Auswirkungen der EU-Sanktionen gegen Russland auf Arbeitgeber in Deutschland

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Zu Beginn des Jahres 2022 erließ die Europäische Union als Reaktion auf den Konflikt Russlands mit der Ukraine kurz hintereinander mehrere Verordnungen, um weitreichende Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Diese Sanktionen können auch Auswirkungen auf Arbeitsverhältnisse in Deutschland haben, die untersagte Tätigkeiten beinhalten. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Sanktionen, die Folgen eines Verstoßes und die Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgeber in Deutschland, wenn sie von den Sanktionen betroffen sind.

Überblick über die EU-Sanktionen gegen Russland

Die Sanktionen betreffen unter anderem die folgenden Bereiche:

  • den Finanzsektor, indem jegliche Form der Vergabe von Krediten und des Ankaufs von Wertpapieren, die von bestimmten russischen Banken und der Regierung emittiert wurden, untersagt und ein vollständiges Verbot von Transaktionen mit bestimmten russischen Staatsunternehmen aus unterschiedlichen Sektoren verhängt wurden,
  • den Energiesektor, indem der Export bestimmter Raffinerietechnologien und neuer Investitionen verboten wurde,
  • den Verkehrssektor, indem der Export, der Verkauf, die Versorgung sowie die Lieferung sämtlicher Luftfahrzeuge, Luftfahrzeugteile und Flugzeugausrüstungen nach Russland, einschließlich der Erbringung aller damit zusammenhängenden Reparatur-, Wartungs- oder Finanzdienstleistungen, verboten und Beschränkungen für den Export von Gütern der Seeschifffahrt und der Funkkommunikationstechnologie verhängt wurden,
  • Güter mit doppeltem Verwendungszweck (also sensible Güter, Dienstleistungen, Software und Technologie, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können) und Produkte von mordernster Technik, indem die bestehenden Ausfuhrkontrollen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck verschärft werden, um auf sensible Sektoren im militärisch-industriellen Komplex Russlands abzuzielen, und indem Russlands Zugang zu Spitzentechnologie eingeschränkt wird,
  • handelsbeschränkende Maßnahmen, namentlich Einfuhr- und Ausfuhrverbote für Waren wie Stahlerzeugnisse, Kohle, Zement, Gummierzeugnisse, Holz, Spirituosen und Luxusgüter. Luxusgüter meint dabei Produkte im Wert von über 300 Euro und umfasst unter anderem Kleidung, Schuhe, Leder, Schmuck, Uhren, Edelmetalle, Edelsteine, Koffer und Handtaschen sowie Fahrzeuge im Wert von über 50.000 Euro.

Wer ist von den Sanktionen betroffen?

Die Sanktionen finden nicht nur im Hoheitsgebiet der EU Anwendung, sondern gelten auch (a) an Bord von Flugzeugen und Schiffen, die der Jurisdiktion eines Mitgliedsstaats unterfallen, (b) für jede Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats besitzt, innerhalb oder außerhalb des Hoheitsgebiets der EU, (c) für jede juristische Person, Organisation oder Körperschaft innerhalb oder außerhalb des Hoheitsgebiets der EU, die nach dem Recht eines Mitgliedsstaats eingetragen oder errichtet wurde, und (d) für jede juristische Person, Organisation oder Körperschaft, in Bezug auf Geschäfte, die ganz oder teilweise innerhalb der EU getätigt werden.

