Im Blickpunkt: Neuer Entwurf eines Straftatbestands der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen
Von Dr. Matthias Dann, LL.M.

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Kooperationen im Gesundheitswesen werden an Risikoträchtigkeit zunehmen: Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat am 04.02.2015 den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vorgelegt. Mit diesem Referentenentwurf bringt das Ministerium neuen Schwung in eine schon lange währende Diskussion um die Strafbarkeit korrupter Praktiken auf dem Gesundheitsmarkt. Der Bundesgerichtshof hatte diese Diskussion befeuert, indem er 2012 entschied, dass niedergelassene Vertragsärzte weder Amtsträger noch Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen sind und daher nicht unter die Tatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) und der Vorteilsannahme und Bestechlichkeit im Amt (§§ 331, 332 StGB) fallen. Damit war der Gesetzgeber gefragt, klarzustellen, ob er die Notwendigkeit einer strafrechtlichen „Zusatzregulierung“ sieht.

Historie

Den ersten Vorstoß wagte die Regierungskoalition CDU/ CSU und FDP, die in der 17. Legislaturperiode ein Verbot der Bestechlichkeit und Bestechung von Leistungserbringern in den neuen §§ 307c, 70 Abs. 3 SGB V vorschlug (u.a. BT-Drucksache 17/14184). Dieser geplante Tatbestand bezog sich jedoch nicht auf freiberuflich tätige Ärzte ohne Vertragsarztzulassung. Demgegenüber favorisierten die Länder Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern eine Verankerung im Strafgesetzbuch und brachten über den Bundesrat den Entwurf eines neuen § 299a StGB in das Gesetzgebungsverfahren ein (BR-Drucksache 451/13). Letztlich nützten die Bemühungen wenig: Die Vorhaben fielen der Diskontinuität zum Opfer, wenngleich zumindest die Absicht, einen neuen Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen im StGB zu schaffen, im Koalitionsvertrag vom 27.11.2013 verankert wurde.

Aktueller Entwurf des BMJV

Nachdem das Bayerische Staatsministerium für Justiz am 15.01.2015 einen überarbeiteten Entwurf zu § 299a StGB vorgelegt hatte (BR-Drucksache 16/15), positionierte sich auch das BMJV. Die Struktur des geplanten § 299a StGB orientiert sich partiell an dem existierenden § 299 StGB, so dass in Zukunft bei einzelnen Tatbestandsmerkmalen ein Rückgriff auf die dazu entwickelten Auslegungsgrundsätze möglich sein wird. Der Gesetzesentwurf des BMJV vom 04.02.2015 sieht in § 299a Abs. 1 StGB-E folgende Regelung vor:
(1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung dieses Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial

  1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb bevorzuge oder
  2. in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletze, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

In § 299a Abs. 2 StGB-E ist spiegelbildlich das Anbieten, das Versprechen oder die Gewährung eines Vorteils unter Strafe gestellt. Nach § 300 StGB-E soll in besonders schweren Fällen eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren drohen. Geplant ist zudem, auch die Regelungen zum Strafantrag auf den neuen § 299a StGB auszuweiten. Das Antragsrecht sollen – neben dem Verletzten – auch die berufsständische Kammer, in der der Täter im Zeitpunkt der Tat Mitglied war, jeder rechtsfähige Berufsverband und die gesetzliche Kranken- und Pflegekasse oder das private Kranken- und Pflegeversicherungsunternehmen des Verletzten erhalten.

Adressaten des § 299a Abs. 1 StGB-E sind nicht nur Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker. Auf der „Nehmerseite“ soll sichergestellt werden, dass die beruflichen Entscheidungen von sämtlichen Angehörigen staatlich geregelter Heilberufe frei von unzulässiger Einflussnahme getroffen werden. Erfasst werden also auch nichtakademische Gesundheitsfachberufe, etwa Krankenschwestern und Entbindungspfleger. Auf der „Geberseite“ sollen nach Abs. 2 nicht nur Angehörige der in Abs. 1 genannten Heilberufe erfasst werden, sondern alle Personen, die mit tatbestandlicher Zielrichtung einer der in Abs. 1 genannten Personen einen Vorteil anbieten bzw. zuwenden.

Bei der Tathandlung in Nr. 1 liegt der Fokus auf einer unlauteren Bevorzugung im Wettbewerb. Erforderlich ist, dass eine sachfremde Entscheidung zwischen mindestens zwei Bewerbern und damit eine Benachteiligung eines Konkurrenten zum Gegenstand einer Unrechtsvereinbarung gemacht wird (BMJV Ref-E, S. 20).

In Nr. 2 soll die „Verletzung der Berufsausübungspflichten in sonstiger Weise“ sanktioniert werden, die außerhalb von Wettbewerbslagen angesiedelt ist, etwa bei Monopolstellungen. Der Entwurf nimmt hinsichtlich der Berufsausübungspflichten Bezug auf die spezialgesetzlichen Regelungen für die einzelnen Heilberufe – etwa Bundesärzteordnung, Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde oder Apothekengesetz. Jeglicher Pflichtverstoß gegen berufsrechtliche Vorgaben kann als Anknüpfungspunkt für den Straftatbestand dienen, wenn ein Zusammenhang zu dem Bezug, der Verordnung, der Abgabe von Arznei- und Hilfsmitteln oder Medizinprodukten bzw. der tatsächlichen Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial besteht.

