Im Blickpunkt: Compliance und Antikorruptionsrecht in Frankreich

Ein Gastbeitrag von Bénédicte Querenet-Hahn und Grit Karg

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In Frankreich gelten seit dem Gesetz zur Transparenz, zum Kampf gegen die Korruption und zur Modernisierung der Wirtschaft (sogenanntes Gesetz Sapin II) vom 09.12.2016 verschärfte Vorschriften im Kampf gegen Korruption. Erstmals wurde eine Pflicht zur Einrichtung eines Complianceprogramms für Unternehmen einer bestimmten Größe  eingeführt. Daneben wurden der Schutz von Whistleblowern verstärkt, eine neue Antikorruptionsbehörde geschaffen und ein strafrechtlicher Deal zugunsten von Unternehmen vorgesehen.

Verpflichtende Einrichtung eines Complianceprogramms

Erstmals können Unternehmen auf Grundlage des sogenannten Gesetzes Sapin II verpflichtet sein, als präventive Maßnahme ein Complianceprogramm im Bereich der Korruptionsbekämpfung einzurichten. Die betroffenen Unternehmen beschäftigen mehr als 500 Arbeitnehmer und erwirtschaften einen Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro, oder es sind Unternehmen, die einer Gruppe angehören, die mehr als 500 Arbeitnehmer umfasst und einen konsolidierten Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro erwirtschaftet und deren Muttergesellschaft ihren Sitz in Frankreich hat.

Wenngleich in erster Linie die Unternehmen selbst gefordert sind zu handeln, gibt das Gesetz die inhaltlichen Anforderungen an ein Complianceprogramm vor. Folgende Maßnahmen müssen eingeführt werden:

  • Ein Verhaltenskodex soll diejenigen Verhaltensweisen definieren, die auf Korruption oder unerlaubte Einflussnahme hinweisen können.
  • Ein internes Whistleblowingverfahren soll den Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnen, auf Situationen aufmerksam zu machen, die nicht im Einklang mit dem Verhaltenskodex stehen.
  • Das Unternehmen muss regelmäßig eine Risikoanalyse durchführen, die Korruptionsrisiken des Unternehmens identifiziert und bewertet.
  • Kunden, direkte und indirekte Zulieferer müssen hinsichtlich des mit ihnen verbundenen Risikos bewertet werden.
  • Die Rechnungslegung des Unternehmens muss internen und externen Prüfungen unterzogen werden, damit sichergestellt wird, dass Bücher, Register und Konten nicht zur Verschleierung von Korruption oder unerlaubter Einflussnahme genutzt werden.
  • Leitende Angestellte sowie Arbeitnehmer, die dem Risiko von Korruption am stärksten ausgesetzt sind, müssen spezifisch geschult werden.
  • Für den Fall von Verstößen gegen den Verhaltenskodex durch Arbeitnehmer müssen disziplinarische Sanktionen vorgesehen sein.
  • Schließlich muss das Unternehmen die im Rahmen seines Complianceprogramms eingerichteten Maßnahmen und Verfahren regelmäßig kontrollieren und deren Wirksamkeit bewerten.

Im Fall eines Verstoßes gegen die Präventionspflicht kann eine einfache Abmahnung erfolgen oder eine Geldstrafe verhängt werden. Für natürliche Personen kann die Geldstrafe bis zu 200.000 Euro betragen und für juristische bis zu 1 Million Euro.

Die Einführung eines Complianceprogramms kann neuerdings auch als Nebenstrafe im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Korruption und unerlaubter Einflussnahme verhängt werden. In diesem Fall erfolgt die Einführung unter Aufsicht der Antikorruptionsagentur.

Schutz von Whistleblowern

Der Schutzstandard von Whistleblowern war in Frankreich aus Angst vor Denunziationen traditionell sehr gering, was der französische Gesetzgeber nun geändert hat. Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmern sind nunmehr verpflichtet, ein Whistleblowingsystem einzurichten, das den Mitarbeitern eine Hinweiserteilung und dem Unternehmen eine interne Ermittlung ermöglicht.

Das Verfahren muss die absolute Vertraulichkeit der Identität sowohl des Whistleblowers gewährleisten als auch der Personen, auf die sich die Angabe bezieht. Das gilt ebenfalls für die übermittelten Informationen.

Um gesetzlich geschützt zu sein, muss sich der Whistleblower seinerseits an bestimmte Regeln halten. So muss er sich zuerst an seinen direkten oder indirekten Vorgesetzten, seinen Arbeitgeber oder dessen Vertreter wenden. Erfolgt keine interne Reaktion, ist der Whistleblower berechtigt, sich an Verwaltungs- sowie Strafverfolgungsbehörden oder an die Berufsverbände zu wenden. Gehen diese Stellen dem Hinweis nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach, kann der Whistleblower die Tatsachen veröffentlichen. Nur im Fall einer schwerwiegenden und unmittelbar bevorstehenden Gefahr oder des Risikos irreversibler Schäden ist er berechtigt, seinen Hinweis direkt an die Behörden zu übermitteln und diesen zu veröffentlichen.

Der Hinweisgeber muss gutgläubig sein, uneigennützig, und er darf nicht aus finanziellen Motiven handeln sowie die Aufdeckung von vorwerfbarem Verhalten nicht beruflich betreiben (wie Arbeitsinspektoren, Richter oder investigative Journalisten). Informationen, die unter das nationale Verteidigungsgeheimnis sowie unter die ärztliche oder anwaltliche Schweigepflicht fallen, sind keine Informationen, die im Rahmen eines Whistle­blowingsystems preisgegeben werden können.

