Im Blickpunkt: Änderung der Verlustverrechnung bei Körperschaften
Von Dr. Johannes Stehr
Der Deutsche Bundestag hat am 01.12.2016 das Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften beschlossen, dem der Bundesrat am 16.12.2016 zugestimmt hat.
Ziel des Gesetzes ist die Beseitigung steuerlicher Hemmnisse bei der Unternehmensfinanzierung durch Neueintritt oder Wechsel von Anteilseignern. Hier geht es insbesondere um die Eröffnung der Möglichkeit für Körperschaften, nicht genutzte Verluste trotz eines qualifizierten Anteilseignerwechsels weiterhin nutzen zu können, wenn der Geschäftsbetrieb der Körperschaft nach dem Wechsel erhalten bleibt und eine anderweitige Verlustnutzung ausgeschlossen ist. Dadurch sollen insbesondere junge Technologieunternehmen gefördert werden, die neue Wagniskapitalgeber als Investoren gewinnen.
Bisherige Regelung
Bislang wurde der Verlustabzug bei Körperschaften (etwa GmbH oder AG) durch § 8c KStG geregelt. Danach geht ein Verlustvortrag vollständig unter, wenn mehr als 50 Prozent der Anteile an der Körperschaft innerhalb von fünf Jahren auf einen Erwerber übertragen werden, oder anteilig bei mehr als 25 Prozent (bis 50 Prozent). Hinsichtlich des Verlustuntergangs macht das Gesetz nur in engen Grenzen eine Ausnahme, nämlich für bestimmte Übertragungen im Konzern (Konzernklausel) und wenn zum Zeitpunkt des schädlichen Erwerbs stille Reserven (Stille-Reserven-Klausel) vorhanden sind.
Die Regelung des § 8c KStG wurde immer wieder kritisiert, da sie auch zu einem Verlustuntergang bei einer wirtschaftlich notwendigen Kapitalzuführung führen konnte. Aufgrund des „Untergangs“, der allein an die formale Voraussetzung eines Gesellschafterwechsels anknüpft und nicht nach einem rechtfertigenden Grund fragt, bestehen auch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 8c KStG, die bereits zu einer Vorlage beim Bundesverfassungsgericht geführt haben.
Neuerungen
Nach dem neuen Gesetz ist nun ein neuer Paragraph ins Gesetz eingefügt worden. Mit dieser Regelung bleibt auf Antrag die Verlustnutzung – entgegen § 8c KStG – bestehen, solange der Geschäftsbetrieb der Körperschaft, der in den drei Veranlagungszeiträumen vor Antragstellung unterhalten wurde, unverändert fortgeführt wird (sogenannte Fortführungserfordernis).
Wird das Fortführungserfordernis erfüllt, führt ein schädlicher Beteiligungserwerb im Sinne des § 8c KStG nicht zum Verlustuntergang. Der verbleibende Verlust wird als sogenannter „fortführungsgebundener Verlustvortrag“ gesondert in einem Steuerbescheid festgestellt.
Sollte das Erfordernis hingegen verletzt werden, bevor der Verlustvortrag verbraucht wurde, führt der neue § 8d KStG dazu, dass der fortführungsgebundene Verlustvortrag nicht mehr genutzt werden kann. In dem Anwendungsbereich des Paragraphen gilt aber auch die Stille-Reserven-Klausel. Soweit der bestehende Verlustvortrag durch in der Verlustgesellschaft vorhandene stille Reserven gedeckt ist, geht der Verlust also nicht unter; diese Beurteilung erfordert jedoch eine Unternehmensbewertung.
Zentraler Begriff der Neuregelung ist also der Geschäftsbetrieb; dieser muss fortgeführt werden, um den Verlustvortrag trotz Anteilseignerwechsel zu erhalten. Der Geschäftsbetrieb umfasst nach der gesetzlichen Definition die von einer einheitlichen Gewinnerzielungsabsicht getragenen, nachhaltigen, sich gegenseitig ergänzenden und fördernden Betätigungen der Körperschaft und bestimmt sich an qualitativen Merkmalen in einer Gesamtbetrachtung. Diese Merkmale sind angebotene Dienstleistungen oder Produkte, Kunden- und Lieferantenkreise, bediente Märkte und die Qualifikation von Arbeitnehmern.
Nach der Neuregelung wird das Fortführungserfordernis – ohne zeitliche Grenze – beispielsweise bei der Einstellung oder bei einem zeitweisen Ruhendstellen des Geschäftsbetriebs, bei einem Wechsel der Branche und bei der Aufnahme eines weiteren Betriebs verletzt. Es ist auch schädlich, wenn die Körperschaft sich an einer Mitunternehmerschaft beteiligt, die Körperschaft die Stellung eines Organträgers einnimmt oder auf diese Wirtschaftsgüter übertragen werden, die sie zu einem geringeren als dem gemeinen Wert ansetzt.
Das neue Gesetz tritt rückwirkend zum 01.01.2016 in Kraft, womit der neue § 8d KStG also rückwirkend auf schädliche Beteiligungserwerbe im Sinne des alten Paragraphen angewendet wird, die nach dem 31.12.2015 erfolgten oder erfolgen werden. Ein fortführungsgebundener Verlustvortrag wird daher frühestens für den 31.12.2016 wirksam.
Fazit
Die gesetzliche Neuregelung ist grundsätzlich zu begrüßen. Die bisherige Besteuerungspraxis hat gezeigt, dass Fälle auftreten, in denen ein Verlustuntergang wirtschaftlich nicht gerechtfertigt und zur Missbrauchsvermeidung nicht erforderlich ist. Mit der Neuregelung können nun nicht genutzte Verluste auch nach einem Anteilseignerwechsel weiterhin steuermindernd bei der Verlustgesellschaft berücksichtigt werden, sofern diese denselben Geschäftsbetrieb fortführt. Damit werden die Finanzierungsmöglichkeiten von jungen Unternehmen verbessert, die häufig Anfangsverluste erzielen und neues Kapital zur Fortführung des Betriebs benötigen. Auch Sanierungen werden dadurch erleichtert. Der Gesetzgeber verbessert damit insgesamt die Rahmenbedingungen für Wagniskapital in Deutschland und setzt damit eine der Vereinbarungen des Koalitionsvertrages um.
Manche der Rückausnahmen, die einen Verlust doch untergehen lassen, beispielsweise die Aufnahme eines weiteren Geschäftsbetriebs, scheinen aber überzogen und für eine Missbrauchsvermeidung nicht erforderlich. Zudem ist der neue § 8d KStG komplex und bietet im Einzelnen durchaus Auslegungsschwierigkeiten. Es ist daher zu erwarten, dass sich die Finanzgerichte zeitnah intensiv mit der gesetzlichen Neuregelung beschäftigen werden müssen. Es wurde auch schon die Meinung geäußert, § 8d KStG verstoße gegen europarechtliche Beihilferegelungen – diese Tatsache würde die Dinge noch komplexer machen.
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