoweit die Mechanik des Art. 8 der Richtlinie, nach der in einem ersten Schritt die genannten Voraussetzungen eines Anspruchs zu prüfen (Abs. 1) und im Fall der Bejahung das Vorliegen bestimmter Ausschlussgründe zu ermitteln sind (Abs. 3). Das Bankgeheimnis begründet nach überwiegender Auffassung ein Zeugnisverweigerungsrecht im Sinne des § 383 ZPO (§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO). Aufgrund des Verweises in § 19 Abs. 2 MarkenG auf § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO kann ein Auskunftsverweigerungsrecht, das auf das Bankgeheimnis gestützt wird, also pauschal einem immaterialgüterrechtlichen Auskunftsanspruch entgegengehalten werden. Problematisch, und zur Vorlage beim EuGH führend, ist aber, ob in der Richtlinie ein derart starres Recht zur Verweigerung der Auskunft tatsächlich angelegt ist. Die mit dieser Frage bislang befassten Gerichte sprachen der Richtlinie bei der Anwendung des deutschen Rechts in unterschiedlich hohem Maße Bedeutung zu.

Der Streit: Grenzen des Auskunfts-verweigerungsrechts

Während das LG Hamburg die Frage, ob die Richtlinie der Verweigerung der Auskunft mit Verweis auf das Bankgeheimnis entgegensteht (Az. 408 HKO 3/11), vollends ausblendete, stellt die richtlinienkonforme Auslegung des Auskunftsverweigerungsrechts bei anderen Gerichten einen Schwerpunkt dar. Nach der Auffassung des OLG Naumburg wird ein Auskunftsverweigerungsrecht der Bank durch die Richtlinie und den von ihr angestrebten Schutz von Immaterialgüterrechten nicht eingeschränkt (Az. 9 U 208/11). Entscheidend sei, dass die Richtlinie mit der Regelung in Art. 8 Abs. 3 lit. e (Vertraulichkeit von Informationsquellen) eine Ausnahme vom Auskunftsanspruch vorsehe, die sich in der deutschen Regelung wiederfinde. Der Bankkunde sei eine vertrauliche Quelle im Sinne der Richtlinie. Ein Anspruch auf Information über ihn könne gegen die Bank daher nicht bestehen. So entschied zuvor auch das OLG Stuttgart (Az. 2 W 56/11), das den Auskunftsanspruch ebenfalls als nur unter dem Vorbehalt des Schutzes der Vertraulichkeit der Informationsquelle gewährt sah und den gegen eine Bank gerichteten Anspruch folglich verneinte. Dem ist der EuGH nun entgegengetreten.

Die Entscheidung des EuGH

Eine pauschale Verneinung des Auskunftsanspruchs gegen eine Bank, wie sie durch § 19 Abs. 2 MarkenG i.V.m. § 383 ZPO unter Berufung auf das Bankgeheimnis möglich ist, sei, so der EuGH, unzulässig. Die Richtlinie verlange den Ausgleich verschiedener Rechte miteinander, und das erfordere eine Abwägung dieser Rechte. Namentlich das in Art. 47 der EU-Grundrechte-Charta verbürgte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und das durch Art. 17 Abs. 2 der Charta geschützte Recht des geistigen Eigentums einerseits und das in Art. 8 der Charta verbürgte Recht des Einzelnen auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten andererseits seien stets gegeneinander abzuwägen. Die deutsche Regelung erlaubt es einer Bank aber, eine Auskunft unter Berufung auf das Bankgeheimnis pauschal und ohne Abwägung zu verweigern. Dieses pauschale Verweigerungsrecht könne zu einer Beeinträchtigung des Grundrechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art. 47 der Charta) und des Grundrechts des geistigen Eigentums (Art. 17 Abs. 2 der Charta) führen. Soweit § 19 Abs. 2 MarkenG i.V.m. § 383 ZPO es erlaubten, ohne Abwägung pauschal zur Verweigerung eines Auskunftsanspruchs zu gelangen, verstießen die Vorschriften daher gegen das der Richtlinie immanente Erfordernis, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen allen betroffenen Rechten herbeizuführen.

