Müssen VW-Manager Boni zurückzahlen? – Eine Analyse der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen
Von Hans Georg Helwig

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Einleitung

Die aktuelle Diskussion bei VW gibt Anlass, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Die (manipuliert) guten Abgaswerte bei VW haben sicher einen beträchtlichen Anteil an dem (früheren) Erfolg des Unternehmens durch die Anzahl verkaufter Pkw. Dadurch entsteht ein Gewinn. Dieser Gewinn verspricht dem Vorstand Boni. Wie sich nun herausstellt, sind die Autos nicht so sauber wie vorgegeben. Und die Weste der Vorstände womöglich auch nicht – heißt, so sie um den Eingriff in die Abgasmessungen wussten. Mit den Abgaswerten könnte also indirekt auch die Höhe des Bonus beeinflusst worden sein. Kann dieser nun zurückgefordert werden?

Der VW-Aufsichtsrat Olaf Lies wird mit dem plakativen Satz zitiert: „Kein Gewinn ist kein Gewinn, und von keinem Gewinn kann man auch keine Boni zahlen“. Für die Zukunft mag er unweigerlich recht haben. VW erleidet nun Gewinneinbrüche, es drohen Bußgelder und Schadensersatzzahlungen in Milliardenhöhe – über die ersten 13 Milliarden Euro hat VW sich gerade in den USA verglichen. Aktionäre erwarten Einbußen und den Totalausfall der Dividende. Arbeitsplätze sind gefährdet, Lohnerhöhungen sicher in weiter Ferne. Die Boni der Vorstände werden in Zukunft sicher schmelzen. Wie sieht es aber mit der Vergangenheit aus, wenn die Boni durch einen Erfolg erwirtschaftet wurden, der (zumindest auch) auf die Abgasmanipulationen zurückzuführen war?

Grundlagen und Schlussfolgerungen

Der Vertrag: Einfach wäre die Rückforderung, wenn die Vorstandsdienstverträge die Verpflichtung zur Rückzahlung von Boni vorschrieben, sobald sich nachträglich herausstellt, dass der zugrunde gelegte Unternehmenserfolg auf schadensersatzträchtigen Handlungen beruhte. Das ist kaum vorstellbar und aus der Praxis nicht bekannt.

Der Vorstand könnte ungerechtfertigt bereichert sein, wenn die Vergütungsabrede des Vorstands nichtig wäre. Die Vergütung des Vorstands bestimmt der Aufsichtsrat. Diesem geben die Ziffern 4.2.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) vor, wie die Vergütung zu gestalten ist. Sie ist auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. Variable Bestandteile, so Boni, sollen auch negativen Entwicklungen Rechnung tragen. Nichtig wäre eine Vergütungsvereinbarung, wenn Boni in einer Höhe gewährt würden, die mit der Grenze des Vertretbaren nicht mehr vereinbar wäre. Das ist anzunehmen, wenn Geschäftsleiter vergleichbarer Unternehmen weit geringere Boni erhalten. In dem noch immer in der 2. Instanz laufenden Verfahren gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Arcandor AG hat das Landgericht Essen einen solchen Fall unter anderem für eine einmalige Sonderzahlung angenommen. Ergänzend muss der Vorstand diese Grenzüberschreitung erkennen. In Essen wurde auch dies bejaht. Im Fall der Volkswagen AG müssten die Boni hingegen Höhen erreichen, die weit über das hinausgehen, was etwa die Leiter bei BMW oder Mercedes erhalten. Für eine Nichtigkeit der Bonusvereinbarung hätte den Vorständen zudem bereits zum Zeitpunkt der Verhandlung ihrer Bonuszahlungen bekannt sein müssen, dass die Abgaswerte manipuliert wurden. Dann wäre für sie offensichtlich gewesen, dass die Bonuszahlungen über das Vertretbare hinausgingen – durch manipulierte Technik erwirtschaftete Gewinne können eben vertretbar keine Boni auslösen. Nur wenn der Vertrag oder die Vereinbarung über eine Bonuszahlung nichtig ist, liegt ungerechtfertigte Bereicherung vor. Die Rückforderung scheint also hier nicht möglich.

Das Aktiengesetz enthält keine Handlungsanweisung für eine Rückforderung von Boni. § 87 AktG regelt die Grundsätze für die Vergütung der Vorstände.

