Im Blickpunkt: Was Arbeitgeber über Pandemien wissen müssen
Gastbeitrag von Dr. Esther Dehmel, LL.M.
Die Zahl neuer Erkrankungen durch das Coronavirus steigt weiter. Auch in Deutschland wurden mittlerweile mehrere Fälle der Lungenkrankheit bestätigt. Gesundheitsexperten sehen den Ausbruch des Virus auf die Größe einer Pandemie zusteuern. Die Sorge vor einer Ansteckung wächst. Arbeitgeber stehen vor der Frage, welche Folgen der Ausbruch einer Pandemie für ihre Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis hat.
Pandemieplanung im Unternehmen
Es existieren bereits allgemeine Pandemiepläne der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie des Bundes und der Länder. Auch Unternehmen sollten sich auf den Fall einer länder- und kontinentübergreifenden Ausbreitung einer (Infektions-)Krankheit, eine sogenannte Pandemie, vorbereiten.
Unternehmen können einen betrieblichen Notfallplan erarbeiten. Dieser legt zum Beispiel für den Fall, dass die Mehrzahl der Belegschaft erkrankt, fest, welche kritischen Funktionen besetzt sein müssen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Unternehmen sollten möglichst verschiedene Stellen – von der Belegschaft, über den Betriebsrat und Betriebsarzt bis zur Arbeitssicherheit – beteiligen, wenn sie einen solchen Plan erarbeiten.
Ein konkretes Mitbestimmungsrecht bei der Erstellung eines „Pandemieplans“ hat der Betriebsrat nicht. Dennoch sollte der Plan als Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden. Viele der im Pandemiefall gegebenenfalls notwendigen Maßnahmen unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrates, können in bereits bestehenden Betriebsvereinbarungen geregelt sein, oder es existieren sich widersprechende einzelvertragliche Vereinbarungen. Dazu zählen etwa (Hygiene-)Verhaltensregelungen, Überstunden, Zuweisung anderer als vertraglich vereinbarter Tätigkeiten, Informationen über erkrankte Arbeitnehmer sammeln und an Behörden weitergeben. Um im Fall der Fälle schnell handlungsfähig zu sein und bestehende Regelungen außer Kraft setzen zu können, bietet sich der Abschluss einer Betriebsvereinbarung über Rechte und Pflichten im Pandemiefall an.
Kein Anspruch auf Leistungsverweigerung oder Home-Office
Bei einer realen Pandemiegefahr kann es passieren, dass Arbeitnehmer vorsorglich zu Hause bleiben wollen, um eine Ansteckung zu vermeiden. Rechtlich wäre das eine Arbeitsverweigerung.
Der Arbeitnehmer hat nur dann ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn die Ausübung seiner Tätigkeit mit einer objektiv erheblichen persönlichen Gefahr für Gesundheit und Leben verbunden ist und über das allgemeine Ansteckungsrisiko hinausgeht. Von der Rechtsprechung anerkannt ist ein Leistungsverweigerungsrecht zum Beispiel bei einem asbestbelasteten Arbeitsplatz (vgl. BAG vom 19.02.1997 – 5AZR 982/94). Die Übertragung auf den Pandemiefall gelingt in der Regel nicht. Im Normalfall werden erkrankte Arbeitnehmer zu Hause bleiben oder vom Arbeitgeber nach Hause geschickt. Der Arbeitnehmer ist somit auf dem Weg zum oder am Arbeitsplatz lediglich mit dem allgemeinen Lebensrisiko der Ansteckung durch den Kontakt zu seiner Umwelt, den Kollegen oder Kunden ausgesetzt. Dieses Risiko berechtigt ihn nicht, der Arbeit fernzubleiben.
Ebenso hat der Arbeitnehmer kein generelles Recht, von zu Hause, das heißt im Home-Office, zu arbeiten. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber dies aufgrund der Sondersituation ausdrücklich, etwa in einem Pandemieplan, für zulässig erklärt.
Ob und wie Arbeitgeber im Fall einer Pandemie oder Pandemiegefahr auf eine Arbeitsverweigerung oder das Fernbleiben vom betrieblichen Arbeitsplatz reagieren, sollte von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängen. Dabei sollten sie einbeziehen, inwieweit die Angst des Arbeitnehmers menschlich nachvollziehbar ist.
Verweigerung von Dienstreisen und Entsendungen nur bei Reisewarnung möglich
Solange keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, Empfehlung der WHO oder des Robert Koch-Instituts vorliegt, können Arbeitnehmer eine Reise oder Entsendung in betroffene Gebiete nicht verweigern. Solche Reisewarnungen spricht das Auswärtige Amt nur in Ausnahmefällen aus. In diesem Zusammenhang werden die dortigen Deutschen auch aufgefordert, das Land zu verlassen.
