Weshalb Anwälte den Beschaffungsprozess ihrer Kunden kennen sollten
Von Dr. iur. Bruno Mascello, LL.M.
Juristische Exzellenz allein reicht heute nicht mehr aus, um als Syndikus oder als externer Anwalt erfolgreich zu sein. Es besteht bereits ein großes und stetig wachsendes Angebot an Rechtsdienstleistern, das die Auswahl für den Kunden nicht gerade erleichtert. Darüber hinaus erschweren auch die zunehmenden Unterschiede bei den angebotenen Dienstleistungen und Geschäftsmodellen, die richtige Wahl zu treffen. Um eine nachvollziehbare und nutzenbringende Entscheidung zu fällen, wird ein Kunde vermehrt einen professionellen Prozess bei der Selektion und späteren Kontrolle und Steuerung seiner Berater anwenden. Dienstleister, die diese Mechanismen verstehen, werden sich über die ganze Leistungsspanne, also von der Bewerbung über die Leistungserstellung bis hin zur Rechnungsstellung, beim Kunden richtig einbringen können.
Operative Herausforderungen beim Kunden
Kunden und Rechtsabteilungen in Unternehmen werden durch die Zunahme der Rechtsrisiken, den Zwang zur allgemeinen Effizienzsteigerung und zur Optimierung der operativen Rahmenbedingungen zunehmend herausgefordert. Der konstant steigende finanzielle Druck zwingt den Kunden zu einem noch effektiveren Kostenmanagement. Das bedeutet für den Rechtsdienstleister im Ergebnis, mehr Leistung erbringen zu müssen (more for less) – und das noch besser, schneller und billiger (better, faster, cheaper). Dazu kommt die Beurteilung, ob man eine bestimmte Dienstleistung besser oder günstiger selbst erbringen kann (make) oder ob man (und wenn ja, welche) Leistungen bevorzugt bei Dritten einkaufen will (buy). In diesem Zusammenhang sind auch die Selektion und das Management der externen Rechtsdienstleister professioneller geworden. Dies zeigt sich zum Beispiel an der Einbeziehung der Einkaufsabteilung im Unternehmen, der Durchführung von Ausschreibungen und der Konsolidierung der Anbieter in sogenannten Anwaltspanels. Die Kunden sind überdies generell anspruchsvoller geworden, was auch darauf zurückzuführen ist, dass die Inhouse-Counsels selbst oft voll ausgebildete Anwälte sind, die früher in Anwaltskanzleien praktiziert haben. Zudem wird dem General Counsel heute vermehrt auch ein „Platz am Tisch“ der Geschäftsleitung zugewiesen, was seine Erwartungshaltung an externe Dienstleister weiter verändert.
Die Führung einer Rechtsabteilung kann nicht (mehr) nur nebenbei erledigt werden. Ein General Counsel sieht sich zunehmend gefordert in der Rolle eines Geschäftspartners und Managers mit entsprechender Führungs- und Organisationsverantwortung. Dies verlangt nicht nur juristisches Wissen, sondern auch unternehmerisches Denken und betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Eine wesentliche Komponente der operativen Aufgaben betrifft den Einkauf der rechtlichen Dienstleistungen vor allem bei externen Anwälten, und deren Steuerung. Denn die Kosten für externe Rechtsberatung machen heute einen wesentlichen Bestandteil der gesamten Rechtskosten eines Unternehmens aus. Der hierfür verantwortliche General Counsel muss deshalb in der Lage sein, der Geschäftsleitung die Notwendigkeit dieser Ausgaben und deren Höhe zu erklären.
Legal Sourcing und Projektmanagement als neue Königsdisziplin
Einem Unternehmen stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, den Bedarf an Rechtsdienstleistungen zu decken. Aus Sicht der Manager ist einzig entscheidend, dass sie die Dienstleistung in der gewünschten Form erhalten. Nicht relevant ist, wer sie erbringt. In der Praxis finden sich verschiedene Kombinationen bei Kunden, die gewisse Leistungen mit der eigenen Rechtsabteilung erstellen lassen und andere Arbeiten bei Dritten einkaufen (deshalb make and buy). Will ein Kunde Arbeiten auslagern, muss er sich überdies entscheiden, von welchem Dienstleister er seine Leistungen beziehen will. Denn mittlerweile gibt es für bestimmte Aufgaben – im Vergleich zu den traditionellen Anbietern wie Anwaltskanzleien – sinnvolle Alternativen. Für einen Dienstleister ist es deshalb zunächst von Bedeutung, in Erfahrung zu bringen, welche Leistungen ein Kunde überhaupt sucht und welche davon man wirklich erbringen kann und will. Wenig glaubwürdig erscheint ein Dienstleister, der undifferenziert anbietet, alles machen zu können.
