Einführung
Die früher bekannte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform sollte ursprünglich bereits ab dem 01.01.2022 der Vergangenheit angehören. Aufgrund technischer Probleme bei der Umsetzung und der anhaltenden Auswirkungen der Coronapandemie wurde die Pilotphase für die Umstellung bis Ende 2022 verlängert. Seit dem 01.01.2023 gelten neue Vorschriften für die Entgeltfortzahlung, und die meisten Arbeitnehmer sind nicht mehr verpflichtet, ihren Arbeitgebern aktiv eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.
Die von der deutschen Regierung beabsichtigte Digitalisierung und der geplante Abbau von Bürokratie im Arbeitsrecht machen weiterhin Fortschritte. In diesem Beitrag werden die Auswirkungen dieser Veränderungen auf die Arbeitgeber näher beleuchtet.
Frühere Rechtslage
Arbeitnehmer haben in der Regel Anspruch auf vertragliche Vergütung auch während ihrer Arbeitsunfähigkeit, wenn sie diese nicht zu vertreten haben. Gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist die Vergütung für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen zu zahlen. Die Arbeitsunfähigkeit wird als Hindernis definiert, das Arbeitnehmer an der Ausübung ihrer Aufgaben hindert. Es gibt keine teilweise Arbeitsunfähigkeit, und es ist irrelevant, ob ein Arbeitnehmer weniger intensive Tätigkeiten ausüben könnte.
Ursprünglich sind vier Exemplare der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden. Eine Kopie war für den betroffenen Arbeitnehmer, eine für den untersuchenden Arzt, eine für die Krankenkasse und eine informatorisch reduzierte Ausfertigung als sogenannter gelber Schein für den Arbeitgeber. In seiner alten Fassung normierte § 5 EFZG die Verpflichtung aller Arbeitnehmer, ihre jeweiligen Arbeitgeber unverzüglich über ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer zu informieren (Anzeigepflicht). Ferner musste dem Arbeitgeber spätestens am vierten Tag eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit in Papierform vorgelegt werden, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage andauerte (Vorlagepflicht). Für den Fall, dass die Arbeitsunfähigkeit länger als ursprünglich vorgesehen dauerte, mussten die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Folgebescheinigung vorlegen.
Lag die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verspätet oder gar nicht vor, konnte das zu einer Abmahnung oder sogar zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen.
Neue Rechtslage für die meisten Arbeitnehmer und daraus resultierende Schwierigkeiten für Arbeitgeber
Seit dem 01.01.2023 gilt mit dem neu eingeführten § 5 Abs. 1a EFZG die oben beschriebene Verpflichtung zur Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber nicht mehr für Arbeitnehmer, die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind.
Die neue Rechtslage ändert das bisherige Verfahren zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit. Arbeitnehmer erhalten zwar bis auf weiteres immer noch eine verkörperte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach erfolgter Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch den untersuchenden Arzt. Nach der Feststellung wird der Arzt jetzt aber selbst aktiv, indem er die Arbeitsunfähigkeitsdaten elektronisch an die zuständige Krankenkasse übermittelt. Die jeweilige Krankenkasse verwendet dann die Daten, um einen Bericht für den Arbeitgeber zu erstellen, der den Namen des Arbeitnehmers, den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit, das Datum der ärztlichen Untersuchung und die Einstufung als Ersterkrankung oder Folgeerkrankung enthält.
Der Bericht durch die Krankenkasse umfasst auch die Angabe, ob die Arbeitsunfähigkeit auf eine Berufskrankheit, einen Arbeitsunfall oder einen anderen Unfall zurückzuführen ist. Jetzt müssen Arbeitgeber die relevanten Arbeitsunfähigkeitsdaten elektronisch direkt von der zuständigen Krankenkasse abrufen. Die Daten können auch von Dritten (zum Beispiel externen Lohnabrechnungsdienstleistern oder Steuerberatern) im Auftrag des Arbeitgebers abgerufen werden, sofern die Datenübertragung sicher und verschlüsselt ist und die Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber zuvor über die Arbeitsunfähigkeit informiert haben. Damit wird verhindert, dass durch die Arbeitgeber ein Abruf auf Verdacht erfolgt.
Die Pflicht zur Unterrichtung des Arbeitgebers besteht somit weiterhin. Die Änderung des § 5 EFZG durch die Schaffung von Absatz 1a steht auch im Einklang mit dem kürzlich überarbeiteten § 109 Sozialgesetzbuch Band IV (SGB IV). Nach § 109 SGB IV muss die Krankenkasse seit dem 01.01.2023 einen Bericht erstellen, den der Arbeitgeber nach Erhalt der vom Arzt übermittelten Arbeitsunfähigkeitsdaten abruft. Der Bericht enthält dann den Namen des Arbeitnehmers, den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit, das Datum, an dem der untersuchende Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat, sowie die Kennzeichnung als Erstbericht oder Folgebericht.
Anhand der vom untersuchenden Arzt übermittelten Daten prüft die Krankenkasse auch, ob die Entgeltfortzahlung aufgrund von anrechenbaren Krankheitszeiten ausgelaufen ist. In diesem Fall informiert sie den Arbeitgeber automatisch, dass dieser die Daten zur Arbeitsunfähigkeit nicht aktiv abzurufen braucht.
