Die Gleichberechtigung ist annähernd geschafft, wenn die erste inkompetente Frau im Aufsichtsrat sitzt. Bei den Männern haben wir genug davon.“ So ungefähr hat es die damalige EU-Kommissarin Viviane Reding vor knapp zehn Jahren gesagt, als sie ihren politisch sehr umstrittenen Richtlinienvorschlag zur ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen vertrat. Die Bundesregierung ist dem gefolgt, und seit 2015 ist ein dementsprechendes Gesetz in Kraft. Nun steht in Deutschland ein zweites Gesetz in diesem Sinne zur Diskussion. Wieder erhitzt es die Gemüter, und ich frage mich, warum die Quote – bei Männern und Frauen – nach so vielen Jahren immer noch so ein Aufreger ist. Wir sehen doch: Es ändert sich kaum etwas. So kann es jedenfalls nicht bleiben. Aus diesem Grund hat die Regierung nun den Entwurf eines zweiten Führungspositionengesetzes vorgelegt – in der Hoffnung, dass sich jetzt endlich etwas ändert.
Weiterer notwendiger Schritt zu echter Gleichberechtigung
Ich fände es gut, wenn wir dieses Gesetz einfach als einen weiteren notwendigen Schritt zu echter Gleichberechtigung sähen, endlich außen vor ließen, ob wir für oder gegen die Quote sind, die Quote nicht als Zwangsmittel, sondern als Motivation verstünden, wirklich etwas zu verändern. Wir müssen endlich versuchen, unsere Unternehmen so zu strukturieren, dass Frauen die gleichen Karrierechancen haben. Bisher hat sich nicht viel getan, also ist es doch einen Versuch wert. Die zurückliegenden Jahre haben gezeigt, dass eine freiwillige Verpflichtung der Unternehmen, mehr Frauen in Vorstandspositionen zu bringen, nichts gebracht hat. Auch die Zahlen in den Aufsichtsräten laden nicht zum Jubeln ein. Also brauchen wir dieses Gesetz, so geht es endlich ein wenig weiter voran. Wie oft sollen wir noch die unzähligen Studien zitieren, die beweisen, dass diverse Teams viel innovativer, weniger störanfällig und erfolgreicher sind? Dass mehr Frauen den Unternehmen guttun? Also, auf was warten? Dieses Gesetz sollte nicht als Pflicht, sondern als Aufforderung zu mehr Veränderungswillen verstanden werden. Es ist nur ein einzelner Schritt auf dem noch langen Weg zu echter Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft. Denn zu glauben, dass ein FüPoG II alles ändere und wir damit bei sofortiger Gleichbehandlung landeten, ist weit gefehlt. Aber es ist ein wichtiger Baustein, ohne den das fertige Haus nicht entstehen kann.
„Quotendiskussion“: Es ist alles gesagt
Die verschiedenen Argumente, die in der „Quotendiskussion“ immer wieder ausgetauscht werden, will ich nicht vertiefen, weil uns das nicht mehr weiterbringt. Es ist alles gesagt. Wir müssen darüber hinweg und endlich etwas tun. Aber was tun? Zum Beispiel möglichst schnell dieses Gesetz verabschieden und umsetzen. Das FüPoG II führt nämlich dazu, dass Unternehmen zukünftig näher auf ihre eingefahrenen und oft sehr tradierten Strukturen schauen müssen.
Diejenigen, die meinen, dass Frauen den Weg nach ganz oben gar nicht anstrebten, verkennen, dass die Strukturen in ihren Unternehmen oft von Männern und für diese gemacht wurden und nicht frauenfreundlich sind. Ein Beispiel ist die vielbeschriebene gläserne Decke. Der „Weg nach oben“ ist nicht wirklich frei für Frauen. Das Gesetz fordert dies aber, und das bedeutet für die Unternehmen nun ein wenig mehr an Diversity-Arbeit. So schwer ist das nicht, wichtig ist nur, die neuen Strukturen und Ideen gemeinsam – Männer wie Frauen – zu erarbeiten.