Immer regelmäßiger kommen sogenannte „alternative Rechtsdienstleister“ ins Spiel, also Anbieter, die keine klassischen Anwaltskanzleien sind. Hierzu zählen zunächst sämtliche der Finanz- oder Treuhandbranche nahestehenden Anbieter wie etwa Banken, Treuhandgesellschaften und Rechtsschutzversicherungen. Dann werden künftig die juristischen Ableger der großen Revisions- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Big Four) meines Erachtens wieder eine wichtiger werdende Rolle spielen, weil sie im Vergleich zum Anwalt einem Kunden zusätzliche nützliche Vorteile bieten können. Ferner steigt die Zahl der neuen Anbieter (New Law), die bestimmte Teile der Wertschöpfungskette von Rechtsdienstleistungen übernehmen (etwa Legal Process Outsourcer, spezialisierte Personalvermittler, Such- und Informationsservices, Selbstbedienungs- und Netzwerkplattformen). Schließlich gibt es bereits auch Anwaltskanzleien, die sich nach dem Vorbild der alternativen Anbieter bilden oder sich an diesen orientieren. Dabei richten sich die neuen Dienstleister bewusst nicht mehr am von Anwaltskanzleien erfolgreich angewandten Geschäftsmodell aus, sie betreiben also weder „Maßschneiderei“ von juristischen Dienstleistungen, noch rechnen sie auf der Basis von Stundenhonoraren ab.
Bei der wachsenden Auswahl an möglichen Alternativen ist die Versuchung beim Kunden groß, durch optimale Diversifikation sein Ergebnis zu verbessern. Um jedoch den größtmöglichen Nutzen aus dem Einkauf einzelner Komponenten zu erzielen, hat er dafür zu sorgen, dass die Koordination der Einzelleistungen professionell und effizient erfolgt. Hier kommt die neue Rolle des sogenannten „Legal Project Managers“ zum Tragen, der mit seiner Erfahrung im Projektmanagement punktet. Dieses Konzept sollte einer international tätigen Anwaltskanzlei nicht fremd sein, die bei Großprojekten und Transaktionen als sogenannte „Lead Law Firm“ eingesetzt wird. Dennoch scheint man diese Stärken noch nicht sichtbar multiplizieren zu wollen. Im Wissen darum, dass ein Kunde den One-Stop-Shop – eigentlich den One-Solution-Shop – bevorzugt, würde es sich – vor allem unter dem Gesichtspunkt der langfristigen Kundenbindung – meines Erachtens deshalb lohnen, wenn Anwaltskanzleien dieses Kundenbedürfnis rechtzeitig aufgreifen und ihre Kapazitäten im Projektmanagement bewusster anbieten und ausbauen würden.
Professionalisierter Beschaffungsprozess
Kunden beschaffen sich externe Rechtsdienstleistungen heute aus Kosten- und anderen Gründen in organisierter Form. Dabei verweisen sie die externen Anwälte gern auf das Beispiel der Branche der Wirtschaftsberater, die diese Veränderungen bereits vorweggenommen hat. Externe Anwälte argumentieren dann oft, dass die Erbringung ihrer Leistungen nicht mit dem Einkauf von sogenannten Commodities – also wenig spezifischen und leicht zu erbringenden Dienstleistungen – verglichen werden könne. Ferner wird auf das Vertrauensverhältnis zum Kunden, die Unabhängigkeit und die Verschwiegenheitspflicht des Anwalts hingewiesen. Unabhängig von diesen Argumenten werden große Unternehmen bei der Beschaffung von Rechtsdienstleistungen dennoch einem geordneten Prozess folgen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass immer mehr auch die unternehmensinterne Einkaufsabteilung – als Werkzeug des CEOs und CFOs – am Beschaffungsprozess von Rechtsdienstleistungen beteiligt wird. Das kann insofern ein Ärgernis für interne und externe Anwälte darstellen, als es einen bisher bewährten Prozess neu ordnet. Aber letzten Endes verbessert es das Ergebnis für den Kunden, also das Unternehmen. Deshalb sollten alle Beteiligten die gegenseitigen Stärken und Vorteile eines solchen Prozesses nutzen. Für externe Dienstleister wie Anwaltskanzleien ist übrigens von Bedeutung, dass die ganze Vorbereitungsphase des Beschaffungsprozesses unter Ausschluss der eigentlichen Dienstleister erfolgt. Aber gerade in diesem Zeitfenster ist es für diese entscheidend, dass der Kunde sie bereits kennt, damit sie in der späteren Ausschreibungsphase berücksichtigt werden können.
