Greenberg Traurig ist seit einem halben Jahr in Deutschland am Start:
Deutscher AnwaltSpiegel im Gespräch mit Dr. Christian Schede

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Vor etwa neun Monaten wurde im Rechtsmarkt bekannt, dass die 14 Partner und über 40 Associates des Berliner Olswang-Büros komplett wechseln und für die US-Kanzlei Greenberg Traurig ein Büro in Deutschland eröffnen werden. Seitdem ist viel passiert – unter anderem sind in London initiierte Fusionsgespräche mit der britischen Sozietät Berwin Leigthon Paisner jüngst geplatzt. Grund genug also, um nach sechs Monaten eine erste Bilanz zu ziehen. Thomas Wegerich sprach mit Dr. Christian Schede.

Deutscher AnwaltSpiegel: Greenberg Traurig ist inter­national eine Größe mit weltweit 1.900 Berufsträgern und jetzt 38 Standorten, in Deutschland aber weitgehend unbekannt. Wie gehen Sie damit um?

Schede: Nun, es ist ja so, dass wir im Markt durchaus als Schnellboot unter den führenden Großkanzleien bekannt sind – und in den ersten sechs Monaten hat sich auch sehr viel getan. Schon die Nachricht über unseren Wechsel hatte sich im Markt wie ein Lauffeuer verbreitet. Inzwischen sind auch alle Anwaltsverzeichnisse umgestellt und führen uns unter „Greenberg Traurig“ in den Spitzenpositionen in Deutschland – ob bei M&A und Finanzierung für die Immobilienbranche oder bei Technologie und Medien. Und auf den für uns relevanten Branchentreffpunkten ist Greenberg Traurig inzwischen als Marke gesetzt.

Deutscher AnwaltSpiegel: Das Berliner Büro hatte sich schon unter der Olswang-Brand hervorragend ­entwickelt. Weshalb fiel die Entscheidung für einen ­Newcomer im deutschen Rechtsmarkt und nicht für eine hier bereits etablierte Sozietät?

Schede: Natürlich haben wir uns umgeschaut, und es ist bekannt, dass wir im vergangenen Jahr auch mit anderen Häusern Gespräche geführt haben. Die Option, mit der eingespielten Mannschaft des Berliner Büros eine Stand-alone-Lösung anzugehen, haben wir schnell verworfen. Denn unsere Mandanten sind seit jeher international – deshalb müssen auch wir global aufgestellt sein. Und die Nachwuchstalente, die wir gewinnen wollen, suchen ein internationales Umfeld. Ausschlaggebend für unsere Entscheidung für Greenberg Traurig war jedoch der klar erkennbare strategische und kulturelle Fit: Greenberg Traurig bietet uns eine seltene Kombination von globaler Präsenz und vollständiger Integration mit lokaler unternehmerischer Entscheidungsfreiheit. Dies und die Tatsache, dass es keine Vorgaben eines zentralen Managements gibt, bieten uns die Chance zum selbstbestimmten Wachstum. Schließlich: Beratungsprodukte, Karrierewege und Selbstverständnis – all das passt erkennbar zueinander.

Deutscher AnwaltSpiegel: Wie war seinerzeit die Reaktion der Mandanten, und wie hat sich im ­vergangenen halben Jahr Ihr Geschäft entwickelt?

Schede: Lassen Sie es mich so formulieren: Für unsere Mandanten ist nicht in erster Linie entscheidend, unter welcher Flagge wir segeln – hier sind meine Partner und ich durchaus sehr selbstbewusst. Das liegt daran, dass viele unserer Mandanten bereits langjährige Weggefährten von uns sind. Es kam so, wie wir es erwartet hatten: Unsere Mandanten haben uns schon zum Start ein sehr positives Feedback gegeben. Inzwischen können wir sagen: Unsere Mandanten sind uns alle gefolgt und erkennen die Chance, die unsere neue globale Aufstellung auch ihnen eröffnet.

