Der Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst
Von Sabine Feindura

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Am 11.12.2014 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtige Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst beschlossen. Insbesondere die Quotenregelung für Aufsichtsräte in der Privatwirtschaft ist heftig umstritten. Im Vergleich zum Referentenentwurf weist der aktuelle Entwurf maßgebliche Änderungen auf.

Anwendungsbereich

Nach dem aktuellen Entwurf müssen mindestens 30% beider Geschlechter vertreten sein (1.) in Aufsichtsräten von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften mit in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmern sowie (2.) in Europäischen Aktiengesellschaften, deren Aufsichts- oder Verwaltungsorgan paritätisch mit Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besetzt ist. Auch für den Vorstand und die oberste Managementebene müssen diese Unternehmen verbindliche Zielvorgaben zum Frauenanteil festlegen. Hiervon betroffen sind derzeit lediglich 108 Unternehmen. Der aktuelle Entwurf bezieht nun zusätzlich solche börsennotierte Gesellschaften mit ein, die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen sind und bei denen nach dem „Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung“ (MgVG vom 21.12.2006) das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern bestehen muss; auch für diese Unternehmen ist die Quote nun verpflichtend und nicht wie bisher geplant fakultativ.

Andere mitbestimmungspflichtige oder börsennotierte Unternehmen sind lediglich zur ­Festlegung von Zielvorgaben zum Frauenanteil in Aufsichtsrat, Vorstand und oberster Managementebene verpflichtet. Hierbei handelt es sich laut Angaben des BMJV um derzeit etwa 3.500 Unternehmen.

Die Quote

Bei der Berechnung der Quote weist der Gesetzesentwurf in § 96 Abs. 2 AktG-E einige Änderungen zum bisherigen Referentenentwurf auf. Nach der neuen Regelung ist der Mindestanteil von 30% je Geschlecht nunmehr „insgesamt zu erfüllen“ und nicht mehr von Anteilseignern und Arbeitnehmervertretern separat. Grundsätzlich muss die Quote also bezogen auf die Gesamtzahl der Mitglieder des Aufsichtsrats und nicht bezogen auf die Zahl der Mitglieder der jeweiligen Bank erfüllt sein. Anteilseigner wie auch Arbeitnehmervertreter können jedoch diesem Grundsatz vor jeder Wahl widersprechen; in diesem Fall muss jede Bank für sich die Quote erfüllen. Neutrale Mitglieder nach dem MontanMitbestG sind nach der Begründung des Entwurfs bei der Berechnung außer Betracht zu lassen. Nach dem aktuellen Entwurf kann bei der Berechnung nicht mehr nur aufgerundet, sondern auch abgerundet werden. Die tatsächlich erforderliche Anzahl von Mitgliedern eines Geschlechts kann damit von einer Wahl zur anderen variieren. Besteht ein Aufsichtsrat beispielsweise aus 16 Mitgliedern, muss für eine Gesamterfüllung jedes Geschlecht durch mindestens fünf Personen vertreten sein. Bei getrennter Berechnung und der Möglichkeit abzurunden, muss jedes Geschlecht in jeder Bank lediglich durch zwei Personen vertreten sein, insgesamt genügen also vier Personen. Widerspricht eine Seite nach dem Ausscheiden eines ihrer Mitglieder der Gesamterfüllung und ist die andere Seite nicht der Quote entsprechend besetzt, führt dies gemäß § 96 Abs. 2 Satz 5 AktG-E jedoch nicht dazu, dass deren Besetzung unwirksam wird; der Aufsichtsrat bleibt weiterhin funktionsfähig, es muss aber bei nächster Gelegenheit entsprechend der Quote nachgewählt werden.

Die Quote soll ab dem 01.01.2016 sukzessive eingeführt werden; bis zur Erreichung des Mindestanteils soll bei jeder Neubesetzung ab diesem Stichtag die neu zu besetzende Stelle mit dem unterrepräsentierten Geschlecht besetzt werden. Bestehende Mandate dürfen aber bis zu ihrem regulären Ende wahrgenommen werden.

