Das Gesetz zur Frauenquote: Pflichten auch für GmbHs und nicht börsennotierte Gesellschaften
Von Kerstin Bangen
Nach langer politischer und gesellschaftlicher Diskussion ist am 01.05.2015 das Gesetz zur Geschlechterquote in Kraft getreten [offiziell das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (BGBl. I 2015, 642 ff.)]. Vor dem Hintergrund überwiegend männlicher Führungsebenen soll dort langfristig eine paritätische Besetzung mit Frauen und Männern erreicht werden. In der öffentlichen Diskussion wird einheitlich vom Gesetz zur Frauenquote oder von der Frauenquote gesprochen.
Regelungen des Gesetzes und betroffene Gesellschaften in der Privatwirtschaft
Feste Frauenquote im Aufsichtsrat
Von den Regelungen betroffen sind Gesellschaften, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind. Börsennotiert im Sinne des Anwendungsbereichs dieses Gesetzes sind Gesellschaften, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, sie gelten also nicht für Gesellschaften im Freiverkehr. Paritätisch mitbestimmt ist eine Gesellschaft, wenn sie dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) oder den Mitbestimmungsgesetzen der Montanindustrie (Montan-MitbestG, Montan-MitbestGErgG) unterfällt. Dies richtet sich wiederum danach, wie viele Arbeitnehmer die Gesellschaft in der Regel beschäftigt oder ihr im Konzern zugerechnet werden – das sind etwa für die Anwendbarkeit des Mitbestimmungsgesetzes mehr als 2.000 Arbeitnehmer. Etwas abweichende Regelungen gelten für die börsennotierte SE und für Gesellschaften, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen sind.
Die Frauenquote von mindestens 30% im Aufsichtsrat ist bei den ab dem 01.01.2016 sukzessive neu zu besetzenden Aufsichtsratsposten zu beachten.
Die 30%-Quote gilt grundsätzlich insgesamt für den mit Vertretern der Arbeitnehmer und Anteilseigner paritätisch besetzten Aufsichtsrat (sogenannte Gesamterfüllung). Beim Widerspruch einer Seite vor der Wahl neuer Aufsichtsratsmitglieder gilt der Grundsatz der sogenannten Getrennterfüllung. Dabei ist nach mathematischen Grundsätzen auf- oder abzurunden.
Eine eventuell quotenwidrige Wahl eines Mitglieds ist nichtig, und der Aufsichtsratsposten bleibt unbesetzt. Man spricht in diesem Zusammenhang vom „leeren Stuhl“. Gleiches gilt entsprechend für eine quotenwidrige Entsendung oder gerichtliche Bestellung.
Zielgrößen für den Frauenanteil
Dem Regelungsbereich für die Zielgrößen unterfallen alle börsennotierten oder mindestens drittelmitbestimmten Gesellschaften. Drittelmitbestimmt sind alle Gesellschaften, die dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) unterfallen, weil sie in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen oder ihnen diese Arbeitnehmer jedenfalls zugerechnet werden. Erste Informationsschreiben des BMJ und des BMFSFJ haben diese Unternehmen schon erhalten.
Die Gesellschaften werden verpflichtet, bestimmte Zielgrößen für den Frauenanteil im Vorstand/in der Geschäftsführung und in den beiden darunterliegenden Managementebenen (soweit vorhanden) festzulegen. Für alle nicht schon auf eine Frauenquote verpflichteten Gesellschaften gilt diese Zielgrößenvorgabe ergänzend für den Aufsichtsrat. Ebenfalls haben die Gesellschaften eine Frist zur Erreichung der Zielgrößen zu formulieren.
Die Zielgrößen und die Frist zur Erreichung der Zielgrößen waren erstmals bis zum 30.09.2015 festzulegen, die erste Frist darf nicht länger als bis zum 30.06.2017 laufen. Nachfolgende Fristen dürfen jeweils nicht mehr als fünf Jahre betragen. Im Regierungsentwurf waren diese Fristen noch abweichend festgesetzt.
Eine Mindestzielgröße sieht das Gesetz für die Gesellschaften nicht vor, sie können sich an ihren Unternehmensstrukturen ausrichten. Die Zielgröße muss jedoch mindestens den in der konkreten Gesellschaft bereits erreichten prozentualen Frauenanteil umfassen.