Deutscher AnwaltSpiegel: Wie habe ich mir den inzwischen ja schon fortgeschrittenen Integrationsprozess der Berliner Einheit in das Gefüge einer ­internationalen Großkanzlei vorzustellen?

Schede: Entscheidend war das rasche Kennenlernen aller Beteiligten über möglichst viele Kanäle. Schon zur Eröffnung im Oktober waren etwa 30 Partner aus den USA, London, Tel Aviv, Schanghai, Warschau und Amsterdam hier in Berlin. Bereits im Oktober gab es gemeinsame Auftritte der Immobilienteams aus den USA und den europäischen Standorten bei der Expo Real in München und jüngst bei der MIPIM in Cannes. Auch bei der Berlinale präsentierte sich unser Media- & Entertainment- Team zusammen mit Partnern aus Amerika und europäischen Standorten. Auch bei unseren Veranstaltungen für die Technologiebranche in Berlin und München waren wir international repräsentiert. Natürlich sind auch unsere deutschen Partner viel gereist, um uns in den verschiedenen internationalen Büros, einschließlich derer in den USA, zu präsentieren und zu vernetzen. Im April trafen sich zum ersten Mal alle europäischen Associates in Warschau, gefolgt vom ersten europäischen Partnertreffen. So war es keine Überraschung, dass es schnell zu gemeinsamen Pitches mit unseren neuen Partnern kam. Das hat alles wirklich sehr gut funktioniert.

Deutscher AnwaltSpiegel: Welche strategischen Zielsetzungen verfolgen Sie im deutschen Rechtsmarkt?

Schede: Wir sind schon heute eine Transaktionskanzlei. Das macht etwa 70% unseres Geschäfts aus. Und klar ist: Corporate und M&A werden bei unserer weiteren Entwicklung im deutschen Markt ein starker Treiber sein und bleiben. Hinzu kommt natürlich unsere exzellente Positionierung in den Bereichen Medien und Technologie sowie Immobilien und Infrastruktur. Hier sind wir bekannt für unsere Branchenexpertise, und diese werden wir kontinuierlich weiterentwickeln.

Deutscher AnwaltSpiegel: Wo liegt das Potential für strategisches Wachstum auf der internationalen Plattform Greenberg Traurig?

Schede: Wenn Sie sehen, dass Greenberg Traurig in den USA die Nr. 1 im Bereich Immobilien ist und wir mit dem deutschen Büro jetzt vollintegrierter Teil eines Global Players sind, dann zeigt das die Richtung an. Greenberg Traurig ist als starke M&A-Praxis nicht nur in den Wirtschafts- und Finanzzentren New York, London und Schanghai präsent, sondern auch in den Technologie-Hubs Silicon Valley, Miami, Tel Aviv und Seoul – als einzige Kanzlei weltweit übrigens.

Unter den mehr als 30.000 Mandanten von Greenberg Traurig sind sehr viele, die Interesse am deutschen Markt und an Investitionen in Deutschland haben. Das starke Interesse gilt auch der umgekehrten Blickrichtung: Gemeinsam mit meinen deutschen Partnern kann ich unseren Mandanten jetzt auf einer weltweiten Plattform den Zugang zu so wichtigen Märkten wie den USA und Asien bieten – und zwar aus einer Hand.

Deutscher AnwaltSpiegel: Sind weitere Standorte in Deutschland geplant?

Schede: Wir haben keine Denkverbote und sind offen für neue Entwicklungen. Ich kann sagen, dass wir bisher sehr gut damit fahren, unser deutschlandweites Geschäft von Berlin aus zu betreiben. Das haben auch unsere Partner von Greenberg Traurig so gesehen: Die Kanzlei hatte sich seit etwa zehn Jahren nach einer passenden Einstiegsmöglichkeit im deutschen Rechtsmarkt umgeschaut. Unsere amerikanischen Kollegen teilen unsere Einschätzung, dass Berlin für die zukunftsorientierten Branchen der deutschen Volkswirtschaft schon heute und erst recht in Zukunft ein zentraler Standort ist und sein wird.

