Fünf Jahre nach Einführung der Frauenquote in Aufsichtsräten mitbestimmter börsennotierter Unternehmen plant Familienministerin Franziska Giffey zusammen mit Justizministerin Christine Lambrecht eine Nachjustierung der gesetzlichen Regelungen, um die positive Entwicklung hinsichtlich der erhöhten Präsenz von Frauen in Aufsichtsräten weiter voranzutreiben. Zwar wächst die Zahl der Frauen in deutschen Chefetagen, aber noch immer sind Vorstände und Aufsichtsräte deutscher Unternehmen von Männern dominiert. Der am 16.01.2020 eingereichte Referentenentwurf der Ministerien macht sich daher zum Ziel, die Bereitschaft der Unternehmen, Frauen in Führungspositionen börsennotierter und mitbestimmter Unternehmen einzusetzen, spürbar zu erhöhen.
Status quo
Seit Mai 2015 ist das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen“ (FüPoG I) in Kraft. Dieses verpflichtet börsennotierte Unternehmen mit paritätisch besetztem Aufsichtsrat zu einem Frauenanteil von 30% in ihren Aufsichtsräten. Umfasst von dieser Verpflichtung waren bislang nur rund 100 Unternehmen. In diesen betroffenen Unternehmen zeigte diese Maßnahme jedoch durchaus Wirkung. Während der Frauenanteil in Aufsichtsräten 2015 noch bei 21,3% lag, stieg er bis zum Jahr 2019 auf 33,9% an.
Für die Leitungs- und Vorstandsebene sieht das FüPoG I hingegen keine fixe Quote vor. In börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen ist der Vorstand nur gehalten, für den Frauenanteil in den ersten beiden Ebenen unterhalb des Vorstands Zielquoten sowie Fristen für deren Erreichung festzulegen. Die Zielquote kann hier in zulässiger Weise auf null festgelegt werden. Rund 70% aller Unternehmen, welche zur Bestimmung einer Zielquote verpflichtet sind, legten diese auch tatsächlich auf null fest.
Gleiches gilt für Aufsichtsräte von Unternehmen, die börsennotiert oder mitbestimmt sind. Auch hier werden die Aufsichtsräte lediglich dazu verpflichtet, Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat festzulegen. Ein Anstieg des Frauenanteils in Aufsichtsräten ist auch hier zu verzeichnen, jedoch weiterhin auf geringe 21,6%.
Verfehlen die Unternehmen ihre selbst festgelegte Quote, bleibt dies bisher sanktionslos. Wird hingegen eine Erklärung nach § 289f HGB, ob die festgelegte Zielgröße erreicht worden ist oder warum diese gegebenenfalls nicht erreicht wurde, nicht oder fehlerhaft abgegeben, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit nach § 334 Abs. 1 Nr. 3, 4 HGB dar. Ebenfalls eine Pflichtverletzung stellt die unterlassene Festlegung von Zielgrößen dar.
Geplante Neuerungen
Ausweitung der Quote
Der Referentenentwurf sieht aufgrund der positiven, aber noch nicht ausreichenden Entwicklung durch die Frauenquote in Aufsichtsräten eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der fixen Aufsichtsratsquote vor. Künftig soll die 30%-Quote in allen Aufsichtsräten der Unternehmen gelten, welche börsennotiert oder alternativ (und nicht wie bisher kumulativ) einer paritätischen Mitbestimmung unterliegen. Die fixe Quote würde dann für rund 600 Unternehmen gelten und insbesondere auch große GmbHs als die Hidden Champions des deutschen Exportmarkts und mithin viele Familienunternehmen betreffen. Wolle die Aufsichtsratsquote auf die Unternehmenskultur in Deutschland einwirken, müssten eben gerade auch diese häufig regional und sozial stark eingebundenen Unternehmen in den Anwendungsbereich der fixen Aufsichtsratsquote fallen, so der Referentenentwurf.