Somit müssen sowohl in Deutschland ansässige Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, die Staatsbürger eines Mitgliedsstaats sind, die EU-Sanktionen einhalten, auch wenn sie in einem Drittland außerhalb der EU (zum Beispiel in Russland) tätig sind. Die Sanktionen sehen auch weitreichende Regelungen vor, die eine Umgehung verhindern sollen. Danach ist es verboten, wissentlich an Aktivitäten teilzunehmen, welche die Umgehung der Sanktionen bezwecken oder bewirken. Dementsprechend besteht auch kein Schlupfloch für den Einsatz von Nicht-EU-Bürgern in einem Drittland, um Geschäfte zu tätigen, die gegen die Sanktionen verstoßen: Wenn dies in Kenntnis der Tatsache geschieht, dass die Mitarbeiter vornehmlich oder zu einem erheblichen Teil an sanktionierten Aktivitäten teilnehmen würden, oder wenn der Arbeitgeber in Deutschland die Möglichkeit hat, die Personen anzuweisen, oder sanktionierte Geschäfte (auch nur stillschweigend) genehmigt, wird er in gleicher Weise wegen Verstoßes gegen die Sanktionen bestraft.

Was sind die Folgen eines Verstoßes gegen die Sanktionen?

Verstöße gegen die Sanktionen stellen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten gemäß §§ 18 oder 19 des Außenwirtschaftsgesetzes und § 82 der Außenwirtschaftsverordnung dar. Im Allgemeinen werden Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren für den (versuchten) Verstoß gegen Ausfuhrverbote, den Verkauf, die Lieferung oder die Weitergabe von Gütern, die Erbringung von Dienstleistungen oder das Tätigen unerlaubter Investitionen sowie für den Verstoß gegen Maßnahmen zum Einfrieren von Vermögenswerten verhängt. Sofern die vorgenannten Verstöße fahrlässig, also ohne Vorsatz, begangen werden, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Eine solche kann mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro geahndet werden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass § 22 Abs. 4 Außenwirtschaftsgesetz die Möglichkeit einer freiwilligen Selbstanzeige bei fahrlässigen Verstößen vorsieht. Wird der Verstoß im Rahmen von innerbetrieblichen Kontrollen oder eines Audits aufgedeckt und der zuständigen Behörde gemeldet und werden geeignete Maßnahmen zur Verhütung eines weiteren Verstoßes aus demselben Grund ergriffen, wird die Ordnungswidrigkeit nicht geahndet. Eine Anzeige bei der zuständigen Behörde gilt als freiwillig, sofern die Behörde noch keine Ermittlungen wegen des Verstoßes eingeleitet hat.

Unternehmen können nach dem deutschen Strafgesetzbuch, das nur für natürliche Personen gilt, nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Allerdings können Unternehmen nach § 30 OWiG haftbar gemacht werden, wenn ein Vertreter des Unternehmens eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begeht, die zu einer Verletzung der dem Unternehmen obliegenden Pflichten führt. Die betreffenden Geldbußen können bei vorsätzlicher Begehung der Straftat bis zu 10 Millionen Euro und bei fahrlässiger Begehung der Straftat bis zu 5 Millionen Euro betragen.

Handlungsmöglichkeiten nach deutschem Arbeitsrecht

In Anbetracht der weitreichenden Sanktionen und der schwerwiegenden Folgen eines Verstoßes sollten Arbeitgeber sorgfältig prüfen, ob ihre Mitarbeiter in Ausübung ihres Beschäftigungsverhältnisses verbotene Tätigkeiten verrichten. Sofern erforderlich, müssen die Tätigkeiten der Arbeitnehmer entsprechend geändert werden. In einigen Fällen kann dies bereits durch die Ausübung des Weisungsrechts im Rahmen der Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag erreicht werden. In anderen Fällen, insbesondere dort, wo der wesentliche Teil der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit aufgrund der Sanktionen verboten ist, kann eine Versetzung oder eine Vertragsanpassung erforderlich sein. In diesem Zusammenhang muss der Arbeitgeber auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beachten, sollte ein solcher im betreffenden Betrieb eingerichtet sein.

