Empfehlenswerte Regelungen beim Vertrauensurlaub

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Vertrauensurlaub – das klingt zunächst einmal sehr verlockend: So viel bezahlter Erholungsurlaub, wie und wann man möchte. Lästige Absprachen mit Vorgesetzten und Kollegen, der Kampf um Urlaub zu Schulferienzeiten, all das könnte damit der Vergangenheit angehören. Auch scheint diese Vertragsgestaltung vor dem Hintergrund zunehmender Ermöglichung des Homeoffices, mobilen Arbeitens oder sogar der Arbeit aus dem Urlaub – Stichwort: „Workation“ – nur noch der nächste logische Schritt zu sein. Doch wie passt das mit den strengen Vorgaben des deutschen Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) und der europäischen Urlaubsrechtsprechung zusammen? Wie können Unternehmen gewährleisten, dass die Arbeit weiterhin erledigt wird? Und wie können auf der anderen Seite Mitarbeiter sichergehen, dass diese Regelung nicht dazu führt, dass nicht sogar etwa zu wenig Urlaub gewährt wird? Der folgende Beitrag gibt Antwort auf diese Fragen.

So viel schon einmal vorweg: Vertrauensurlaub führt zwar zu einer größeren Flexibilität und Freiheit für die Beschäftigten. Grundlage sind jedoch zwingend umfangreiche Regelungen im Arbeitsvertrag oder auf kollektiver Ebene – im Zweifel sogar eher ausführlicher als im Rahmen des klassischen Modells.

Dabei ist stets zu beachten, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung allgemeiner Urlaubsgrundsätze im Betrieb besteht. Zudem ist bei bestehenden tarifvertraglichen Regelungen Vorsicht hinsichtlich individualvertraglicher Gestaltungen geboten.

Differenzierung zwischen Mindest- und Mehrurlaub

Die erste und wichtigste Regelung ist, dass vertraglich klar zwischen Mindest- und Mehrurlaub unterschieden wird. Dies ist grundsätzlich zu empfehlen, denn Arbeitgeber sind bei der Gestaltung des Mehrurlaubs sehr frei, während Mindesturlaub strengen Vorgaben unterliegt. Erfolgt keine ausdrückliche und klare Differenzierung, gelten für den Mehrurlaub stets dieselben Vorgaben wie für den Mindesturlaub. Gerade hinsichtlich des Konzepts des Vertrauensurlaubs ist eine Trennung dabei von besonderer Bedeutung. So sollte für den Mehrurlaub unbedingt geregelt werden, dass er am Ende des Urlaubsjahres verfällt, unabhängig von etwaigen vorangegangenen Hinweisen des Arbeitgebers oder Krankheits-, Mutterschutz- oder Elternzeiten des Beschäftigten. In diesem Zusammenhang sollte auch eine Abgeltung des Mehrurlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich ausgeschlossen werden. Sowohl Verfall als auch der Abgeltungsausschluss sind dabei als Vorsichtsmaßnahmen, unabhängig davon, ob der Mehrurlaub konkret quantifiziert wurde oder nicht, unbedingt zu empfehlen.

Auch hinsichtlich des Mindesturlaubs sollten einige Vorgaben gemacht werden: So sollte etwa vereinbart werden, dass stets der Mindesturlaub zuerst genommen wird, bevor Mehrurlaub angetreten werden kann. Zudem sollte zumindest der Mindesturlaub zeitlich nachvollziehbar gewährt werden – etwa in Form eines Urlaubskontos. Schließlich sollte unbedingt vor Jahresende ein Hinweis durch den Arbeitgeber erfolgen, dass der Restmindesturlaub verfällt, wenn er nicht bis Jahresende genommen wurde.

Nur so kann sichergestellt werden, dass ein Ansparen von Mindesturlaubsansprüchen vermieden wird und Arbeitgeber sich nicht etwa unüberschaubaren Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsansprüchen ausgesetzt sehen, die zu hohen Kosten führen können. Dies gilt umso mehr, da zu befürchten ist, dass der EuGH die Verjährung von Urlaubsansprüchen begrenzen könnte und ohnehin bereits strenge Regeln hinsichtlich der Möglichkeiten des Urlaubsverzichts oder -verfalls gelten.

