Finanzierungsprojekte und Wirtschaftssanktionen gegen die Russische Föderation: Praxishinweis für Kreditgeber und Banken
Von Thomas K. Schrell
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Politischer Hintergrund
Als Konsequenz der grundlosen Verletzung der Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Ukraine durch die Russische Föderation haben die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von Maßnahmen gegen die Russische Föderation beschlossen (vgl. dazu auch HIER Flash-Beitrag von Konrad Walter in Business Law Magazine).
Darstellung des rechtlichen Rahmens: Überblick
Basis der jüngsten Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland sind (i) der Ratsbeschluss 2014/512/GASP vom 31.07.2014 und (ii) die Verordnung 833/2014 vom 31.07.2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren. Eine Ausweitung der Beschränkungen ist unlängst durch Verordnung (EU) Nr. 950/2014 vom 12.09.2014 erfolgt.
Nach dem obengenannten Beschluss sowie weiteren Beschlüssen sind insbesondere die Ausfuhr von Rüstungsgütern und zugehörigen Gütern aller Art nach Russland verboten. Über Rüstungsgüter/Waffen hinaus ist es insbesondere untersagt, Güter und Technologien mit zivilem und militärischem Verwendungszweck (sogenannte Dual-use-Güter) unmittelbar oder mittelbar an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland zu verkaufen. Die erwähnten Handelsbeschränkungen werden für bestimmte Konstellationen durch warenbezogene Dienstleistungsbeschränkungen ergänzt. Schließlich hat die EU für bedeutsame russische Banken und Kreditinstitute, aber auch – seit jüngstem – bestimmte Unternehmen und Organisationen (Verteidigungssektor und Erdölindustrie) den Zugang zum europäischen Darlehens- und Kapitalmarkt beschränkt. Danach ist es insbesondere verboten, unmittelbar oder mittelbar übertragbare Wertpapiere (Aktien oder Schuldverschreibungen beispielsweise) und Geldmarktinstrumente mit einer Laufzeit von mehr als 90 Tagen, die nach bestimmten Stichtagen begeben wurden, (insbesondere) zu kaufen oder zu verkaufen oder anderweitig damit zu handeln. Die Neuvergabe von Darlehen oder Krediten mit einer Laufzeit von mehr als 30 Tagen nach dem 12.09.2014 ist – vorbehaltlich einer Reihe von Ausnahmen – ebenfalls untersagt. Die Refinanzierung solcher Marktteilnehmer (durch Investoren aller Art) ist damit erheblich beschränkt worden.
Bereits mit Verordnung (EU) Nr. 269/2014 vom 17.03.2014 und zuvor auch schon mit Verordnung (EU) Nr. 208/2014 vom 05.03.2014, nunmehr ergänzt und erweitert um die Verordnungen (EU) Nr. 959/2014 und (EU) Nr. 961/2014, hat der Rat der Europäischen Union im Zusammenhang mit der Destabilisierung der Ukraine, insbesondere der rechtswidrigen Annexion der Krim, Finanzsanktionen gegen bestimmte natürliche oder juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen verhängt.
Im Kern geht es bei Finanzsanktionen stets um zwei Aspekte. Da ist zunächst ein Zahlungsverbot: Gelder und wirtschaftliche Ressourcen, die im Eigentum oder Besitz von mit Sanktionen belegten Personen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren (Artikel 2 Absatz 1). Hinzu kommt ein Finanzierungsverbot, also das Verbot, bestimmten natürlichen Personen (und mit ihnen verbundenen juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen), die für Handlungen verantwortlich sind, die die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine untergraben oder bedrohen, unmittelbar oder mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen (Artikel 2 Absatz 2). Der Begriff „Geld“ ist weit auszulegen. Er umfasst finanzielle Vermögenswerte und Vorteile jeder Art, also beispielsweise Schecks, Wechsel, Einlagen, Kredite, andere Finanzverbindlichkeiten, Wertpapiere und Schuldtitel. Der Begriff „wirtschaftliche Ressourcen“ meint Vermögenswerte jeder Art, bei denen es sich nicht um Gelder handelt, die aber für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können. Der Begriff „Einfrieren von Geldern“ umfasst alle Formen der Verwendung von Geldern, die deren Nutzung ermöglichen.
Regelmäßig (so auch in der Verordnung 269/2014) werden in Sanktionsregelungen jeweils Ausnahmen von diesem Doppelverbot vorgesehen, das heißt, die Freigabe von eingefrorenen Geldern oder die Bereitstellung bestimmter Gelder kann erlaubt werden, um beispielsweise Grundbedürfnisse der sanktionierten Personen zu befriedigen. Um dem Sanktionierten die Erfüllung von (vertraglich begründeten) Altverbindlichkeiten zu erlauben, können ebenfalls Ausnahmen vom Zahlungsverbot gemacht und die Freigabe blockierter Mittel erklärt werden. Andererseits ist es regelmäßig auch verboten, an Tätigkeiten mitzuwirken, mit denen eine Umgehung des Doppelverbots bezweckt oder bewirkt wird. Das ist der ganz typische Rhythmus bei Finanzsanktionen.
Ausgestaltung von bestehenden und neuen Finanzierungsverträgen
Wie kann und sollte nun mit Zahlungs- und Finanzierungsverboten bei Finanzierungsprojekten umgegangen werden? Bei Neuverträgen geht es in erster Linie um eine detaillierte und sorgfältige Überprüfung des Kreditnehmers im Vorfeld der Kreditvergabe sowie flankierend um die Vereinbarung geeigneter Regelungen in der konkreten Finanzdokumentation.
