Der BGH untersagt Sozietäten und Bürogemeinschaften von Anwälten mit Mediatoren und Berufsbetreuern – wie geht es nun weiter?
Von Dr. Reiner Ponschab
Die Möglichkeiten für Anwälte, mit anderen Berufen Sozietäten einzugehen, werden seit vielen Jahren gegen die Bestrebungen der konservativen Kreise der Anwaltschaft, insbesondere der Rechtsanwaltskammern und Anwaltsgerichte, erweitert. Der bereits in den 70er Jahren angestrebte Zusammenschluss mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, der heute als selbstverständlich erscheint, wurde beispielsweise als „Ökonomisierung des Anwaltsstandes“ angesehen [vgl. Wüst, JZ 1989, 270 (276)]. Auch der Zusammenschluss mit Steuerbevollmächtigten und vereidigten Buchprüfern war erheblichen Widerständen ausgesetzt (vgl. Römermann, in Beck OK BRAO, Stand 01.03.2018, Rnr. 12 zu § 59a). Der Erfolg der multidisziplinären Partnerschaften aus Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern lässt jedoch den Druck auf die Rechtsprechung und den Gesetzgeber wachsen, Sozietäten mit weiteren Berufsgruppen zuzulassen. Hinzu kommt natürlich auch der Umstand, dass Anwaltskanzleien zunehmend gezwungen sind, aus verschiedenen Gründen Tätigkeiten auszulagern und auf Dritte zu übertragen. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber durch die §§ 53a und 97 StPO Rechnung getragen und das Recht zur Zeugnisverweigerung und das Beschlagnahmeverbot auch auf diesen Personenkreis erweitert.
Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
Gegen den „amtlichen“ Widerstand waren Entscheidungen höchster Gerichte erforderlich, um eine Sozietät zwischen Anwälten sowie Apothekern und Ärzten zu ermöglichen und die Regelung des § 59a BRAO insoweit als verfassungswidrig zu erklären. In diesem Fall hatte sich allerdings nicht eine Rechtsanwaltskammer dieser Sozietätsform widersetzt, vielmehr hatte das zuständige Registergericht die Eintragung einer Partnerschaftsgesellschaft mit dem Hinweis auf § 59a BRAO verweigert. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsteller hatte der für Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des BGH wegen erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken beim Bundesverfassungsgericht um Entscheidung über die Vereinbarkeit des § 59a BRAO mit dem Grundgesetz nachgesucht (NJW 2013, 2674). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner vielbeachteten Entscheidung (NJW 2016, 700) die Verfassungswidrigkeit der untersagten Erweiterung von Anwaltssozietäten festgestellt. Nach seiner Meinung soll § 59a BRAO die Wahrung beruflicher Geradlinigkeit im Sinne des § 43a BRAO durch die strafbewehrte Verpflichtung zur Verschwiegenheit, das Recht zur Zeugnisverweigerung, das Beschlagnahmeverbot sowie das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen garantieren. Da auch bei Ärzten und Apothekern eine strafbewehrte Verschwiegenheitspflicht, das Recht auf Aussageverweigerung und das Beschlagnahmeverbot gegeben seien, würde das Verbot einer Sozietät einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit nach Artikel 12 GG bedeuten. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht durchaus gesehen, dass sich bei beiden Berufsgruppen auch Differenzen im Umfang ihrer Berufspflichten ergeben könnten. Diese hätten aber nicht eine derartige Bedeutung, dass sie einen Eingriff in die Berufsfreiheit rechtfertigten. Zudem würden sich diese Probleme auch bei einer Zusammenarbeit mit den in § 59a BRAO genannten Berufsträgern ergeben, was der Gesetzgeber akzeptiert hätte. Die Regelung des § 59a BRAO sei daher insoweit wegen Verstoßes gegen Artikel 12 GG verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat somit eine weitere Bresche in den Schutzwall gegen Sozietätserweiterungen von Rechtsanwälten geschlagen. Wie lange wird dieser geschwächte Wall noch standhalten?
Die versuchte „Schadensbegrenzung“ des Anwaltssenats des BGH
Der Befürchtung, die vorstehend genannte Bresche könnte sich zu einem Mauerfall erweitern, hat der eher konservative Anwaltssenat des BGH in einer ebenfalls vielbeachteten Entscheidung einen Riegel vorgeschoben [BGH AnwZ (Brfg) 32/17)]. Der Kläger in diesem Verfahren betrieb zunächst eine Anwaltssozietät mit einem Kollegen. Er hatte dann auf seine Rechte aus seiner Anwaltszulassung verzichtet, weil er sich zukünftig ausschließlich auf die Tätigkeit als Mediator und rechtlicher Betreuer beschränken wollte. Daraufhin erhielt er von der zuständigen Kammer eine missbilligende Belehrung, gegen die er sich zur Wehr setzte. Anders als in der vorstehend genannten Entscheidung ging dieser Fall nicht über den Beschluss eines Registergerichts zum gesellschaftsrechtlich orientierten II. Senat des BGH, sondern den „Weg des Standesrechts“ über die „missbilligende Belehrung“ einer Anwaltskammer zum Anwaltssenat des BGH, der, anders als der II. Senat des BGH, keinen Grund zur Vorlage an das BVerfG erkennen konnte und die Berufung zurückwies. Hier zeigt sich wieder einmal, dass ein bedachter Anwalt bei der gerichtlichen Prüfung von Grundsatzfragen gut beraten ist, sich auch Gedanken über den Rechtsweg seines Anliegens zu machen.