  • 87 Abs. 2 AktG lässt als Sonderfall der Geschäftsgrundlage Eingriffe in die vertragliche Vergütungsabrede nur für die Zukunft zu. Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31.07.2009 in § 87 Abs. 2 AktG explizit nur die nachträgliche Herabsetzung der Vorstandsvergütung vereinfachen wollen. Da die Vorschrift Fälle der Geschäftsgrundlage abschließend regelt, kann nicht auf allgemeine Grundsätze zurückgegriffen werden.

Was bleibt: der Anspruch auf Schadensersatz?

Das Damoklesschwert für jeden Vorstand verkörpert § 93 Abs. 2 AktG. Ein Vorstand haftet, wenn er im Rahmen seiner Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters verletzt (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG). Vorstände können finanziell in die Verantwortung genommen werden, wenn ihnen – wie im Fall VW – eine „Beteiligung“ an den Abgasmanipulationen nachzuweisen ist. Zu deren Nachteil bedarf es keiner positiven Kenntnis. Für eine Haftung genügt ein unzureichendes Informationssystem. So also, wenn der Vorstand – wie im Fall VW – schlicht unterlässt, sich über Abläufe in der Organisation, so schon unter der Norm liegende Abgaswerte, zu informieren; alternativ bei dem Unterlassen, ein System einzurichten, nach dem er sofort über unzureichende Ergebnisse oder gar Vorgänge der Manipulation unterrichtet wird. Die Nachhaltigkeit eines solchen Systems hat er sicherzustellen. Es scheint daher, dass die Vorstände bei VW in der Falle sitzen: Entweder sie hatten Kenntnis und sind nicht eingeschritten, oder es gab keine Organisation, die die Kenntnis sicherstellt, oder ein solches System war unzureichend. Eine Haftung scheint unausweichlich.

Wer haftet?

Eine Unkenntnis über unzureichende Grenzwerte oder die fehlerhafte Organisation dürfte zumindest dem Technikvorstand vorwerfbar sein. Aber haften die übrigen Vorstandsmitglieder?

Für den Vorstand gilt die Gesamtverantwortung des Gremiums. Gegenüber der AG haften seine Mitglieder gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz. Dafür ist ausreichend, dass eine Pflichtverletzung bei nur einem Vorstand festgestellt wird. Für die Abgasmanipulationen haftet also im Verhältnis zur Gesellschaft nicht nur der Vorstand für Technik. Es haften sämtliche Vorstandsmitglieder gemeinsam. Sind, wie üblicherweise, die Aufgaben in Ressorts der jeweiligen Vorstände unterteilt, tritt untereinander eine gewisse haftungsrechtliche Entlastung ein. Im Innenverhältnis der Vorstände untereinander kann daher durchaus nur einer haften und muss nur einer den gesamten Schaden tragen. Eine D&O-Versicherung hilft am Ende vielleicht nicht. Die Versicherung mag zwar den Schaden gegenüber der Gesellschaft ausgleichen, sie wird jedoch den verantwortlichen Vorstand in Regress nehmen, wenn ihm zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.

Aber: Neben der beschriebenen möglichen Pflichtverletzung muss dem Vorstand – da liegt in der Praxis häufig die Schwierigkeit – ein Schaden nachgewiesen werden, für den die Pflichtverletzung ursächlich war. Dieser Schaden kann in den eingangs erwähnten Boni bestehen. Dafür muss nachgewiesen werden, dass gerade wegen der Abgasmanipulationen ein Bonus gezahlt wurde und dass diese ursächlich für das gute Geschäftsergebnis gewesen sind. Das nachzuweisen dürfte schwer sein. Näher liegt es, den Schaden und die Haftung mit den zu zahlenden Bußgeldern, Ersatz- und Strafzahlungen zu begründen. Es ist klar, dass der manipulative Umgang mit Herstellungsstandards Schaden in den Kundenbeziehungen auslöst und dass schließlich auch der Goodwill des Unternehmens davon betroffen ist. Ein Schaden der Gesellschaft entsteht auch durch ein der Gesellschaft auferlegtes Bußgeld. Da reden wir heute schon über Milliarden.

Im Ergebnis sind also wohl nicht die Boni zurückzuzahlen, aber doch ein weitaus höherer Betrag als Schadensersatz zu leisten.

Zukünftig müssen Unternehmensleiter also nicht unbedingt die direkte Rückzahlung von Boni fürchten. Anders wäre es freilich dann, wenn die Unternehmen für die unrechtmäßige Einflussnahme auf technische Produkte oder Ergebnisse die Pflicht zur Rückzahlung vertraglich absicherten.

hhelwig@arneckesibeth.com

 

27 replies on “Aus Bonus wird Malus – oder: Rückstoß aus der Abgasaffäre”

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