In Anlehnung an das Konzept des § 299 StGB soll nach dem Entwurf die bloße Annahme eines Vorteils nicht ausreichen. Es muss stets eine Gegenleistung für eine zumindest intendierte unlautere Bevorzugung im Wettbewerb oder in sonstiger Weise vorliegen. Ausweislich der Entwurfsbegründung ist etwa Vorsicht geboten bei einer beruflichen Zusammenarbeit in Form von Berufsausübungsgemeinschaften von Ärzten gemäß § 18 (Muster-)Berufsordnung (MBO), wenn diese dazu dient, das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt in § 31 MBO zu umgehen (BMJV Ref-E, S. 18). Führt ein Arzt einem Unternehmen, an dem er selbst beteiligt ist, einen Patienten zu und erhält für die Zuführung des Patienten wirtschaftliche Vorteile, etwa eine Gewinnbeteiligung, erfülle dies ebenfalls den Tatbestand des geplanten § 299a StGB (BMJV Ref-E, S. 18).

Kritik an dem Entwurf

Die Initiative des BMJV zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen wird im Großen und Ganzen begrüßt. Erste Kritik zu einzelnen Punkten des Entwurfs ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Teilweise wird die Übernahme der wettbewerbsbezogenen Tatbestandsmerkmale des § 299 StGB ganz in Frage gestellt, da das Korruptionsdelikt im Gesundheitswesen eine weit größere Nähe zu den Ermessensentscheidungen von Amtsträgern habe. Auch beim Adressatenkreis ist man sich nicht einig: Wollen einige den Täterkreis in Abs. 1 nur auf Ärzte und Zahnärzte beschränken, möchte die Bundesärztekammer (BÄK) diesen weiter fassen, da Inhaber von Privatkliniken – aufgrund der fehlenden Zugehörigkeit zu den Heilberufen – sonst nicht darunter fallen (Stellungnahme BÄK vom 04.02.2015, S. 4 ff.). Es solle zudem in Abs. 1 die „staatliche Zulassung“ aufgenommen werden, etwa um Heilpraktiker zu erfassen, die keiner staatlichen Ausbildung unterliegen, sondern sich nur staatlich zulassen müssen (Stellungnahme Transparency International vom 28.03.2015, S. 1). Die Apotheker verlangen indes, ihre „Zwitterstellung“ zu berücksichtigen, die sie als Angehörige eines Heilberufes und zugleich als Kaufleute innehaben (Stellungnahme BVDAK vom 07.04.2015, S. 7). In mehreren Stellungnahmen sind die Verfasser der Ansicht, dass das Tatbestandsmerkmal der „Verletzung der Berufsausübungspflichten in sonstiger Weise“ aufgrund seiner Weite gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoße (Stellungnahmen BÄK vom 04.02.2015, S. 7; KBV vom 09.04.2015, S. 4; DRB vom 10.04.2015, S. 3; Hartmannbund 04.02.2015, S. 1 ff.).

Rechtlicher Ausblick

Mit dem Entwurf des BMJV liegt nunmehr eine Version vor, welche die finalen Vorschriften im StGB erahnen lässt. Es bleibt abzuwarten, ob die in den referenzierten Stellungnahmen formulierte Kritik bei der Finalisierung des Entwurfs Berücksichtigung findet. Mit grundlegenden Änderungen ist allerdings nicht mehr zu rechnen. Rechtlich steht der Entwurf vor der Herausforderung, Lücken in Fällen strafrechtlich relevanter Korruption im Gesundheitswesen zu schließen, auf der anderen Seite jedoch zulässige Kooperationsformen nicht unnötig einzuengen. Bei allen Bemühungen um einen Straftatbestand zum Schutze eines fairen Wettbewerbs im Gesundheitswesen und des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen darf der Blick auf branchenübliche Preisnachlässe und gewollte Kooperationen in der Gesundheitsbranche nicht zu kurz kommen. So darf der geplante Straftatbestand nicht dazu führen, dass bei jeder vergütungsbasierten Form der Zusammenarbeit sofort der Verdacht eines korrupten Verhaltens entsteht. Moderne Formen der Zusammenarbeit müssen einer Weiterentwicklung zugänglich bleiben. Eine genauere Abgrenzung zu korruptivem Verhalten wird man der Rechtsfortbildung überlassen müssen, da sie vom Gesetzgeber regelungstechnisch nicht zu leisten sein wird. Grauzonen werden die Praxis unweigerlich beschäftigen und einen offenen Dialog zwischen den maßgeblichen Akteuren erforderlich machen. Die Notwendigkeit effektiver Antikorruptions-Compliance, die auf die Einhaltung sozial-, berufs- und wettbewerbsrechtlicher Kooperationsregeln zielt, wird nicht mehr zu übersehen sein.

dann[at]strafrecht.de

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