Liegt hingegen eine entsprechende Reisewarnung vor, behält der betroffene Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch, kann aber zu einer anderen als der – berechtigt – verweigerten Tätigkeit angewiesen wer-den.
Besondere Vorsicht bei Rückkehrern aus Risikogebieten und Erkrankten
Unternehmen sollten Arbeitnehmer, die aus Risikogebieten oder gefährdeten Gebieten zurückkehren, vorsorglich von der Arbeitsleistung freistellen und dafür Sorge tragen, dass sie nicht an ihren Arbeitsplatz im Büro kommen – diese „häusliche Quarantäne“ gilt zunächst für die Zeit unmittelbar nach der Rückkehr.
Der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Rest der Belegschaft. Bei Infektionserkrankungen, die hochansteckend oder schlecht behandelbar sind oder einen schwereren Krankheitsverlauf haben, wird man ihm zugestehen müssen, ein ärztliches Attest zu verlangen. Aus diesem sollte sich die fehlende Erkrankung des jeweiligen Arbeitnehmers ergeben. Danach kann er diesen wieder an seinen betrieblichen Arbeitsplatz zurückkehren lassen.
Benötigt der Arbeitgeber die Arbeitsleistung der zurückgekehrten Arbeitnehmer, die er in häusliche Quarantäne geschickt hat, ist eine vorübergehende Tätigkeit im Home-Office denkbar. Dazu muss er die notwendige technische Ausstattung der Arbeitnehmer, beispielsweise einen Laptop, zur Verfügung stellen.
Der Arbeitgeber hat das Recht, Arbeitnehmer, die bekannte Symptome der Pandemieinfektionserkrankung zeigen, freizustellen. Dies gilt auch, wenn er nur einen konkreten Verdacht hat. In beiden Fällen bleibt der Beschäftigungsanspruch des erkrankten Arbeitnehmers hinter dem Interesse des Arbeitgebers zurück, die übrige Belegschaft zu schützen und einen reibungslosen Betriebsablauf sicherzustellen. In diesem Zusammenhang darf der Arbeitgeber auch fragen, ob sich ein erkrankter Arbeitnehmer in einem Pandemierisikogebiet aufgehalten hat, etwa während eines Urlaubs. Der Arbeitnehmer muss keine detaillierten Angaben machen, aber Auskunft darüber geben, ob er in einem Risikogebiet war oder nicht.
Stellt der Arbeitgeber Rückkehrer oder (wahrscheinlich) erkrankte Arbeitnehmer frei, behalten diese ihren Vergütungsanspruch.
Anzahl der Erkrankten steigt
Steigt die Zahl der in einem Unternehmen erkrankten Arbeitnehmer an, droht im schlimmsten Fall die Stilllegung eines oder mehrerer Betriebe. Dieses Risiko und das Risiko, dass auch gesunde Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigt werden können, trägt grundsätzlich der Arbeitgeber. Die Pflicht zur Zahlung der vertraglichen Vergütung bleibt bestehen.
Um ein solches Szenario und dadurch drohende erhebliche Schäden abzuwenden, haben Unternehmen mehrere Möglichkeiten: Sie können die noch gesunden Arbeitnehmer anhalten, Überstunden abzubauen, und Urlaub gewähren. Zudem können sie in einem solchen „außergewöhnlichen Fall“ im Sinne des Arbeitszeitgesetzes Überstunden anordnen. Arbeitnehmer müssen dieser Anordnung aufgrund ihrer allgemeinen Treuepflicht Folge leisten. Schließlich bleibt – sofern dies einzelvertraglich oder kollektivrechtlich vereinbart beziehungsweise zulässig ist – die Anordnung von Kurzarbeit.
Ob der Arbeitgeber gesunden Arbeitnehmern auch eine andere als die vertraglich vereinbarte Tätigkeit für einen längeren Zeitraum zuweisen darf, hängt von den arbeitsvertraglichen Regelungen und der Reichweite des Direktionsrechts ab. Auch im Fall einer Pandemie muss dies in jedem Einzelfall geprüft werden.
Pandemie setzt Arbeitsrecht nicht außer Kraft
Das Coronavirus oder eine Pandemie setzen das gültige Arbeitsrecht nicht außer Kraft: Arbeitgeber haben grundsätzlich dieselben Befugnisse wie bisher und in außergewöhnlichen Fällen auch darüber hinausgehende Rechte.
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