Verstößt eine Wahl gegen die Quote, ist die Wahl nichtig und der zu besetzende Platz bleibt unbesetzt („leerer Stuhl“). Eine Nichtigkeitsklage ist nicht erforderlich. In diesem Fall kann die Bank der Anteilseigner die Mehrheit im Aufsichtsrat verlieren. Ebenso kann der Aufsichtsrat insgesamt beschlussunfähig werden. Der Verstoß kann außerdem eine Verletzung der Überwachungspflichten des Vorstands und des Aufsichtsrats darstellen und die allgemeine Haftung nach dem AktG nach sich ziehen (Schadenersatzpflicht gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG bzw. § 116 AktG). Der aktuelle Entwurf trifft leider auch weiterhin keine differenzierte Regelung für den Fall, dass mehrere Sitze simultan besetzt werden und die sich ergebende Besetzung gegen die Quotenregelung verstößt. Wird eine Blockwahl unter Quotenverstoß durchgeführt, ist die Wahl hinsichtlich aller Mitglieder des überrepräsentierten Geschlechts nichtig. Die Gesetzesbegründung rät insoweit – wie schon der Corporate Governance Codex (Ziffer 5.4.3) – zur Einzelwahl.

Bestimmung von Zielvorgaben

Der aktuelle Entwurf weicht hinsichtlich der Regelungen zur Bestimmung der Zielvorgaben kaum vom Referentenentwurf ab. Die Festlegung der Zielvorgaben hat weiterhin zwischen dem Status quo und der 30-%-Marke zu erfolgen, sofern der Status quo diese nicht bereits überschreitet. Unterhalb der 30-%-Marke gilt das sogenannte Verschlechterungsverbot. Der Entwurf enthält nach wie vor keinen Mindestwert für die Zielvorgaben. Bis zum 30.06.2015 müssen die Zielvorgaben für den Frauenanteil sowohl im Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 5 AktG-E als auch auf den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands nach § 76 Abs. 4 AktG-E festgelegt werden. Diese ersten Zielvorgaben müssen innerhalb von zwei Jahren erfüllt werden. Für die Umsetzung der darauf folgenden Zielvorgaben darf sich das Unternehmen bis zu fünf Jahre – bisher drei Jahre – Zeit lassen. Führungsebenen im Sinne des § 76 Abs. 4 AktG-E sind nach der Entwurfsbegründung nicht nach betriebswirtschaftlichen Lehren zu bestimmen, maßgeblich sind vielmehr die im konkreten Unternehmen tatsächlich bestehenden Hierarchieebenen unterhalb des Vorstands. Unternehmen müssen die Ziele veröffentlichen und über deren Erreichung berichten. Anstelle von Sanktionen setzt der Entwurf insoweit auf den Druck durch die Öffentlichkeit, auch um Unternehmen nicht davon abzuhalten, sich ambitionierte Ziele zu setzen. Im Fall des § 111 Abs. 5 AktG-E kann die Verletzung der Pflicht durch den Aufsichtsrat allerdings die allgemeine Schadenersatzpflicht nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG bzw. § 116 AktG auslösen.

Offen Fragen

Trotz erheblicher Kritik an der Verfassungsmäßigkeit (dazu näher u.a. Habersack/Kersten BB 2014, 2819; Stellungnahme DAV NZG 2014, 1214) sieht auch der aktuelle Entwurf keine Möglichkeit zur Abweichung von der Quote vor, falls geeignete Bewerber oder Bewerberinnen nicht zur Verfügung stehen.

Bedauerlicher ist, dass das Verhältnis des Gesetzes zum AGG auch weiterhin offen bleibt. Ob sich Unternehmen, die zum Zwecke der Quotenerfüllung Frauen bevorzugen, Schadenersatzansprüchen von Männern nach dem AGG aussetzen oder ob die Quotenerfüllung als positive Maßnahme im Sinne des § 5 AGG solche Risiken ausschließt, ist weiterhin unklar (Näheres dazu Ohmann-Sauer/Langemann NZA 2014, 1120).

Ausblick

Mit dem Gesetzesentwurf ist das letzte Wort zur Quote mit Sicherheit noch nicht gesprochen. Allein wegen der geplanten Quoten-Richtlinie aus Brüssel (COM(2012) 614 final) ist mit weiteren Änderungen zu rechnen.

feindura[at]buse.de

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