BFH: Günstiger Abgeltungsteuersatz wird nur bei beherrschendem Einfluss versagt
Von Johannes R. Jeep

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Mit insgesamt fünf Urteilen hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Abgrenzung zwischen dem begünstigten Abgeltungsteuersatz von 25% zur meist höheren Tarifbesteuerung verfeinert. Im Hauptfall wurde die Gesellschafterfremdfinanzierung, also das klassische Darlehen des mit mehr als 10% beteiligten Gesellschafters, der unbegünstigten Besteuerung unterworfen (BFH, Urteil vom 29.04.2014 – Az. VIII R 23/13; weitere Urteile zu VIII R 9, 44 und 35/13, 31/11 vom 14.05.2014).

Sachverhalt

Der klagende Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH hatte mit dieser einen schriftlichen Darlehensvertrag geschlossen. Bis zu 600.000 Euro konnten nach Bedarf zu einem Zinssatz von jährlich 6% abgerufen werden. Eine beson­dere Sicherung wurde nicht vereinbart. Ende 2009 waren 272.000 Euro in Anspruch genommen. Die Kapital­erträge des Klägers beliefen sich in diesem Jahr auf 16.320 Euro. Verwaltung und Gerichte wandten den ungünstigeren Tarifsteuersatz, der mehr als 25% betrug, auf die Kapitalerträge an.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht hält den Abgeltungsteuersatz von 25% gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b EStG für nicht anwendbar, weil bei der Gesellschafterfremdfinanzierung im Inland kein Anreiz zur Verlagerung des Kapitals ins Ausland besteht. Im Ausgangspunkt weist das Gericht auf die bereichsspezifische Ausprägung des Gleichheitssatzes im Steuerrecht hin. Um Lastengleichheit zur erreichen, sollen die Steuer­pflichtigen bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch besteuert werden. Der dem Gesetzgeber eingeräumte weitreichende Spielraum bedarf sachlicher, insbesondere finanzpolitischer, volkswirtschaftlicher, sozialpolitischer oder steuertechnischer Differenzierungsgründe. Für typisierende und vereinfachende Regelungen dürfen keine atypischen Fälle als Leitbild gewählt werden, vielmehr bedarf es realitätsgerechter Fallgruppenbildungen. Die Ungleichbehandlung des Klägers als eines zu mehr als 10% beteiligten Gesellschafters wird durch die generelle Gefahr von möglichen Kapitalverlagerungen ins Ausland gerechtfertigt. Hiermit soll grundsätzlich die Standortattraktivität im internationalen Wettbewerb mit Hilfe einer Belastungsminderung gesichert werden.

Beim Kläger kann diese Kapitalverlagerung wegen des Inlandssitzes der Gesellschaft jedoch nicht angenommen werden. Indem er damit aus der gesetzlich adressierten „Problemgruppe“ herausfällt, ist die Anwendung des allgemeinen Steuertarifs für ihn gleichheitsnäher. Diese Typisierung ist sachgerecht, weil in Fällen wie dem vorliegenden einem – allgemein möglichen – Kapitalabfluss ins Ausland kein Gegenanreiz gegenübergestellt werden muss. Die Gefahr, dass der Gesellschafter der Fremdkapitalfinanzierung im Ausland den Vorzug vor einer Erhöhung des Eigenkapitals gibt, um dadurch vom Abgeltungsteuersatz profitieren zu können, ist nicht gegeben. Schließlich wird die folgerichtige Ausgestaltung der zitierten Norm damit begründet, dass bei der Tarifbesteuerung keine Beschränkung des Verlustausgleichs oder des Werbungskostenabzugs erfolgt. Das Gericht sieht damit das objektive Nettoprinzip gewahrt.

Die weiteren Entscheidungen

In den drei weiteren Fällen aus 2013 findet der Abgeltungsteuersatz Anwendung. Dort sind Gläubiger und Schuldner von Kapitalerträgen nahe Angehörige – Kinder, Enkel und Ehepartner. Das Gericht legt den gesetzlichen Tatbestand (§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a EStG) einschränkend so aus, dass ein Näheverhältnis nur bei einem beherrschenden und außerhalb der Geschäftsbeziehung liegenden Einfluss oder bei einem eigenen wirtschaftlichen Interesse an der Erzielung von Einkünften durch den anderen Vertragspartner vorliegt. Ein bloßes persönliches Interesse wegen der Familienangehörigkeit reicht nicht aus. Im Verfahren aus 2011 ging es um die Kapitalerträge eines Darlehensgläubigers einer GmbH, bei der ein Angehöriger zu mehr als 10% beteiligt war. Ein lediglich familiär bedingtes persönliches Interesse reicht für ein steuerlich relevantes Näheverhältnis nicht aus. An beherrschendem Einfluss oder wirtschaftlichem Interesse fehlt es. Auch hier wird der Abgeltungsteuersatz angewandt.

Praxishinweis

Die aus verfassungsrechtlichen Gründen erfolgenden Einschränkungen zum Ausschlusstatbestand des Abgeltungsteuersatzes – also die Befürwortung des Sondertarifs von 25% – sind hervorzuheben. Solange die Vertragshandhabung einem Drittvergleich standhält und weder ein beherrschender Einfluss noch ein wirtschaftliches Interesse an der Einkünfteerzielung des Vertragspartners vorliegen, sind Darlehensverträge mit nahen Angehörigen oder mit von diesen gehaltenen Gesellschaften unbedenklich und steuerlich privilegiert. Erst wenn, wie in dem besprochenen Hauptfall, eine eigene Beteiligung an der Inlandsgesellschaft besteht, liegt das Reinformat für den Ausschlusstatbestand des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b EStG vor. Es ist nicht zu erwarten, dass das Verfassungsgericht diese differenzierte Bewertung des Artikels 3 GG für unzutreffend erklären könnte.

jeep@fps-law.de

21 replies on “Abgeltungsteuer bei Angehörigen- und Gesellschafterdarlehen”

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