Nur nebenbei sei bemerkt, dass der neue Entwurf nun im Gegensatz zum FüPoG I, welches noch von einer „Geschlechterquote“ sprach, auf eine „Frauenquote“ abstellt. Dies ist mit der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum dritten Geschlecht zu begründen.
Begründungspflicht für Zielgröße null
Als weitere Neuerung ist eine Begründungspflicht für die Zielgröße null vorgesehen, die bei Verletzung einen verstärkten Sanktionsmechanismus auslösen soll. Die Festlegung einer Zielquote von null soll weiterhin zulässig bleiben. Diese kann laut Referentenentwurf etwa dadurch gerechtfertigt sein, dass die in Frage kommenden Positionen bereits mit Personen ausschließlich männlichen Geschlechts besetzt sind und innerhalb der Frist für die Zielerreichung keine Vertragsbeendigungen oder Wechsel anstehen oder abzusehen sind. Dies ist einer von verschiedenen nachvollziehbaren Gründen für eine Zielgröße null. Allerdings lassen sich die Gründe nur vermuten. Daher soll nun eine Begründungspflicht bei der Zielgröße null eingeführt werden, wodurch die Plausibilität der unternehmerischen Überlegungen zur Gewinnung weiblicher Führungskräfte von der interessierten Öffentlichkeit überprüft und beurteilt werden kann. Die Entscheidung dieser Zielgröße null soll „klar und allgemein verständlich“ begründet werden. Durch diesen öffentlichen Druck, der durch die Pflicht einer nachvollziehbaren Begründung entsteht, soll die Bereitschaft der Unternehmen erhöht werden, auch Frauen in Leitungsfunktionen einzusetzen, ohne eine gesetzliche Mindestquote vorschreiben zu müssen. Bei Verstößen gegen die Begründungspflicht oder fehlender Offenlegung der Zielgrößen oder Fristen sollen den Unternehmen sowie zuständigen Organen künftig empfindliche Bußgelder drohen, und die Verstöße sollen durch die Einbettung in das bestehende Sanktionssystem des HGB effektiv als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden können.
Mindestbeteiligungsgebot
Der Frauenanteil in den unternehmerischen Leitungspositionen hat sich zwar erhöht, allerdings liegt dieser noch immer unter 10%. Auch diese Aufwärtsentwicklung soll durch die Gesetzesänderung verstärkt werden. Die flexible Quote in Form einer eigenständigen Festlegung von Zielvorgaben für die Leitungs- und Vorstandsebene in börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen soll zwar beibehalten werden. Zusätzlich soll jedoch ein Mindestbeteiligungsgebot bei großen Vorstandsgremien börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen in der Art eingeführt werden, dass ab mindestens vier Vorstandsmitgliedern mindestens eine Frau im Vorstand vertreten sein muss. Zwar würde hiermit die unternehmerische Freiheit beschränkt, allerdings wäre dieser Eingriff durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls aufgrund des Förderungsgebots hinsichtlich der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen nach Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 GG gerechtfertigt, so der Speyrer Staatsrechtler Joachim Wieland gegenüber dem Handelsblatt.
Die Ministerinnen erhoffen sich von den gesetzlichen Neuregelungen jedoch nicht nur einen höheren Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten, sondern auch einen generellen Kulturwandel zu mehr Gleichstellung im gesamten Unternehmen. So geht der Referentenentwurf davon aus, dass eine erhöhte Repräsentation von Frauen in den Vorstandsetagen zugleich einen erhöhten Frauenanteil auf allen Führungsebenen nach sich ziehen werde. Denn um einen Pool an potentiellen weiblichen Führungskräften aufbauen zu können, müssten die Unternehmen zwangsläufig mehr für die Frauenförderung tun.
In Kraft treten sollen die Änderungen dem Entwurf zufolge am 31.05.2021. Allerdings steht eine Verständigung mit dem Koalitionspartner noch aus, und auch die anstehenden Diskussionen im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens versprechen spannend zu werden.
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