Auf diese Weise können Arbeitnehmer zudem sichergehen, dass Vertrauensurlaub nicht etwa zu weniger Urlaub führt als nach dem klassischen Modell. Auf der anderen Seite kommen Arbeitgeber so ihren Fürsorgepflichten hinreichend nach und können gewährleisten, dass die Arbeitnehmer zumindest ein Mindestmaß an Urlaub auch tatsächlich in Anspruch nehmen. Beachtet man dabei die mindestens notwendigen Vorgaben, sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. So könnte etwa nur ein Teil oder auch der ganze Mehrurlaub als Vertrauensurlaub gewährt werden.

Reibungsloser Betriebsablauf

Aber nicht nur hinsichtlich der Frage des Ansammelns von Urlaubsansprüchen, sondern auch hinsichtlich der Sicherstellung des reibungslosen Betriebsablaufs lauern Risiken, die es zu erkennen und abzuwenden gilt.

So stellen sich Arbeitgeber beim Vertrauensurlaub oft die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die geschuldete Arbeit geleistet wird.

Hier ist zum einen unbedingt eine klare Kommunikation in Hinblick auf die Erwartungen zu empfehlen. So sollten die Beschäftigten vorab deutlich angewiesen werden, was sie konkret innerhalb welcher Frist fertigstellen oder leisten sollen. Erfolgt dies anschließend nicht frist- oder erwartungsgemäß, ist eine Abmahnung möglich. Gleichzeitig könnte etwa auch eine Verknüpfung der zu erreichenden Ziele mit den im Rahmen von Bonusregelungen vereinbarten Zielen erfolgen.

Zum anderen sollten möglichst klare Vereinbarungen hinsichtlich erwarteter Erreichbarkeit, Arbeitszeiterfassung, Abmeldung und Urlaubsübergabe oder -vertretung getroffen werden.

Auch über einen Ausschluss von Urlaub nach Krankheitstagen sollte nachgedacht werden. Denn es sollte vermieden werden, dass die Arbeitnehmer durch Vertrauensurlaub – quasi durch die Hintertür – unbegrenzte Entgeltfortzahlung bei eigentlich vorliegender krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit erhalten. Ebenso ist ein Ausschluss von Vertrauensurlaub im Anschluss an Beschäftigungsverbote nach Mutterschutzgesetz oder einer Elternzeit sinnvoll.

Wichtig ist auch eine Regelung der Inanspruchnahme von Vertrauensurlaub im Zusammenhang mit Kündigungen. Arbeitgeber können etwa ein großes Interesse an Arbeitsleistungen während der Kündigungsfrist haben, um eine reibungslose Übergabe der Stelle zu gewährleisten.

Notbremse einbauen

So schön die Idee des Vertrauensurlaubs auch sein mag, für manche Arbeitnehmer ist dieses Konzept einfach nicht geeignet, was sich aber häufig erst nach einiger Zeit herausstellt. Sinnvoll ist daher etwa der Ausschluss des Vertrauensurlaubs während der Probezeit, da man sich in dieser Phase erst noch kennenlernen muss. Zudem sollte ein Vorbehalt aufgenommen werden, dass der Arbeitgeber abweichende Vorgaben machen kann, wenn der ordnungsgemäße Betriebsablauf bedroht ist. Alternativ können auch Höchstgrenzen für bestimmte Urlaubszeiträume wie Sommerferien, eine Mindestbesetzung von Beschäftigten oder ein Genehmigungsvorbehalt des Urlaubs durch den Arbeitgeber ab einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen vorgesehen werden. Auch hier ist eine gewisse Phantasie gefragt, um mögliche Interessen des Unternehmens möglichst frühzeitig zu erkennen und entsprechend berücksichtigen zu können.

Schließlich sind eine befristete Einführung von Vertrauensurlaub oder zumindest ein Widerrufsvorbehalt unbedingt zu empfehlen. Ein wirksamer Widerrufsvorbehalt unterliegt dabei strengeren Vorgaben als eine Befristung, die insbesondere nicht den Regeln des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) unterfällt.

Fazit

Im aktuellen „War for Talents“ ist der Vertrauensurlaub ein wichtiges Angebot, denn es beinhaltet ein Höchstmaß an Flexibilität bei der Arbeits- und Freizeitgestaltung und gleichzeitig eine große Wertschätzung durch den Arbeitgeber. Um diese Chance jedoch nicht zu einem Alptraum für Arbeitgeber werden zu lassen, ist es erforderlich, dass die dargestellten wichtigen Punkte bei der Vertragsgestaltung beachtet werden. Dann steht selbst vor dem Hintergrund der strengen Vorgaben des deutschen und europäischen Urlaubsrechts der Vereinbarung von Vertrauensurlaub nichts mehr im Weg.

 

bruck@buse.de

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