So gesehen, ist unser Start in Berlin auch ein starkes Signal für den hiesigen Rechtsmarkt: Der Trend, dass sich Anwaltskanzleien aus der Hauptstadt verabschieden, ist gebrochen.

Deutscher AnwaltSpiegel: Als kurze Nachfrage: Sie gehen mit der Option möglicher weiterer Standorte in Deutschland also rein opportunistisch um?

Schede: Ja, wir haben hier keinen Masterplan für einen weiteren Standort. Den benötigen wir auch nicht, denn nicht der Standort ist entscheidend, sondern die Topqualität neuer Mitstreiter auf der fachlichen wie der menschlichen Ebene.

Deutscher AnwaltSpiegel: Um das aufzugreifen: Welche personelle Größe erwarten und planen Sie für Ihre Sozietät in ein bis zwei Jahren?

Schede: Auch hier gehen wir möglicherweise anders vor als unsere Wettbewerber. Wir planen eine bestimmte Größe der Sozietät nicht auf dem Reißbrett – und sind gleichwohl in jedem Jahr um etwa 20% gewachsen. Aber wenn Sie nach meiner Prognose fragen: Ich sehe uns in Berlin in zwei bis drei Jahren bei etwa 70 bis 80 Anwälten und einem Wachstum von 10% bis 20% pro Jahr. Auch danach sehe ich Raum für qualitätsorientiertes Wachstum in Deutschland.

Deutscher AnwaltSpiegel: Wie schätzen Sie das Wettbewerbsumfeld ein?

Schede: Es ist nicht zu übersehen, dass es viele Kollegen gibt, die gute Ideen rasch aufgreifen. Wir müssen also mit unseren neuen Ideen und Produkten immer sehr schnell an den Markt, das ist heute wichtig. Dabei schätzen unsere Mandanten uns vor allem als Sparringspartner für die Strukturierung und „rechtliche Verpackung“ von neuen Geschäftsmodellen – so zum Beispiel bei der jüngst prämierten Beratung einer großen deutschen Wohnungsplattform beim Einstieg in den Markt der Energieversorgung.

Im Kern ist es so: Das größte Asset im Wettbewerb sind die eigenen Talente, die müssen Sie finden und langfristig binden. Für uns sprechen insoweit sicher unsere offene und hierarchielose Kultur, die starke Identifizierung unserer Associates mit der Sozietät und unser Ausbildungsprogramm, das individuelle Kurse, Seminare, Coachings und interne Fortbildung vereint.

Deutscher AnwaltSpiegel: Mit Blick auf den Rechtsmarkt insgesamt: Wie beurteilen Sie das sich wandelnde Kräfteverhältnis zwischen Rechtsabteilungen und ­Kanzleien?

Schede: Viele der General Counsels, die heute in Unternehmen Verantwortung tragen, sind durch die gleiche Schule der Großkanzleien gegangen wie wir. Das verbindet im besten Fall und schafft die Voraussetzungen für ein partnerschaftliches Miteinander.

Wir als Berater müssen uns mehr denn je fragen: Wo kann ich dem Mandanten aufgrund meiner breiten Erfahrung in bestimmten Rechtsgebieten und Branchen einen Mehrwert bieten? Ganz sicher nicht bei den „Commodities“, bei Beratungsangeboten „von der Stange“. Wohl aber dort, wo es darum geht, für die Unternehmen als Trusted Business Advisor zur Stelle zu sein, und zwar auf Augenhöhe, entweder als verlängerte Werkbank oder als kreativer Ideengeber.

Deutscher AnwaltSpiegel: Herr Schede, vielen Dank für die Einblicke, die Sie unseren Lesern gewährt haben. Wir werden die weitere Entwicklung von Greenberg Traurig im deutschen Rechtsmarkt aufmerksam verfolgen.

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