Da die Sanktionen nicht nur innerhalb des Hoheitsgebiets der EU Anwendung finden, sondern auch für alle EU-Bürger innerhalb oder außerhalb des Hoheitsgebiets der EU und für jede juristische Person innerhalb oder außerhalb des EU-Gebiets, die nach dem Recht eines EU-Mitgliedsstaats errichtet wurde, gelten, müssen Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland nicht nur die Aktivitäten ihrer Mitarbeiter innerhalb Deutschlands oder der EU, sondern auch die Aktivitäten ihrer in Drittländern außerhalb der EU, einschließlich Russlands, tätigen Mitarbeiter hinterfragen. Darum sollten Arbeitgeber prüfen, welche Arbeitnehmer sie in ein anderes Land entsandt haben und ob deren Tätigkeit dort im Einklang mit den Sanktionen steht. Sollten die Tätigkeiten der entsandten Arbeitnehmer nicht mit den Sanktionen vereinbar sein und sollte eine Anpassung ihrer Tätigkeiten durch Weisungen oder Übertragung anderer Aufgaben unter Beibehaltung der Entsendung nicht möglich sein, müssen die Arbeitgeber die Entsendung beenden, die Arbeitnehmer zurückrufen und ihnen eine andere Tätigkeit zuweisen, die nicht gegen die Sanktionen verstößt. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer nicht bereit ist, nach Deutschland zurückzukehren, sollte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden, um (weitere) künftige Verstöße gegen die Sanktionen zu vermeiden.

Nach deutschem Recht unterliegen Arbeitgeber darüber hinaus bestimmten Fürsorgepflichten gegenüber ihren Mitarbeitern und müssen sicherstellen, dass jegliche Gefahren für Sicherheit, Gesundheit und sonstige Rechtsgüter ihrer Mitarbeiter vermieden werden. Sollten Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Beschäftigung verbotenen Tätigkeiten nachgehen, sind die Arbeitgeber verpflichtet, ihre Arbeitnehmer über die drohenden rechtlichen Risiken zu informieren und ihnen andere Tätigkeiten zuzuweisen, die nicht gegen die Sanktionen verstoßen. Gleiches gilt wiederum für Arbeitnehmer, die in andere Länder entsandt sind.

Falls Arbeitgeber in Deutschland angesichts der Sanktionen einen erheblichen Arbeitsausfall verzeichnen, besteht die Möglichkeit, bei der Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeit und entsprechendes Kurzarbeitergeld zu beantragen. Die Bundesagentur für Arbeit weist auf ihrer Website ausdrücklich darauf hin, dass Arbeitgeber, die von den Sanktionen gegen Russland betroffen sind, grundsätzlich Kurzarbeitergeld beantragen können, wenn sie einen erheblichen Arbeitsausfall erleiden. Sanktionen oder ein Handelsembargo gegen Russland gelten als unabwendbares Ereignis, wenn die Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers davon unmittelbar betroffen ist. Der Arbeitgeber muss in seinem Antrag auf Kurzarbeitergeld darlegen, wie sich die Sanktionen auf seinen Geschäftsbetrieb auswirken und inwieweit dies zu einem erheblichen Arbeitsausfall führt, zum Beispiel, welche Tätigkeiten nicht mehr ausgeübt werden können, da sie gegen die Sanktionen verstoßen würden. Für den Bezug von Kurzarbeitergeld müssen zudem auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein: Insbesondere müssen mindestens 10% der Belegschaft in dem jeweiligen Kalendermonat einen Lohnausfall von mehr als 10% verzeichnen (diese Mindestanforderung ist bis zum 30.06.2022 befristet; danach muss ein Drittel der Belegschaft einen Lohnausfall von mehr als 10% verzeichnen).

Künftige Entwicklungen

Wie der Konflikt selbst ist auch die politische und rechtliche Situation von großer Dynamik geprägt. Arbeitgebern ist daher zu raten, die Entwicklungen und möglichen Veränderungen des bestehenden rechtlichen Rahmens im Auge zu behalten. Dies gilt nicht nur für etwaige weitere von der EU gegen Russland verhängte Sanktionen, sondern auch für potentielle Gegenmaßnahmen, die gegenwärtig von der russischen Regierung in Erwägung gezogen werden und sich gegen Unternehmen und Einzelpersonen richten, welche die EU-Sanktionen gegen Russland befolgen.

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