Folgen der Entscheidung für Banken und Sparkassen

Das Urteil des EuGH hat weitreichende Folgen, und zwar in mehrfacher Hinsicht:

Plagiate im Onlinehandel sind ein Massenphänomen. Der Auskunftsanspruch gegen die von dem (zunächst) anonymen Rechtsverletzer „missbrauchte“ Bank oder Sparkasse stellt ein scharfes Schwert in diesem Kampf dar, das zukünftig sehr viel häufiger gezückt werden wird.

Die Auswirkungen des Urteils sind zudem nicht auf das Markenrecht beschränkt. Da das Urhebergesetz (§ 101 UrhG), das Patentgesetz (§ 140 b PatG) und das Designgesetz (§ 46 DesignG; vor 2013: Geschmacksmustergesetz) in Umsetzung der Richtlinie nahezu wortgleiche Auskunftsansprüche enthalten, betrifft das EuGH-Urteil weite Teile des gewerblichen Rechtsschutzes.

Auf Banken und Sparkassen dürften damit viel Arbeit und – damit verbunden – hohe Kosten zukommen. Sie werden das Auskunftsbegehren eines Rechteinhabers jedenfalls nicht mehr pauschal durch Berufung auf das Bankgeheimnis oder den Datenschutz zurückweisen können. Zunächst müssen sie zur Vermeidung einer erfolgreichen gerichtlichen Inanspruchnahme prüfen, ob ein Fall einer „offensichtlichen Rechtsverletzung“ im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 MarkenG, die, wenn der Rechteinhaber nicht bereits Klage gegen den Verletzer erhoben hat, ebenfalls Voraussetzung des Auskunftsanspruchs ist, vorliegt. Diese Prüfung ist alles andere als trivial, insbesondere im Bereich von Lizenzketten oder der Verwechslungsgefahr außerhalb von klaren Plagiaten. Sodann müssen die Banken/Sparkassen in jedem Einzelfall prüfen, ob nicht doch Bankgeheimnis oder Datenschutzrecht überwiegen (etwa im Fall minderjähriger Kontoinhaber) und ob dem Rechteinhaber nicht andere zumutbare Rechtsbehelfe zustehen, etwa im Rahmen eines Strafverfahrens gegen den Verletzer. Seine Rechte im Rahmen eines solchen Verfahrens geltend zu machen könnte dem Rechteinhaber nämlich ebenfalls zur Durchsetzung seiner Ansprüche verhelfen, so dass eine Auskunftsverweigerung der Bank rechtmäßig wäre. Die mit alldem verbundenen Prüfungen sind in hohem Maße fehleranfällig. Banken und Sparkassen sehen sich damit nicht nur dem Risiko hoher Kosten ausgesetzt. Sie stehen künftig auch vor dem möglichen Dilemma, in die eine (Rechteinhaber) oder andere (Kontoinhaber) Richtung eine Rechtsverletzung zu begehen.

Ein Blick nach Frankreich zeigt eine die Kosten und Risiken der Kreditinstitute minimierende Alternative: Dort kann der Rechteinhaber eine gerichtliche Anordnung gegenüber dem Kreditinstitut auf Auskunft über Namen und Adresse des Rechtsverletzers einseitig erwirken. Damit wird die Prüfung auf eine „neutrale“ Stelle, nämlich das Gericht, verlagert, ohne dass das Institut Partei dieses Verfahrens wäre und ihm insofern Kosten entstünden (vgl. Becker/Germayer, CR 2014, 278, 280).

Für Deutschland gilt nun zunächst: Der EuGH hat für die Abwägung zwischen den Rechten des Kontoinhabers und des Markeninhabers keine Richtschnur vorgegeben. Entscheidend wird sein, wie der BGH das Erfordernis der Abwägung konkret umsetzt, und auch, ob neben Namen und Anschrift des Kontoinhabers möglicherweise noch weitere Auskünfte erteilt werden müssen, wie etwa Umsätze. Der BGH hat in seinem Vorlagebeschluss immerhin angekündigt, den markenrechtlichen Auskunftsanspruch jedenfalls grundsätzlich gewähren zu wollen und den Rechteinhaber nicht auf andere (strafprozessuale) Rechtsbehelfe zu verweisen. Denkbar ist auch eine Anpassung des Gesetzeswortlauts des § 19 Abs. 2 MarkenG, die den pauschalen Verweis auf die §§ 338 bis 385 ZPO vermeidet und die Norm um das Gebot einer Abwägung ergänzt.

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