Nach Auffassung des Anwaltssenats handelt es sich bei der Vorschrift des § 59a BRAO um eine Berufsausübungsregelung von erheblichem Gewicht für die Rechtsanwälte. Deshalb habe der Gesetzgeber bewusst die Zulässigkeit der interprofessionellen Sozietät auf die gemeinsame Berufsausübung mit Angehörigen bestimmter wirtschaftsberatenden Berufe mit Bezug zur Rechtsberatung beschränkt. Daher gebe § 59a BRAO als eine abschließende Regelung keine Möglichkeit zu einer erweiternden verfassungskonformen Auslegung, weil sie zu dem Wortlaut des Gesetzes und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch stünde. Auch bestehe keine Veranlassung für eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht. Auf die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts inzwischen geltenden §§ 53a und 97 StPO ging der Senat nicht näher ein, obwohl der Gesetzgeber mit diesen Vorschriften die Verschwiegenheitspflicht und das Beschlagnahmeverbot inzwischen auch auf Personen, die in oder für Anwaltskanzleien mitwirken, erstreckt hatte.
Die Forderung der Anwaltschaft nach Erweiterung der sozietätsfähigen Berufe
Beeindruckt von dem großen Erfolg der multidisziplinären Partnerschaften von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, drängen seit längerer Zeit maßgebliche Vertreter der Anwaltschaft aus dem Deutschen Anwaltverein (DAV) auf eine Erweiterung der Sozietätsmöglichkeiten für Anwälte. In seiner Stellungnahme vom Dezember 2017 (Stellungnahme Nr. 58/2017) empfiehlt der DAV eine Überarbeitung der gesetzlichen Vorgaben für die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit anderen Berufsgruppen; zu diesem Zweck soll der Kanon der zugelassenen Berufsgruppen in § 59a BRAO erweitert werden, soweit die anwaltliche Unabhängigkeit, die Pflicht zur Verschwiegenheit und das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nicht gefährdet sind. Zusätzlich zu den bisher genannten Berufen werden Architekten und Ingenieure, zertifizierte Mediatoren, beratende Volks- und Betriebswirte und hauptberufliche Sachverständige beispielhaft (aber nicht abschließend) genannt. Durch eine entsprechende Erweiterung von § 203 StGB soll auch die unbefugte Weitergabe beruflicher Geheimnisse durch Angehörige der vorstehend genannten Berufe strafbar sein. Andererseits aber soll, ebenso wie bei den berufsmäßig für den Anwalt tätigen Gehilfen, kein Offenbaren von Berufsgeheimnissen vorliegen, soweit deren Weitergabe für die Bearbeitung gemeinsamer Mandate oder die gemeinsame Berufsausübung erforderlich ist. Die jüngere Anwaltsgeneration drängt, wie sich aus Umfragen ergibt, überwiegend auf die Erweiterungsmöglichkeiten des Zusammenschlusses aller freien Berufe (Kilian, NJW 2018, 1656,1657).
Auch die EU-Kommission – allerdings mit Blick auf Marktzugangsbeschränkungen der Mitgliedstaaten – drängt seit vielen Jahren darauf, die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufen zu erweitern, und bemängelt insbesondere die Einschränkungen multidisziplinärer Dienstleistungen [Mitteilung „Den Binnenmarkt weiter ausbauen: mehr Chancen für die Menschen und die Unternehmen“, COM (2015) 550 final, Ziff. 2.3, S. 10 – https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2015/DE/1-2015-550-DE-F1-1.PDF] und rügt im Länderbericht 2017 die besonderen Probleme, die sich für den freiberuflichen Dienstleistungsbereich in Deutschland insbesondere durch restriktive Zulassungsanforderungen etc. ergäben [Länderbericht Deutschland 2016, SWD (2016) 75 final, Ziff. 2.6, S. 67 ff. (http://ec.europa.eu/europe2020/pdf/csr2016/cr2016_germany_de.pdf)]. Da nicht davon auszugehen ist, dass die Anwaltschaft oder die EU-Kommission in ihrem Druck auf die Bundesregierung nachlassen werden, ist wohl in dieser Legislaturperiode noch mit einer Erweiterung der zulässigen Sozietätsberufe zu rechnen. Auch das Bundesverfassungsgericht dürfte die Festung des § 59a BRAO bei sich bietender Gelegenheit weiter schleifen.
Überleben in der Praxis
De lege lata stellt sich die Frage, wie Berufsangehörige anderer Berufsgruppen mit Rechtsanwälten zusammenarbeiten können, ohne den Vorwurf der Unzulässigkeit durch die Rechtsanwaltskammern zu riskieren.
Ein Vorschlag geht dahin, dass Rechtsanwälte mit den Angehörigen anderer freier Berufe eine vertragliche Zusammenarbeit vereinbaren, die als Mitwirkung im Sinne der §§ 53a und 97 StPO angesehen werden kann (Kilian, ZKM 2018, 100, 103/104).
Eine andere Möglichkeit wäre es, die Tätigkeit des Anwalts mit nichtanwaltlichen Mediatoren in eine gesonderte Gesellschaft auszulagern, in der die verbundenen Berufsträger einzig ihre Tätigkeit als Mediator oder Ähnliches ausüben, während die Tätigkeit in den Grundberufen getrennt von diesem Zusammenschluss ausgeübt wird.
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