Damit kommen wir auch den Frauen entgegen, die selbst die Quote strikt ablehnen. Auch hier steckt meines Erachtens ein systemrelevantes Problem dahinter. Ich habe die Beobachtung gemacht, dass die Frauen, die gegen eine Quote sind, oft in einem sehr männerdominierten System stecken. Da gilt es als „schwach“, es nicht nach oben zu schaffen oder nicht erfolgreich zu sein. Die Frauen aber, die sich in solchen Strukturen nach oben kämpfen, wollen keine Hilfe, weil ihnen das sonst als eben diese Schwäche ausgelegt werden könnte. Sie wollen es aus eigener Kraft schaffen. Völlig verständlich. Aber eigentlich hat es gar nichts mit Mann- oder Frausein zu tun, sondern es liegt am System selbst, das in dem Unternehmen herrscht. Das muss noch nicht mal böse gemeint sein. Es wurde nur nie hinterfragt. In männerdominierten Strukturen muss man Spaß an Macht und Profit haben. Diese Zuschreibung fällt aber eben meist den Männern zu und gilt eher nicht als Frauenattribut. Deswegen müssen wir den Blick vielmehr auf diese Systeme legen, damit die vielen hochqualifizierten Frauen überhaupt gesehen werden. Wenn diese ihr Potential voll entfalten können, weil es das System zulässt, dann stehen ihnen alle Möglichkeiten offen. Auch der Weg nach oben.
Chancen durch das neue Gesetz
Hier setzt meines Erachtens das neue Gesetz an: Für etwa 600 Unternehmen gibt es nun eine feste Quotenregelung und bei Nichteinhalten strikte Begründungspflichten für die Aufsichtsräte. Für Vorstände soll zukünftig eine flexible Quote gelten, allerdings muss aber bei einer Größe von vier Vorständen mindestens eine Frau dabei sein.
Das Gesetz „zwingt“ Unternehmen, in Zukunft mehr nach innen zu schauen und den Blick noch mehr auf ihre weibliche Mitarbeiterschaft zu richten. Ist das schlimm? Nein. Denn wir wollen doch den Change. Wir wollen einen Kulturwandel in den Organisationen. Wie geht das? Wir müssen die Unternehmensstrukturen überdenken. Denn die Kultur eines Unternehmens ändert sich nur, wenn die Strukturen sich ändern. Wir können nicht an der Kultur selbst arbeiten. Das ist falsch gedacht. Die Kultur ist, wie das Unternehmen ist. Sie ist ein Abbild des Unternehmens. Nur wenn sich strukturell etwas ändert, ändert sich auch die Kultur. Das folgt dann automatisch. Wenn Unternehmen nun verstärkt darüber nachdenken müssen, wie sie es schaffen, mehr Frauen durch die gläserne Decke kommen zu lassen, wie sie es schaffen, ein Umfeld zu bieten, in dem mehr Frauen ihr Potential entfalten können, wie sie es schaffen, ein Unternehmen zu werden, in dem verstärkt Bewerberinnen arbeiten wollen, wie sie es schaffen, alle ihre Talente zu fördern oder endlich genügend nutzen, dann werden sie nicht nur „frauenfreundlich“, sondern auch divers! Ja, es werden Kosten und Arbeitsaufwand entstehen, aber es wird sich am Ende auszahlen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und wo es wirklich nicht geht, greift die Nullregelung. Also kein Grund, sich aufzuregen.
Fazit
Noch einmal: Wir müssen endlich aufhören, die Quote so zu sehen, als ob die Frauen es nicht ohne Hilfe schaffen könnten oder als ob sie auf Posten gehievt würden, die sie sonst nicht bekommen hätten. Und das Argument, dass die Männer durch die Quote benachteiligt würden, ist veraltet und führt uns nicht weiter. Das sind Standpunkte, die schon zur Genüge ausgetauscht wurden und die Fronten nur noch weiter verhärten. Die Regelungen, die das FüPoG II verfolgt, verpflichten die Unternehmen dazu, den Blick noch mehr auf die weibliche Belegschaft zu richten. Das ist gut und richtig. Natürlich sollen keine inkompetenten Frauen oder Männer in den Aufsichtsräten oder Vorständen sitzen, das will niemand. Aber diverse Teams in der Führung von Unternehmen sind die Zukunft. Das müssen wir endlich verstehen. Das Gesetz weist uns den Weg dorthin. Manchmal müssen wir eben zu unserem Glück gezwungen werden.