Relevanz der Serviceelemente und des „weiblichen Faktors“
Externen Anwälten sei empfohlen, bei der Leistungserstellung zwei weitere wesentliche Punkte zu berücksichtigen: die Serviceelemente und den „weiblichen Faktor“. Die juristisch-fachliche Kompetenz dient zunächst (nur) dazu, beim Kunden überhaupt berücksichtigt zu werden. Ist diese erste Hürde erfolgreich genommen, wird die Fachkompetenz stillschweigend vorausgesetzt. Anschließend zählen dann vor allem die sogenannten Servicekriterien als wesentliche Selektions- und Zufriedenheitsfaktoren. Hierzu gehören unter anderem die Kommunikationsfähigkeit, der Umgang mit dem Kunden und andere Soft Skills. Die – vor allem durch externe Anwälte bei einem verlorenen Pitch oft bemühten – Preiskriterien spielen insofern eine untergeordnete Rolle, als ein Kunde durchaus bereit ist, für die richtige Leistung zu bezahlen; er will nur nicht zu viel dafür bezahlen müssen.
Was den zunehmend wichtiger werdenden „weiblichen Faktor“ betrifft, gelten ohnehin gemischte Teams bekanntlich als innovativer, erfolgreicher und profitabler. Als Folge des strikten Up-or-out-Prinzips vor allem in großen Anwaltskanzleien werden überdies auch immer mehr Frauen in Rechtsabteilungen anzutreffen sein, die die Beziehungen zu den Anwaltskanzleien pflegen. Diese Feststellung ist für Dienstleister insofern relevant, als Frauen – im Gegensatz zu Männern – offenbar andere Selektions- und Einkaufskriterien bevorzugen oder anwenden.
Beschaffungsprozess: von der Wiege bis zur Bahre
Die Erkenntnis, dass die Medaille zwei Seiten hat, gilt auch hinsichtlich der Beschaffung von Rechtsdienstleistungen. Die sorgfältige Auswahl und Verhandlung der Rahmenbedingungen ist zwar wichtig, stellt aber nur einen Teil der Gleichung dar. Um als Kunde die erhofften finanziellen Ziele zu erreichen, ist es meines Erachtens noch wichtiger, das Mandat – und damit die Dienstleister – permanent zu kontrollieren und zu steuern. Machen das Kunden nicht oder nicht konsequent, bedeutet das für einen Dienstleister nicht automatisch, dass Kunden nicht dennoch wahrnehmen, wie jemand mit ihrem Geld umgeht. Gerade diese Information beeinflusst, wie zufrieden ein Kunde mit dem durch die anwaltliche Leistung erhaltenen Nutzen ist, und dies wiederum entscheidet über eine Wiederbeauftragung und spätere Empfehlung dieses Anwalts. Diese Entscheidung erfolgt in keinem Zeitpunkt deutlicher als am Ende des Mandats: bei der Rechnungsstellung. Diese vermittelt dem Kunden – quasi im Zeitraffer – einen Überblick über den Ablauf des ganzen Leistungserstellungsprozesses und ob oder wie sorgfältig ein Anwalt mit den ursprünglich geschlossenen Vereinbarungen und den Ressourcen des Kunden umgegangen ist. Die Rechnung stellt deshalb den letzten und meines Erachtens wichtigsten Leistungsindikator dar. In diesem Zeitpunkt gilt nur noch eine einzige Regel: „No surprises!“ Anderenfalls läuft man als Dienstleister Gefahr, das Vertrauensverhältnis zu schädigen oder gar den Kunden zu verlieren, der dann gegenüber Dritten sicher auch keine vorteilhaften Empfehlungen mehr geben wird.
Fazit
Ein Kunde hat heute unterschiedliche Optionen, um seinen Bedarf an Rechtsdienstleistungen zu decken. Er muss mit dem operativen Management des gesamten Leistungserstellungsprozesses überdies größere Herausforderungen meistern. Externe und interne Anwälte, die das erkennen und sich nicht lediglich auf das Erbringen einer juristisch korrekten Auskunft reduzieren, werden einem Kunden den erhofften Mehrwert liefern können. Allen wird deshalb empfohlen, sich frühzeitig auch mit dem Einkaufsverhalten der Kunden auseinanderzusetzen, um sich bei diesen rechtzeitig und richtig einzubringen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass trotz großer zeitlicher und finanzieller Investition in den Aufbau einer exzellenten juristischen Kompetenz am Ende der gewünschte Erfolg dennoch ausbleibt.
Hinweis der Redaktion: Für weiterführende Informationen, Beispiele und Literaturhinweise zum vorliegenden Thema vgl. ausführlich das hierzu gerade erschienene Buch von Bruno Mascello: Beschaffung von Rechtsdienstleistungen und Management externer Anwälte, Schulthess Verlag, Zürich 2015 – www.schulthess.com.
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