Die Gesetzesänderungen können erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit der Arbeitgeber haben. Arbeitgeber haben nach wie vor das Recht, die Frist für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 5 Abs. 1 EFZG zu verkürzen. Allerdings müssen bestehende Policen oder Anweisungen in dieser Hinsicht möglicherweise überarbeitet werden, da die in der gesetzlichen Krankenkasse versicherten Arbeitnehmer nicht mehr verpflichtet sind, den gelben Schein vorzulegen. In Unternehmen mit Betriebsräten ist aufgrund der Ordnungswirkung einer solchen Weisung § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) einzuhalten. Darüber hinaus könnte die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und die damit verbundene Schaffung einer IT-Schnittstelle zwischen Arbeitgeber und Krankenkasse als mögliche technische Einrichtung ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auslösen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Arbeitgeber in diesem Zusammenhang spezielle Abrufs- und Verarbeitungssysteme oder Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen einführen möchte. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als solches besteht. Letztlich setzt sie nur verbindliche rechtliche Anforderungen um, so dass die Arbeitgeber und Betriebsräte wenig Spielraum haben werden.
Obwohl der Gesetzgeber beabsichtigt haben wird, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch die Änderung von § 5 EFZG abschließend zu regeln, hat er möglicherweise § 7 EFZG übersehen. Diese Bestimmung erlaubt es den Arbeitgebern, die Gewährung von Leistungen an Arbeitnehmer abzulehnen, die keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Jetzt, da die Pflicht für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer nicht mehr besteht, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, scheint zumindest für diese Gruppe § 7 EFZG nicht (mehr) zu gelten. Es bleibt abzuwarten, ob § 7 EFZG geändert wird oder ob er zu einem historischen Überbleibsel wird, der für künftige Generationen von Fachleuten im Bereich Human Resources Verwirrung stiftet. In Ermangelung einer späteren Änderung des Gesetzes müssen möglicherweise die Gerichte entscheiden, ob die Beibehaltung der Bestimmung als redaktioneller Fehler zu betrachten ist oder ob § 7 EFZG so ausgelegt werden sollte, dass Arbeitgeber das Recht haben, die Zahlung zu verweigern, wenn Arbeitnehmer nicht innerhalb von drei Tagen ihre Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt feststellen lassen.
Um Zweifel auszuschließen, gilt die Abschaffung der Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht für privatversicherte Arbeitnehmer sowie nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der nicht an der gesetzlichen Krankenversicherung teilnimmt. Sie gilt auch nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsunfähigkeit von einem im Ausland niedergelassenen Arzt festgestellt worden ist. Diese Arbeitnehmergruppen müssen weiterhin ihren Arbeitgebern eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform vorlegen.
Kommentar und empfohlene Maßnahmen für Arbeitgeber
Die Darstellung der am 01.01.2023 in Kraft getretenen Änderungen des EFZG hat gezeigt, dass die Abschaffung der Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Vorlage von Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit einige administrative und rechtliche Folgen für die Arbeitgeber haben wird. Arbeitgeber müssen nun nicht nur aktiv die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihrer Arbeitnehmer bei der jeweiligen Krankenkasse einholen. Vielmehr ist das Versäumnis, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einzureichen, kein Grund mehr, einen Arbeitnehmer aus verhaltensbezogenen Gründen zu verwarnen und zu kündigen.
Sofern sie dies nicht bereits getan haben, sollten Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer über die neue Rechtslage informieren, da entsprechende Bestimmungen in alten Arbeitsverträgen mit der neuen Rechtslage nichtig sind und deshalb nicht mehr gelten. Stattdessen gelten die gesetzlichen Vorschriften.
Für Neueinstellungen sollten die Musterarbeitsverträge so angepasst werden, dass sie die verschiedenen Alternativen für Arbeitnehmer mit unterschiedlichem Krankenversicherungsschutz berücksichtigen.
Auf jeden Fall ist nicht zu empfehlen, die gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmer anzuweisen, dem Arbeitgeber jetzt die Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit vorzulegen, die ihnen vom untersuchenden Arzt in Papierform übergeben worden ist. Die Kopie der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die dem Arbeitnehmer ausgestellt worden ist, weist nicht den verringerten Informationswert auf wie jene Kopie, die zuvor für den Arbeitgeber ausgestellt worden ist. Daher würde der Arbeitgeber letztlich sensible Daten erhalten, was gegen geltende Datenschutzgesetze verstößt. § 12 EFZG verbietet im Übrigen Abweichungen von gesetzlichen Bestimmungen zum Nachteil des Arbeitnehmers.
Was den Stand der Digitalisierung in Deutschland betrifft, der oft und manchmal zu Recht kritisiert wird, so kann die Gesetzesänderung sicherlich als technischer Fortschritt angesehen werden. Für die Arbeitgeber ist dieser Schritt jedoch mit einem nicht unerheblichen Organisationsaufwand verbunden. Zum einen müssen interne Informationskanäle zwischen HR- und Lohnabrechnungsabteilungen aller Wahrscheinlichkeit nach angepasst und technische Voraussetzungen geschaffen werden, um elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von den Krankenkassen abrufen zu können. Zum anderen müssen die Arbeitsverträge überarbeitet werden, um alle Arbeitnehmergruppen entsprechend der jeweils geltenden Rechtslage anzusprechen.