Das Behindern eines Whistleblowers wird mit einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und/oder einer Geldstrafe in Höhe von 15.000 Euro bestraft.

Zum Schutz von Whistleblowern sieht das Gesetz eine Offenlegung der den Hinweisgeber identifizierenden Daten außer an die Gerichtsbehörden nur vor, wenn der Betroffene zustimmt. Im Übrigen soll seine strafrechtliche Verfolgung ausgeschlossen sein, wenn die Informationsweitergabe im Hinblick auf den Schutz der gefährdeten Interessen notwendig und angemessen war und unter Einhaltung des gesetzlich definierten Hinweisgeberverfahrens erfolgt ist.

Zudem erfährt der Whistleblower einen besonderen Schutz gegenüber seinem Arbeitgeber. Demnach kann er nicht von einem Bewerbungsverfahren, einem Praktikum oder einer Weiterbildung ausgeschlossen werden. Ebenso darf er nicht sanktioniert, gekündigt oder anderweitig direkt oder indirekt diskriminiert werden (Gehalt, Beförderung, Versetzung oder Weiterbeschäftigung).

Einrichtung einer Antikorruptionsagentur

Die seit 1993 bestehende Behörde zur Korruptionsvorbeugung wird durch eine neue Antikorruptionsagentur ersetzt. Diese übernimmt die Aufgaben der früheren Behörde und erhält gleichzeitig erweiterte Handlungskompetenzen. Ermittlungsbefugnisse zur Aufdeckung von Korruption hat die Agentur nicht.

Im Verhältnis zu Unternehmen hat die Antikorruptionsagentur insbesondere folgende Aufgaben:

  • die Einhaltung und Umsetzung der vorgeschriebenen Maßnahmen zur Korruptionsvorbeugung zu kontrollieren;
  • Empfehlungen zur Unterstützung der Unternehmen bei der Erstellung ihrer Complianceprogramme auszuarbeiten. Diese Empfehlungen sollen regelmäßig aktualisiert und im Gesetzesblatt (Journal Officiel) veröffentlicht werden. Dabei sollen die Größe des Unternehmens sowie die Art der festgestellten Risiken Berücksichtigung finden;
  • die Einhaltung des Gesetzes Nr. 68-678 vom 26.07.1968 (Loi de Blocage – sogenanntes Sperrgesetz) bei Verfahren zur Herstellung der Rechtmäßigkeit durch ausländische Behörden zu überwachen.

Zu Zwecken der Kontrolle der Einhaltung der Pflicht zur Einführung eines Complianceprogramms kann die Antikorruptionsagentur

  • die Vorlage aller Geschäftsdokumente sowie aller Informationen anfordern;
  • vor Ort überprüfen, ob die zur Verfügung gestellten Informationen zutreffend sind, und
  • alle Personen anhören, welche die Agentur für erforderlich hält.

Strafrechtlicher „Deal“

Das französische Strafrecht sieht neben der Strafbarkeit natürlicher Personen auch eine Strafbarkeit juristischer Personen vor. Wird ein Unternehmen wegen einer Wirtschaftsstraftat verurteilt, ist es automatisch für einen Zeitraum von fünf Jahren für alle öffentlichen Vergabeverfahren gesperrt, was die Fortführung der Geschäftstätigkeit erheblich beeinträchtigen, wenn nicht sogar beenden kann.

Das neue Gesetz sieht nun in den Bereichen Korruption und Geldwäsche die Möglichkeit des Abschlusses eines strafrechtlichen Vergleichs mit der Staatsanwaltschaft vor. Die Strafzahlung, die dem Unternehmen in diesem Rahmen auferlegt werden kann, ist auf 30% des von dem Unternehmen durchschnittlich während der vergangenen drei Jahre erzielten Umsatzes beschränkt. Der Vorteil für das Unternehmen ist insbesondere, dass weder ein Schuldanerkenntnis abgegeben werden muss noch eine Verurteilung erfolgt. Die Sperrung für Vergabeverfahren bleibt den Unternehmen damit erspart.

Die Erfüllung der Vergleichsbedingungen beendet das Strafverfahren. Die Geschädigten sind allerdings weiterhin berechtigt, ihre Schadensersatzansprüche vor einem Zivilgericht geltend zu machen. Weiterhin ist die Einstellung des Strafverfahrens auf das Unternehmen als juristische Person beschränkt. Ihre rechtlichen Vertreter können so auch nach Abschluss eines strafrechtlichen Vergleichs weiterhin strafrechtlich verfolgt werden.

Schließlich muss sich das Unternehmen verpflichten, unter der Aufsicht der Antikorruptionsagentur während eines Zeitraums von maximal drei Jahren ein Complianceprogramm einzuführen.

Fazit

Durch die Pflicht zur Einführung eines Complianceprogramms zur Vorbeugung und Aufdeckung von Korruption, die seit dem 01.06.2017 in Kraft getreten ist, hat sich Frankreich den internationalen Standards angeglichen. Die Verfolgung französischer Unternehmen durch ausländische Behörden, insbesondere aus den USA und Großbritannien, kann damit eingeschränkt werden, allerdings nur insoweit, als Unternehmen tatsächlich ihrer Präventionspflicht nachkommen und ein effektives und lebendiges System einrichten.

hahn@gg-v.net

karg@gg-v.net

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