Wer ist innerhalb der Gesellschaft für die Festlegung jeweils zuständig? Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, Zielgrößen zum Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand der AG oder in der Geschäftsführung der KGaA oder der GmbH festzulegen. Sofern die GmbH
nur drittelmitbestimmt ist und keine entsprechende Kompetenz des Aufsichtsrats begründet hat, wechselt diese Zuständigkeit auf die Gesellschafterversammlung der GmbH. Der Vorstand/die Geschäftsführung ist zuständig für die Festlegung der Zielgrößen für die beiden Führungsebenen unterhalb des Geschäftsleitungsorgans.
Nach der Festlegung ist fortlaufend über die Zielgrößen und Fristen jährlich zu berichten, wobei der Status der Erreichung zum Ende der Frist kommuniziert werden muss. Bei Nichterreichung der Zielgrößen ist als Teil einer Erklärung zur Unternehmensführung (im Lagebe-richt) nachvollziehbar darzulegen, was die Gesellschaft zum Erreichen der Zielgrößen unternommen hat und weshalb dies ohne Erfolg blieb. Eine eventuelle Nichteinhaltung der Zielgrößen ist daher öffentlich einsehbar. Erstmals anzuwenden sind die Berichtspflichten auf Jahresabschlüsse mit einem Abschlussstichtag nach dem 30.09.2015.
Die Verletzung der Zielgrößenregelungen ist nicht direkt sanktioniert. Erfolgt jedoch keine Festlegung, so gilt auch die dazugehörige Berichtsplicht als nicht eingehalten (§ 289a HGB). Insoweit gelten die handelsbilanzrechtlichen Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände.
Was bleibt für die Gesellschaften jetzt zu tun?
Trotz andauernder Diskussion sollten die betroffenen Gesellschaften die gesetzlichen Vorgaben als Chance betrachten. Gender-Diversity ist eine Bereicherung, für die es sich lohnt, die qualifizierten Frauen auch auf die Führungsebenen mitzunehmen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Präsenz von Frauen einen förderlichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat – ganz unabhängig von der Bedeutung mit Blick auf den demographischen Wandel.
Im Hinblick auf die feste Frauenquote gilt: Um zu verhindern, dass die Anteilseigner über den sogenannten leeren Stuhl in ihrer Kontrolle über die Besetzung des Aufsichtsrats ab 2016 beschränkt werden, sollten frühzeitig (i) der Status quo der Amtszeiten erfasst und (ii) mit Blick auf künftig auslaufende Aufsichtsratsmandate die Suche nach geeigneten Kandidatinnen aufgenommen werden.
Mit Blick auf die (zusätzliche) Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen zum Stichtag 30.09.2015 sollten sich die Gesellschaften umgehend daransetzen, (i) die vom Gesetz erfassten Führungsebenen zu definieren und (ii) dort den Status quo zu erfassen. (iii) Danach sollten umgehend die zuständigen Organe über die Zielgrößen und die Frist beschließen. Sie sollten sich dabei an den realistischen Unternehmensstrukturen orientieren.
Die Personalverantwortlichen sollten bereits bei der Personalplanung auch Programme zur gezielten Förderung von Frauen für Führungsaufgaben vorsehen. Darin sind Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf einzubeziehen.
Maßnahmen zum Abbau von Barrieren für Frauen können auch Trainings für die mittlere und höhere Managementebene sein, etwa sog. Bias-Awareness-Trainings und die Unterweisung der zukünftigen weiblichen Führungskräfte. „Testimonials“ erfahrener Führungsfrauen stellen dabei einen wichtigen Baustein der Ermutigung junger weiblicher Nachwuchskräfte dar. Auch Mentoring, langfristige Karrierebegleitung und Förderung später Karrieren sollten ein Anliegen der Gesellschaften sein.
Für die Suche nach qualifizierten Frauen kann auf zahlreiche Frauennetzwerke zurückgegriffen werden. Die Bandbreite reicht von „Frauen in die Aufsichtsräte“ (FidAR) und „women&energy“ über den „Verband deutscher Unternehmerinnen“ (VdU) bis hin zu internen Mitarbeiterinnennetzwerken in den einzelnen Unternehmen.