Unerlässlich: Due Diligence
Unerlässlich ist zunächst die Durchführung einer sorgfältigen Due-Diligence-Prüfung, insbesondere eine gründliche Überprüfung, ob die als Darlehensnehmer wie Garantiegeber vorgesehenen Finanzierungspartner sanktionsbelegt sind. Eine solche Überprüfung kann im Einzelfall schwierig sein, insbesondere dann, wenn für den (erweiterten) Adressatenkreis auf mit dem unmittelbar Sanktionierten verbundene Unternehmen verwiesen wird, ohne dass Art und Qualität der Verbindung näher bestimmt und qualifiziert werden. Wenn indes die jeweils anwendbaren Embargoregelungen mit abschließenden Listen arbeiten, so wie dies bei der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 der Fall ist, stellen sich insofern keine Probleme.
Vertragliche Garantieerklärungen
Daneben und flankierend kommen vertragliche Regelungen in Betracht: Hier ist zuvorderst an vertragliche Garantieerklärungen (sogenannte Zusicherungen), aber auch an Auflagen und Verpflichtungen zu denken. Zusicherungen sind vom Kreditnehmer abzugebende Garantieerklärungen im Hinblick auf wirtschaftliche und rechtliche Umstände, die der Kreditvergabe zugrundeliegen. Mit ihnen stellt der Kreditgeber sicher, dass diese Grundlagen mit rechtlicher Verbindlichkeit für die Vertragsparteien festgezogen sind. Dort wo (potentiell) relevant, werden Kreditgeber darauf bestehen, dass in die Darlehensdokumentation Zusicherungen aufgenommen werden, wonach das Unternehmen, welches beispielsweise als Kreditnehmer Gelder erhält oder erhalten soll, nicht Zielobjekt von Embargomaßnahmen ist. Der Kreditnehmer wird nun über die Kreditlaufzeit darauf achten müssen, dass die Zusicherungen inhaltlich richtig sind, um Haftungsrisiken zu vermeiden, und er wird Sorge dafür tragen, dass diese so ausgestaltet sind, dass sie mit vertretbarem Aufwand eingehalten werden können.
Auflagen und Verpflichtungen
Auflagen und Verpflichtungen verpflichten den Kreditnehmer, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen, um so das Kreditrisiko des Kreditgebers zu minimieren. Sie stellen demnach ein probates Si-cherungs- und Kontrollmittel des Kreditgebers dar. Im Zusammenhang mit einer Finanzsanktion haben nun Verpflichtungserklärungen des Kreditnehmers in erster Linie zum Regelungsgegenstand, dass (neue) Darlehensmittel nicht dazu verwendet werden, ein Unternehmen zu finanzieren (auch im Wege der Weiterleitung von Geldern innerhalb beispielsweise einer Unternehmensgruppe), welches Gegenstand einer Sanktion ist, oder in einer anderen Art und Weise einem Verwendungszweck zugeführt werden, der den verhängten Embargoregeln widerspricht. Kommt der Verpflichtete diesen vertraglichen Auflagen nicht nach, werden zugunsten der Kreditgeber außerordentliche Kündigungsrechte ausgelöst. Der Kreditnehmer auf der anderen Seite wird in der Verhandlungssituation darauf achten, dass die Verpflichtungen nur so weit übernommen werden sollten, wie ihnen auch tatsächlich (mit nicht unzumutbarem Aufwand) nachgekommen werden kann.
Außerordentliche Kündigungsrechte
Außerordentliche Kündigungsrechte sind Rechte der Finanzierungsparteien, sich von einem Darlehensvertrag und damit aus einem Kreditrisiko zu lösen, wenn sich dieses in einem unzumutbaren Maße erhöht, insbesondere wenn die Rückführung des Kredits gefährdet ist. Beispielsweise kann die Unrichtigkeit von Zusicherungen oder die Nichteinhaltung von Auflagen oder Verpflichtungen seitens des Kreditnehmers ein solches Lösungsrecht begründen. Im Zusammenhang mit Finanzsanktionen ist nun bei der Ausübung von Kündigungsrechten wie aber auch bei der Geltendmachung von Zahlungsansprüchen der Kreditgeber aus anderen Gründen Vorsicht geboten: Die Ausübung solcher Rechtspositionen kann dazu führen, dass es seitens des Kreditnehmers zu Zahlungen auf den fälligen Anspruch an den Kreditgeber kommt. Ist nun beispielsweise ein Zahlungsverpflichteter unter einem Kreditvertrag Adressat einer Finanzsanktion, kann es sowohl für den Kreditnehmer selbst wie für den Kreditgeber (bei Entgegennahme der Zahlungen) zu pflichtwidrigem Verhalten kommen.
Was ist bei bestehenden Finanzierungsverträgen zu beachten? Zahlungen, seien es vertraglich geschuldete Regeltilgungen, Zinszahlungen, aber auch sonstige Zahlungen wie Zahlungen von Gebühren, Zahlungen auf eine erfolgte Kündigung oder Verwertung einer Sicherheit, durch eine Person, die mit einer Finanzsanktion belegt worden ist, dürfen seitens des Kreditnehmers nicht erfolgen (und auf Seiten des Kreditgebers nicht entgegengenommen werden). Auch hier ist aber an den regelmäßigen Vorbehalt zu erinnern, dass die Erfüllung von Altverbindlichkeiten typischerweise zulässig sein wird. Falls nach den vertraglichen Regelungen noch Auszahlungen unter dem Kreditvertrag zulässig sind, dürfen diese – wieder vorbehaltlich der Erfüllung von Altverbindlichkeiten – nach Wirksamwerden des Embargos an den Sanktionierten nicht mehr erfolgen.